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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.

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Gebiete. Das schließt nicht ans, daß im Laufe der Jahre den Forderungen
von Stumm, Schönaich-Carolath, Träger u. c>. bezüglich der freien Verfügung
der Frauen über Kinder und Vermögen etwas nachgegeben werden kann und
wird; denn so wenig bei normalen Eheverhältnisfen die Einschränkung der
Rechtsfreiheit, unter der die Frau steht, zu besagen hat, so mißlich kann sich
die Sache in Kollisionsfüllen zuspitzen. Nur sollen uns die Führerinnen der
Frauenbewegung nicht glauben machen, daß diese Fälle so überhäusig vor¬
kämen, daß deswegen eine gänzliche Umwandlung des Familienrechts notwendig
sei. Würde diesem Verlangen nachgegeben, so wäre zu befürchten, daß wir
bald auf eine schiefe Ebne geraten würden. Nein, was die deutsche Frau ist,
das ist sie geschichtlich geworden, und es ist nicht gut gethan, fort und fort
daran zu rütteln. Halten wir lieber fest, was wir haben, sonst möchte der
Krone auf dem Haupte unsers Volkes ein edler Stein ausgebrochen werden.

Daß die Braut mit dem Trannngsakt ihren Geschlechtsnamen opfert, in
dieser alten Sitte liegt ein tiefer Sinn. Wenn die Familie ein Organismus
mit Haupt und Gliedern sein will, dann muß sich anch hier Über- und Unter¬
ordnung finden. Nach uralter Ordnung aber ist der Mann das Haupt; das
Haupt, nicht der Tyrann. Der Mann als Despot im Haus, wie wir es in
der vorchristlichen Zeit finden -- das ist Entartung. In dem geordneten
Haushalt teilt der Mann willig und freudig die Herrschaft mit der Ge¬
nossin. Die Frau bestimmt die eigne Färbung des Hauses. Wie im konstitu¬
tionellen Staatswesen der Fürst der Höchste und der Vertreter des Staates
nach anßen ist, während die ausschlaggebende Bedeutung der Volksvertretung
zukommt, so verhält es sich mit dem Anteil des Mannes und des Weibes an
der häuslichen Gewalt.

Fehlt aber denn wirklich dem Weibe jeglicher Einfluß auf das öffentliche
Leben? Hängt nicht die ganze Öffentlichkeit, Staat, Litteratur und Kunst aufs
innigste mit Art und Gesittung der Frauenwelt zusammen? Ja ist nicht gerade
dieser unsichtbare Einfluß bei der Beurteilung des Volksganzen, bei der
Erzielung des Volkswohls wesentlich?

Gewiß sind gegenwärtig andre Zeiten und andre Verhältnisse als damals,
wo "der Großvater die Großmutter nahm." Die sozialen Verschiebungen, die
unser Jahrhundert mit sich gebracht hat, haben auch die Lebensverhültnisse
der Frauen tief berührt. Etwas andres ist es, ungesunde Freiheitsgelüste in
Schutz zu nehmen, etwas andres, der Not und dem Hunger zu wehren. Wer
unter dem letztern Gesichtspunkte die Frauenbestrebungen unterstützt, der ver¬
dient Dank und Beifall, der darf auf Anerkennung und Unterstützung rechnen.
Für eine ungehörige Emanzipation ist der deutsche Boden nicht empfänglich,
sie verbietet sich bei uns von selbst. Aber andrerseits wollen wir Deutschen
es uns nicht nachsagen lassen, daß wir weniger Herz für die Frauen hätten
als andre Nationen. Die Alleinstehenden unter den Mädchen und Frauen in


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Gebiete. Das schließt nicht ans, daß im Laufe der Jahre den Forderungen
von Stumm, Schönaich-Carolath, Träger u. c>. bezüglich der freien Verfügung
der Frauen über Kinder und Vermögen etwas nachgegeben werden kann und
wird; denn so wenig bei normalen Eheverhältnisfen die Einschränkung der
Rechtsfreiheit, unter der die Frau steht, zu besagen hat, so mißlich kann sich
die Sache in Kollisionsfüllen zuspitzen. Nur sollen uns die Führerinnen der
Frauenbewegung nicht glauben machen, daß diese Fälle so überhäusig vor¬
kämen, daß deswegen eine gänzliche Umwandlung des Familienrechts notwendig
sei. Würde diesem Verlangen nachgegeben, so wäre zu befürchten, daß wir
bald auf eine schiefe Ebne geraten würden. Nein, was die deutsche Frau ist,
das ist sie geschichtlich geworden, und es ist nicht gut gethan, fort und fort
daran zu rütteln. Halten wir lieber fest, was wir haben, sonst möchte der
Krone auf dem Haupte unsers Volkes ein edler Stein ausgebrochen werden.

Daß die Braut mit dem Trannngsakt ihren Geschlechtsnamen opfert, in
dieser alten Sitte liegt ein tiefer Sinn. Wenn die Familie ein Organismus
mit Haupt und Gliedern sein will, dann muß sich anch hier Über- und Unter¬
ordnung finden. Nach uralter Ordnung aber ist der Mann das Haupt; das
Haupt, nicht der Tyrann. Der Mann als Despot im Haus, wie wir es in
der vorchristlichen Zeit finden — das ist Entartung. In dem geordneten
Haushalt teilt der Mann willig und freudig die Herrschaft mit der Ge¬
nossin. Die Frau bestimmt die eigne Färbung des Hauses. Wie im konstitu¬
tionellen Staatswesen der Fürst der Höchste und der Vertreter des Staates
nach anßen ist, während die ausschlaggebende Bedeutung der Volksvertretung
zukommt, so verhält es sich mit dem Anteil des Mannes und des Weibes an
der häuslichen Gewalt.

