Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Mittel der Verwaltungsbehörden seien, Fragen also, die zu ihrer Beantwortung Wieder focht die Staatsanwaltschaft das Urteil an, und das Revisions- Das Landgericht, vor dem nun die Sache wieder zur Verhandlung kam, Dies Urteil traf Herrn Stegwart wie ein Wetterschlag. Die fünf Mark Er hatte einen Rechtsanwalt eingenommen, um vor der entfernten und Da war die Gebühr für drei Instanzen, da war die hohe Gebühr des Stegwart fühlte den Boden schwanken, auf dem sein Stolz, sein Häuschen, Mittel der Verwaltungsbehörden seien, Fragen also, die zu ihrer Beantwortung Wieder focht die Staatsanwaltschaft das Urteil an, und das Revisions- Das Landgericht, vor dem nun die Sache wieder zur Verhandlung kam, Dies Urteil traf Herrn Stegwart wie ein Wetterschlag. Die fünf Mark Er hatte einen Rechtsanwalt eingenommen, um vor der entfernten und Da war die Gebühr für drei Instanzen, da war die hohe Gebühr des Stegwart fühlte den Boden schwanken, auf dem sein Stolz, sein Häuschen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0437" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/224021"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1313" prev="#ID_1312"> Mittel der Verwaltungsbehörden seien, Fragen also, die zu ihrer Beantwortung<lb/> einen ausgebildeten juristischen Verstand verlangten und weit über den Horizont<lb/> eines Mannes wie des Tagelöhners Stegwart hinausgingen. Aber nach er¬<lb/> neuter Beweiserhebung kam auch das Berufungsgericht zur Freisprechung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1314"> Wieder focht die Staatsanwaltschaft das Urteil an, und das Revisions-<lb/> gericht entschied, das Gesetz vom Jahre 1842 sei noch in Kraft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1315"> Das Landgericht, vor dem nun die Sache wieder zur Verhandlung kam,<lb/> war jetzt an die Entscheidung des Revisionsgerichtes gebunden, und da es die<lb/> Unzulässigkeit der weitern Einwände Stegwarts erkannte, so mußte es ihn<lb/> nicht nur zu den fünf Mark Geldstrafe, sondern auch zu den Kosten des ge¬<lb/> samten Verfahrens verurteilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1316"> Dies Urteil traf Herrn Stegwart wie ein Wetterschlag. Die fünf Mark<lb/> Strafe und die verhältnismäßig geringen Kosten des Verfahrens vor dem<lb/> nahen Schöffengerichte wären nicht über seine Kräfte gegangen, er Hütte sie<lb/> auch ohne Murren gezahlt, wenn er nun einmal im Unrechte war. Aber das<lb/> Schöffengericht hatte jn über seine Einwände gar nicht entschieden. Es hatte<lb/> aus eignem Antriebe den neuen Gesichtspunkt von der Aufhebung des alten<lb/> Gesetzes geltend gemacht. Gegen Stegwarts Willen also war das Verfahren<lb/> von der Staatsanwaltschaft von Instanz zu Instanz getrieben worden. Ihm<lb/> war oft heiß und kalt geworden bei dem Gedanken an die Höhe der ent¬<lb/> stehenden Kosten. Aber konnte er den Fortgang des Prozesses hindern, konnte<lb/> er sagen: „Nein, ich bin doch im Unrecht," wo ihn zwei Gerichte nacheinander<lb/> freisprachen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1317"> Er hatte einen Rechtsanwalt eingenommen, um vor der entfernten und<lb/> gefttrchteten Strafkammer des Landgerichts und vor dem Oberlandesgericht<lb/> seinen Prozeß zu führen. Er selber fühlte sich doch gar zu unsicher bei all<lb/> den juristischen Ausführungen, die er hörte, und von denen er nicht das ge¬<lb/> ringste verstand. Und nun kam die Kostenrechnung!</p><lb/> <p xml:id="ID_1318"> Da war die Gebühr für drei Instanzen, da war die hohe Gebühr des<lb/> Rechtsanwalts, die teuern Reisen der Zeugen nach dem entfernten Landgericht,<lb/> die Schreibgcbühren, die Portoauslagen. Herr Gott, daS ging ja weit über<lb/> hundert Mark! Und die sollten mit der Hände Arbeit verdient werden bei<lb/> einem Tagelohn von zwei Mark, bei dein reichen Kindersegen und der Last der<lb/> Hypothekenzinsen!</p><lb/> <p xml:id="ID_1319"> Stegwart fühlte den Boden schwanken, auf dem sein Stolz, sein Häuschen,<lb/> stand. Um einer Übertretung willen, die mit fünf Mark zu sühnen war, sah<lb/> er sich durch irrende Richter vor die Gefahr gestellt, von Haus und Hof gehen<lb/> AU müssen. Wer möchte es ihm verdenken, daß er in dem Urteil nur eine<lb/> schwere Ungerechtigkeit sah und eine drückende Härte der Behörden gegen ihn,<lb/> den kleinen Manu, und daß sich Bitterkeit und tiefes Mißtrauen gegen die<lb/> Gerichte, die so etwas gut heißen konnten, bei ihm einfchlich!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0437]
Mittel der Verwaltungsbehörden seien, Fragen also, die zu ihrer Beantwortung
einen ausgebildeten juristischen Verstand verlangten und weit über den Horizont
eines Mannes wie des Tagelöhners Stegwart hinausgingen. Aber nach er¬
neuter Beweiserhebung kam auch das Berufungsgericht zur Freisprechung.
