Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Die Mßstände in der Aleider- und IVÄscheindustrie Juden und gegen Italiener versucht wird. Hoffentlich werden die leitenden Nicht etwa nur die Heimarbeiterinnen, die zu Hause nicht abkommen ^ Und nun zum Kampf gegen die Zwischenmeister. Der Abgeordnete Freiherr renzboten IV 1896 51
Die Mßstände in der Aleider- und IVÄscheindustrie Juden und gegen Italiener versucht wird. Hoffentlich werden die leitenden Nicht etwa nur die Heimarbeiterinnen, die zu Hause nicht abkommen ^ Und nun zum Kampf gegen die Zwischenmeister. Der Abgeordnete Freiherr renzboten IV 1896 51
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Die Mßstände in der Aleider- und IVÄscheindustrie
Juden und gegen Italiener versucht wird. Hoffentlich werden die leitenden
Kreise gerade aus den Verhandlungen vor der Kommission eingesehen haben,
daß die Arbeiterschaft der Konfektionsindustrie selbst eine solche Reform am
wenigsten will, und zwar aus guten Gründen.
Nicht etwa nur die Heimarbeiterinnen, die zu Hause nicht abkommen
können, weil sie dem Haushalt vorstehen müssen, oder weil sie kranke oder alte
Angehörige zu versorgen haben oder selbst gebrechlich sind, verwahren sich ent¬
schieden gegen den Zwang, Fabrikarbeiterinnen zu werden, auch keineswegs nur
solche Frauen und Mädchen, die zu stolz sind, Fabrikarbeiterinnen zu heißen.
Nein, die große Masse unsrer Arbeiterschaft, die noch Familienleben und Familien¬
zucht hochhält, weiß, daß die Heimarbeit zwar die Frauen und Mütter vielfach
in der Erfüllung ihrer Hausfrauen- und Mutterpflichten stört, daß aber die
Fabrikarbeit sie diesen Pflichten ganz oder so gut wie ganz entzieht und ent¬
fremdet. Die kürzlich in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft ver¬
öffentlichte Arbeit Martins über die Ausschließung der Frauen aus der Fabrik kam
sehr zur rechten Zeit, um einmal dem einseitigen Anpreisen der Fabrikarbeit einen
Dämpfer aufzusetzen, diesem verhängnisvollen und höchst unwissenschaftlichen
Extrem, in das man jetzt Hals über Kopf Hineinzugeraten scheint, nachdem
man vorher ebenso blind gegen die Mängel des Hausgewerbes gewesen war.
Und ebenso wenig wie die Frauen will die bessere Arbeiterschaft die Töchter
ausschließlich auf die Fabrikarbeit angewiesen sehen. Nur ganz weltfremde
Unerfahrenheit kann das schlechtweg für ein unberechtigtes Vorurteil erklären.
Die verstündige Arbeiterfrau weiß sehr wohl, warum sie ihre Tochter lieber
öU Hause unter ihren Augen arbeiten läßt, selbst wenn der Verdienst zu Hause
geringer sein sollte. Schon aus sittlichen Gründen fürchtet sie mit Recht das
gepriesene „Fabriksystem," aber nicht deshalb allein. Sich gegen die elterliche
Autorität in unreifem Alter aufzulehnen, als fünfzehn-, sechzehnjähriges Mädchen
auf den eignen Verdienst zu pochen und auf das Recht, die freie Zeit nach
Belieben zu verbringen, das sind die weitern und regelmüßigen Folgen der
Fabrikarbeit, die unsre Arbeiter und Arbeiterfrauen kennen und fürchten. Wir
verkennen nicht die schweren Nachteile des Heimbetriebes in der Konfektions¬
industrie, aber wir halten das Verlangen nach gänzlicher Beseitigung der Heim¬
arbeit gerade in dieser Industrie für eine ungeheuerliche Einseitigkeit, vollends
^el denen, die nicht müde werden, den Arbeiterfamilien und Arbeitertöchtern
den Gesindedienst zu verleiden.
^ Und nun zum Kampf gegen die Zwischenmeister. Der Abgeordnete Freiherr
^rll zu Herrnsheim hat im deutschen Reichstage den Sweater und das Sweating-
lhstem als ?vnd as vus sür die nationalliberale Attacke gegen die Konfektionsarbeit
bezeichnet. Dieser importirte Popanz war dazu wahrhaftig am allerwenigsten
geeignet, und es kann gar nicht ausbleiben, daß bei einem solchen ?c>we as vus
welch über den Haufen geritten wird, was geschont werden sollte, und der Anariff
G
renzboten IV 1896 51
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