Fehlt aber denn wirklich dem Weibe jeglicher Einfluß auf das öffentliche
Leben? Hängt nicht die ganze Öffentlichkeit, Staat, Litteratur und Kunst aufs
innigste mit Art und Gesittung der Frauenwelt zusammen? Ja ist nicht gerade
dieser unsichtbare Einfluß bei der Beurteilung des Volksganzen, bei der
Erzielung des Volkswohls wesentlich?

Gewiß sind gegenwärtig andre Zeiten und andre Verhältnisse als damals,
wo „der Großvater die Großmutter nahm." Die sozialen Verschiebungen, die
unser Jahrhundert mit sich gebracht hat, haben auch die Lebensverhültnisse
der Frauen tief berührt. Etwas andres ist es, ungesunde Freiheitsgelüste in
Schutz zu nehmen, etwas andres, der Not und dem Hunger zu wehren. Wer
unter dem letztern Gesichtspunkte die Frauenbestrebungen unterstützt, der ver¬
dient Dank und Beifall, der darf auf Anerkennung und Unterstützung rechnen.
Für eine ungehörige Emanzipation ist der deutsche Boden nicht empfänglich,
sie verbietet sich bei uns von selbst. Aber andrerseits wollen wir Deutschen
es uns nicht nachsagen lassen, daß wir weniger Herz für die Frauen hätten
als andre Nationen. Die Alleinstehenden unter den Mädchen und Frauen in


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[0382] Zur Lrauenfrage Gebiete. Das schließt nicht ans, daß im Laufe der Jahre den Forderungen von Stumm, Schönaich-Carolath, Träger u. c>. bezüglich der freien Verfügung der Frauen über Kinder und Vermögen etwas nachgegeben werden kann und wird; denn so wenig bei normalen Eheverhältnisfen die Einschränkung der Rechtsfreiheit, unter der die Frau steht, zu besagen hat, so mißlich kann sich die Sache in Kollisionsfüllen zuspitzen. Nur sollen uns die Führerinnen der Frauenbewegung nicht glauben machen, daß diese Fälle so überhäusig vor¬ kämen, daß deswegen eine gänzliche Umwandlung des Familienrechts notwendig sei. Würde diesem Verlangen nachgegeben, so wäre zu befürchten, daß wir bald auf eine schiefe Ebne geraten würden. Nein, was die deutsche Frau ist, das ist sie geschichtlich geworden, und es ist nicht gut gethan, fort und fort daran zu rütteln. Halten wir lieber fest, was wir haben, sonst möchte der Krone auf dem Haupte unsers Volkes ein edler Stein ausgebrochen werden. Daß die Braut mit dem Trannngsakt ihren Geschlechtsnamen opfert, in dieser alten Sitte liegt ein tiefer Sinn. Wenn die Familie ein Organismus mit Haupt und Gliedern sein will, dann muß sich anch hier Über- und Unter¬ ordnung finden. Nach uralter Ordnung aber ist der Mann das Haupt; das Haupt, nicht der Tyrann. Der Mann als Despot im Haus, wie wir es in der vorchristlichen Zeit finden — das ist Entartung. In dem geordneten Haushalt teilt der Mann willig und freudig die Herrschaft mit der Ge¬ nossin. Die Frau bestimmt die eigne Färbung des Hauses. Wie im konstitu¬ tionellen Staatswesen der Fürst der Höchste und der Vertreter des Staates nach anßen ist, während die ausschlaggebende Bedeutung der Volksvertretung zukommt, so verhält es sich mit dem Anteil des Mannes und des Weibes an der häuslichen Gewalt. Fehlt aber denn wirklich dem Weibe jeglicher Einfluß auf das öffentliche Leben? Hängt nicht die ganze Öffentlichkeit, Staat, Litteratur und Kunst aufs innigste mit Art und Gesittung der Frauenwelt zusammen? Ja ist nicht gerade dieser unsichtbare Einfluß bei der Beurteilung des Volksganzen, bei der Erzielung des Volkswohls wesentlich? Gewiß sind gegenwärtig andre Zeiten und andre Verhältnisse als damals, wo „der Großvater die Großmutter nahm." Die sozialen Verschiebungen, die unser Jahrhundert mit sich gebracht hat, haben auch die Lebensverhültnisse der Frauen tief berührt. Etwas andres ist es, ungesunde Freiheitsgelüste in Schutz zu nehmen, etwas andres, der Not und dem Hunger zu wehren. Wer unter dem letztern Gesichtspunkte die Frauenbestrebungen unterstützt, der ver¬ dient Dank und Beifall, der darf auf Anerkennung und Unterstützung rechnen. Für eine ungehörige Emanzipation ist der deutsche Boden nicht empfänglich, sie verbietet sich bei uns von selbst. Aber andrerseits wollen wir Deutschen es uns nicht nachsagen lassen, daß wir weniger Herz für die Frauen hätten als andre Nationen. Die Alleinstehenden unter den Mädchen und Frauen in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_223583/382>, abgerufen am 06.01.2025.