Wieder focht die Staatsanwaltschaft das Urteil an, und das Revisions-
gericht entschied, das Gesetz vom Jahre 1842 sei noch in Kraft.
Das Landgericht, vor dem nun die Sache wieder zur Verhandlung kam,
war jetzt an die Entscheidung des Revisionsgerichtes gebunden, und da es die
Unzulässigkeit der weitern Einwände Stegwarts erkannte, so mußte es ihn
nicht nur zu den fünf Mark Geldstrafe, sondern auch zu den Kosten des ge¬
samten Verfahrens verurteilen.
Dies Urteil traf Herrn Stegwart wie ein Wetterschlag. Die fünf Mark
Strafe und die verhältnismäßig geringen Kosten des Verfahrens vor dem
nahen Schöffengerichte wären nicht über seine Kräfte gegangen, er Hütte sie
auch ohne Murren gezahlt, wenn er nun einmal im Unrechte war. Aber das
Schöffengericht hatte jn über seine Einwände gar nicht entschieden. Es hatte
aus eignem Antriebe den neuen Gesichtspunkt von der Aufhebung des alten
Gesetzes geltend gemacht. Gegen Stegwarts Willen also war das Verfahren
von der Staatsanwaltschaft von Instanz zu Instanz getrieben worden. Ihm
war oft heiß und kalt geworden bei dem Gedanken an die Höhe der ent¬
stehenden Kosten. Aber konnte er den Fortgang des Prozesses hindern, konnte
er sagen: „Nein, ich bin doch im Unrecht," wo ihn zwei Gerichte nacheinander
freisprachen?
Er hatte einen Rechtsanwalt eingenommen, um vor der entfernten und
gefttrchteten Strafkammer des Landgerichts und vor dem Oberlandesgericht
seinen Prozeß zu führen. Er selber fühlte sich doch gar zu unsicher bei all
den juristischen Ausführungen, die er hörte, und von denen er nicht das ge¬
ringste verstand. Und nun kam die Kostenrechnung!
Da war die Gebühr für drei Instanzen, da war die hohe Gebühr des
Rechtsanwalts, die teuern Reisen der Zeugen nach dem entfernten Landgericht,
die Schreibgcbühren, die Portoauslagen. Herr Gott, daS ging ja weit über
hundert Mark! Und die sollten mit der Hände Arbeit verdient werden bei
einem Tagelohn von zwei Mark, bei dein reichen Kindersegen und der Last der
Hypothekenzinsen!
Stegwart fühlte den Boden schwanken, auf dem sein Stolz, sein Häuschen,
stand. Um einer Übertretung willen, die mit fünf Mark zu sühnen war, sah
er sich durch irrende Richter vor die Gefahr gestellt, von Haus und Hof gehen
AU müssen. Wer möchte es ihm verdenken, daß er in dem Urteil nur eine
schwere Ungerechtigkeit sah und eine drückende Härte der Behörden gegen ihn,
den kleinen Manu, und daß sich Bitterkeit und tiefes Mißtrauen gegen die
Gerichte, die so etwas gut heißen konnten, bei ihm einfchlich!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |