Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Lrneimung der Mitglieder des Reichsgerichts

des Staatssekretärs des Reichsjustizamts gelegt wird, der im Reiche eine ähn¬
liche Stellung einnimmt wie der Justizmister der Einzelstaaten. Unverkennbar
wird ihm daraus eine sehr schwierige Aufgabe erwachsen, bei der er der Unter¬
stützung durch die Landesjustizverwaltungen nicht entbehren kann, wobei er zu
diesen aber nicht die Stellung einnehmen darf, wie im Einzelstaat der Justiz¬
minister zu den Justizbehörden des Landes. Unüberwindlich werden aber die
daraus hervorgehenden Schwierigkeiten nicht sein. Denn es würde doch Wohl
ein völlig unbegründetes Mißtrauen verraten, wenn man damit rechnen wollte,
daß einzelne Landesregierungen deshalb, weil ihre Vorschläge nicht dieselbe
Bedeutung haben wie früher, sich wenig geneigt zeigen könnten, einer Auf¬
forderung des Bundesrath Folge zu leisten, die etwa dahin ginge, fortlaufend
Mitteilung zu machen über Staatsbeamte, die zur Verwendung im Reichsge¬
richt tauglich sind. Übrigens wird auch das Reichsgericht selbst zur Über¬
windung dieser Schwierigkeiten beitragen können, wenn sich der Staatssekretär
mit dem Präsidenten in Verbindung setzt. Wenn es aber keine leichte, so
ist es im Hinblick auf den zu erzielenden Erfolg gewiß eine sehr lohnende
Aufgabe, die dem Staatssekretär erwächst, wenn er dafür verantwortlich sein
soll, daß dem Bundesrate jederzeit die bewährteste im Reiche verfügbare Kraft
vorgeschlagen wird. Nun kann man sich ja nicht darüber täuschen: kein Ideal
wird jemals vollständig erreicht. Aber es ist doch wohl ein bescheidnes Ver¬
langen, daß die Hindernisse, die sich der Erreichung entgegenstellen, beseitigt
werden. Warnen möchte ich auch schließlich davor, noch länger den lähmenden
und die Freudigkeit am Berufe raubenden Eindruck fortwirken zu lassen, dessen
sich auch die tüchtigsten Mitglieder des Reichsgerichts nicht erwehren können,
wenn sie sehen, wie wenig Wert anscheinend darauf gelegt wird, die besten
verfügbaren Kräfte für das Reichsgericht zu gewinnen und keinen weder als
Rat, noch als Präsident eintreten zu lassen, bei dem es fraglich ist, ob er auch
seinen Platz wird ausfüllen können.

Mein lebhaftes Interesse für den höchsten deutschen Gerichtshof, in dem
ich zwölf Jahre mitgewirkt habe, ist mit meinem Ausscheiden nicht erloschen
und hat mich aufs neue angetrieben, dafür einzutreten. Möge denn dieser
ernste, rückhaltlose Mahnruf nicht eben so unbeachtet verhallen, wie einst meine
uur auf allgemeine Betrachtungen sich stützende Warnung.




Die Lrneimung der Mitglieder des Reichsgerichts

des Staatssekretärs des Reichsjustizamts gelegt wird, der im Reiche eine ähn¬
liche Stellung einnimmt wie der Justizmister der Einzelstaaten. Unverkennbar
wird ihm daraus eine sehr schwierige Aufgabe erwachsen, bei der er der Unter¬
stützung durch die Landesjustizverwaltungen nicht entbehren kann, wobei er zu
diesen aber nicht die Stellung einnehmen darf, wie im Einzelstaat der Justiz¬
minister zu den Justizbehörden des Landes. Unüberwindlich werden aber die
daraus hervorgehenden Schwierigkeiten nicht sein. Denn es würde doch Wohl
ein völlig unbegründetes Mißtrauen verraten, wenn man damit rechnen wollte,
daß einzelne Landesregierungen deshalb, weil ihre Vorschläge nicht dieselbe
Bedeutung haben wie früher, sich wenig geneigt zeigen könnten, einer Auf¬
forderung des Bundesrath Folge zu leisten, die etwa dahin ginge, fortlaufend
Mitteilung zu machen über Staatsbeamte, die zur Verwendung im Reichsge¬
richt tauglich sind. Übrigens wird auch das Reichsgericht selbst zur Über¬
windung dieser Schwierigkeiten beitragen können, wenn sich der Staatssekretär
mit dem Präsidenten in Verbindung setzt. Wenn es aber keine leichte, so
ist es im Hinblick auf den zu erzielenden Erfolg gewiß eine sehr lohnende
Aufgabe, die dem Staatssekretär erwächst, wenn er dafür verantwortlich sein
soll, daß dem Bundesrate jederzeit die bewährteste im Reiche verfügbare Kraft
vorgeschlagen wird. Nun kann man sich ja nicht darüber täuschen: kein Ideal
wird jemals vollständig erreicht. Aber es ist doch wohl ein bescheidnes Ver¬
langen, daß die Hindernisse, die sich der Erreichung entgegenstellen, beseitigt
werden. Warnen möchte ich auch schließlich davor, noch länger den lähmenden
und die Freudigkeit am Berufe raubenden Eindruck fortwirken zu lassen, dessen
sich auch die tüchtigsten Mitglieder des Reichsgerichts nicht erwehren können,
wenn sie sehen, wie wenig Wert anscheinend darauf gelegt wird, die besten
verfügbaren Kräfte für das Reichsgericht zu gewinnen und keinen weder als
Rat, noch als Präsident eintreten zu lassen, bei dem es fraglich ist, ob er auch
seinen Platz wird ausfüllen können.

Mein lebhaftes Interesse für den höchsten deutschen Gerichtshof, in dem
ich zwölf Jahre mitgewirkt habe, ist mit meinem Ausscheiden nicht erloschen
und hat mich aufs neue angetrieben, dafür einzutreten. Möge denn dieser
ernste, rückhaltlose Mahnruf nicht eben so unbeachtet verhallen, wie einst meine
uur auf allgemeine Betrachtungen sich stützende Warnung.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224087"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Lrneimung der Mitglieder des Reichsgerichts</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1491" prev="#ID_1490"> des Staatssekretärs des Reichsjustizamts gelegt wird, der im Reiche eine ähn¬<lb/>
liche Stellung einnimmt wie der Justizmister der Einzelstaaten. Unverkennbar<lb/>
wird ihm daraus eine sehr schwierige Aufgabe erwachsen, bei der er der Unter¬<lb/>
stützung durch die Landesjustizverwaltungen nicht entbehren kann, wobei er zu<lb/>
diesen aber nicht die Stellung einnehmen darf, wie im Einzelstaat der Justiz¬<lb/>
minister zu den Justizbehörden des Landes. Unüberwindlich werden aber die<lb/>
daraus hervorgehenden Schwierigkeiten nicht sein. Denn es würde doch Wohl<lb/>
ein völlig unbegründetes Mißtrauen verraten, wenn man damit rechnen wollte,<lb/>
daß einzelne Landesregierungen deshalb, weil ihre Vorschläge nicht dieselbe<lb/>
Bedeutung haben wie früher, sich wenig geneigt zeigen könnten, einer Auf¬<lb/>
forderung des Bundesrath Folge zu leisten, die etwa dahin ginge, fortlaufend<lb/>
Mitteilung zu machen über Staatsbeamte, die zur Verwendung im Reichsge¬<lb/>
richt tauglich sind. Übrigens wird auch das Reichsgericht selbst zur Über¬<lb/>
windung dieser Schwierigkeiten beitragen können, wenn sich der Staatssekretär<lb/>
mit dem Präsidenten in Verbindung setzt. Wenn es aber keine leichte, so<lb/>
ist es im Hinblick auf den zu erzielenden Erfolg gewiß eine sehr lohnende<lb/>
Aufgabe, die dem Staatssekretär erwächst, wenn er dafür verantwortlich sein<lb/>
soll, daß dem Bundesrate jederzeit die bewährteste im Reiche verfügbare Kraft<lb/>
vorgeschlagen wird. Nun kann man sich ja nicht darüber täuschen: kein Ideal<lb/>
wird jemals vollständig erreicht. Aber es ist doch wohl ein bescheidnes Ver¬<lb/>
langen, daß die Hindernisse, die sich der Erreichung entgegenstellen, beseitigt<lb/>
werden. Warnen möchte ich auch schließlich davor, noch länger den lähmenden<lb/>
und die Freudigkeit am Berufe raubenden Eindruck fortwirken zu lassen, dessen<lb/>
sich auch die tüchtigsten Mitglieder des Reichsgerichts nicht erwehren können,<lb/>
wenn sie sehen, wie wenig Wert anscheinend darauf gelegt wird, die besten<lb/>
verfügbaren Kräfte für das Reichsgericht zu gewinnen und keinen weder als<lb/>
Rat, noch als Präsident eintreten zu lassen, bei dem es fraglich ist, ob er auch<lb/>
seinen Platz wird ausfüllen können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1492"> Mein lebhaftes Interesse für den höchsten deutschen Gerichtshof, in dem<lb/>
ich zwölf Jahre mitgewirkt habe, ist mit meinem Ausscheiden nicht erloschen<lb/>
und hat mich aufs neue angetrieben, dafür einzutreten. Möge denn dieser<lb/>
ernste, rückhaltlose Mahnruf nicht eben so unbeachtet verhallen, wie einst meine<lb/>
uur auf allgemeine Betrachtungen sich stützende Warnung.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0503] Die Lrneimung der Mitglieder des Reichsgerichts des Staatssekretärs des Reichsjustizamts gelegt wird, der im Reiche eine ähn¬ liche Stellung einnimmt wie der Justizmister der Einzelstaaten. Unverkennbar wird ihm daraus eine sehr schwierige Aufgabe erwachsen, bei der er der Unter¬ stützung durch die Landesjustizverwaltungen nicht entbehren kann, wobei er zu diesen aber nicht die Stellung einnehmen darf, wie im Einzelstaat der Justiz¬ minister zu den Justizbehörden des Landes. Unüberwindlich werden aber die daraus hervorgehenden Schwierigkeiten nicht sein. Denn es würde doch Wohl ein völlig unbegründetes Mißtrauen verraten, wenn man damit rechnen wollte, daß einzelne Landesregierungen deshalb, weil ihre Vorschläge nicht dieselbe Bedeutung haben wie früher, sich wenig geneigt zeigen könnten, einer Auf¬ forderung des Bundesrath Folge zu leisten, die etwa dahin ginge, fortlaufend Mitteilung zu machen über Staatsbeamte, die zur Verwendung im Reichsge¬ richt tauglich sind. Übrigens wird auch das Reichsgericht selbst zur Über¬ windung dieser Schwierigkeiten beitragen können, wenn sich der Staatssekretär mit dem Präsidenten in Verbindung setzt. Wenn es aber keine leichte, so ist es im Hinblick auf den zu erzielenden Erfolg gewiß eine sehr lohnende Aufgabe, die dem Staatssekretär erwächst, wenn er dafür verantwortlich sein soll, daß dem Bundesrate jederzeit die bewährteste im Reiche verfügbare Kraft vorgeschlagen wird. Nun kann man sich ja nicht darüber täuschen: kein Ideal wird jemals vollständig erreicht. Aber es ist doch wohl ein bescheidnes Ver¬ langen, daß die Hindernisse, die sich der Erreichung entgegenstellen, beseitigt werden. Warnen möchte ich auch schließlich davor, noch länger den lähmenden und die Freudigkeit am Berufe raubenden Eindruck fortwirken zu lassen, dessen sich auch die tüchtigsten Mitglieder des Reichsgerichts nicht erwehren können, wenn sie sehen, wie wenig Wert anscheinend darauf gelegt wird, die besten verfügbaren Kräfte für das Reichsgericht zu gewinnen und keinen weder als Rat, noch als Präsident eintreten zu lassen, bei dem es fraglich ist, ob er auch seinen Platz wird ausfüllen können. Mein lebhaftes Interesse für den höchsten deutschen Gerichtshof, in dem ich zwölf Jahre mitgewirkt habe, ist mit meinem Ausscheiden nicht erloschen und hat mich aufs neue angetrieben, dafür einzutreten. Möge denn dieser ernste, rückhaltlose Mahnruf nicht eben so unbeachtet verhallen, wie einst meine uur auf allgemeine Betrachtungen sich stützende Warnung.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/503
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/503>, abgerufen am 06.01.2025.