Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Schmacklosigkeit empfunden, zumal da eine nicht sehr vornehme Spekulation auf den Nach diesen Vorgängen war man doppelt berechtigt, von den Berliner Aus- Grenzboten IV 1896 N7
Maßgebliches und Unmaßgebliches Schmacklosigkeit empfunden, zumal da eine nicht sehr vornehme Spekulation auf den Nach diesen Vorgängen war man doppelt berechtigt, von den Berliner Aus- Grenzboten IV 1896 N7
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0297" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223881"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_922" prev="#ID_921"> Schmacklosigkeit empfunden, zumal da eine nicht sehr vornehme Spekulation auf den<lb/> Geldbeutel den Besuch zu oft belästigte. Übrigens wird die eine Million Mark auf-<lb/> gewogen durch den Mehrgewinn, den der Fremdenverkehr in diesem Jahre deu<lb/> Berlinern gebracht hat; leider nicht gerade denen, die die Hauptkosten hatten, weder<lb/> den Ausstellern noch den Gnrantiefondszeichnern und am wenigsten der Masse der<lb/> Besucher aus Berlin selbst, denen weit über ihre Verhältnisse die Beisteuer zu deu<lb/> Kosten aus der Tasche gelockt worden ist. Aber, wie gesagt, das buchmäßige Defizit<lb/> fällt gar uicht ius Gewicht für den eigentlichen Mißerfolg der Ausstellung. Es<lb/> ist eine hinreichend verbriefte Thatsache, daß bis in den Spätherbst 1392 nicht<lb/> nur die Berliner und die altpreußische Industrie, sondern gerade auch die hervor¬<lb/> ragenden und einflußreichen Industriellen in Baiern, Sachsen, Württemberg, Baden<lb/> und Hessen für den Plan eingetreten sind, noch in diesem Jahrhundert in Deutsch¬<lb/> land eine große Industrieausstellung zu veranstalten. Völlig einig war man damals<lb/> in ganz Deutschland darüber, daß diese Ausstellung nur in der Reichshauptstadt<lb/> stattfinden könne, und daß ihr zuliebe alle Landes-, Bezirks- und Ortsausstellungeu<lb/> zurückzustellen sein. Ebenso bekannt ist, daß die preußische hohe Büreaukratie<lb/> von jeher alles gethan hat, die deutscheu Industriellen sich uicht zu einer großen<lb/> nationalen Ausstellung in der Reichshauptstadt vereinigen zu lassen. Jedermann<lb/> wußte im Herbst 1892, daß diese Einflüsse gebrochen werden müßten, wenn das<lb/> nationale Unternehmen gelingen solle. Aber statt diesen Kampf den deutschen In¬<lb/> dustriellen zu überlassen, die ihn nufzuuehmen bereit und befähigt waren, benutzte<lb/> eine kleine Gruppe Berliner Herren in sehr geschickter Weise die Schwerfälligkeit<lb/> und Kurzsichtigkeit des preußische» hohen Beamtentums dazu, die Berliner Lokal¬<lb/> ausstellung um Stelle der nationalen durchzudrücken, und zwar trotz des lebhaften<lb/> Widerspruchs der Berliner Stadtverwaltung. Nach oben waren sie schmiegsame,<lb/> liebenswürdige Schwerenöter, nach unten ließen sie sich preisen als Männer der<lb/> That und des Erfolgs, die nehmen, was sie bekommen, mochte es auch das<lb/> Gegenteil von dem sein, was man gewollt und für nötig erklärt hatte. Von cmßer-<lb/> Preußischem Partikularismus war also bei der Sache in keinem Falle die Rede,<lb/> viel eher von Berlinischen Sonderiuteresscn und preußischen Unterlassungssünden.<lb/> Das soll zunächst einmal nachdrücklich hervorgehoben werden, da neuerdings wieder¬<lb/> holt behauptet worden ist, der Plan der nationalen Industrieausstellung sei an<lb/> dem Pnrtikularismus in der deutschen Industrie gescheitert. Erst nachdem im<lb/> Herbst 1892 die Berliner lokale Gewerbeansstelluug proklcimirt und damit, wie die<lb/> Berliner Unternehmer sehr gut wußten, der nationale Plan endgiltig zu Fall ge¬<lb/> macht war, wurde auch außerhalb Berlins die Verwirklichung der verschiednen<lb/> Svnderansstcllnngsplnne ernsthaft in die Hand genommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_923" next="#ID_924"> Nach diesen Vorgängen war man doppelt berechtigt, von den Berliner Aus-<lb/> stellungsunteruehmern und den sich ihnen infolge eiues ausgesprochnen kaiserlichen<lb/> Interesses hilfreich zugesellenden hohen Berliner Behörden zu erwarten, daß sie die<lb/> Keine Aufgabe nun aber auch mustergiltig zu lösen versuchen und für eine spätere<lb/> große nationale Ausstellung ein lehrreiches, anregendes Vorbild schaffen würden,<lb/> SMnal da das Geld keine'Rolle zu spielen schien. Leider ist das Gegenteil der<lb/> <5"it gewesen. Mit Recht ist an den großen Ausstellungen der Neuzeit vor allem<lb/> getadelt worden, daß der ernste volkswirtschaftliche, namentlich auch der erzieherische<lb/> «weck überwuchert werde durch das allein der Schaulust und dem Vergnügen<lb/> dienende Beiwerk, in dem mau sich mehr und mehr überbiete. Es war entschieden<lb/> euie der ersten Pflichten für die Berliner Unternehmer und Behörden, hierauf<lb/> Rücksicht zu nehmen. Aber wie ist dieser Pflicht entsprochen worden? Durch die</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1896 N7</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0297]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Schmacklosigkeit empfunden, zumal da eine nicht sehr vornehme Spekulation auf den
Geldbeutel den Besuch zu oft belästigte. Übrigens wird die eine Million Mark auf-
gewogen durch den Mehrgewinn, den der Fremdenverkehr in diesem Jahre deu
Berlinern gebracht hat; leider nicht gerade denen, die die Hauptkosten hatten, weder
den Ausstellern noch den Gnrantiefondszeichnern und am wenigsten der Masse der
Besucher aus Berlin selbst, denen weit über ihre Verhältnisse die Beisteuer zu deu
Kosten aus der Tasche gelockt worden ist. Aber, wie gesagt, das buchmäßige Defizit
fällt gar uicht ius Gewicht für den eigentlichen Mißerfolg der Ausstellung. Es
ist eine hinreichend verbriefte Thatsache, daß bis in den Spätherbst 1392 nicht
nur die Berliner und die altpreußische Industrie, sondern gerade auch die hervor¬
ragenden und einflußreichen Industriellen in Baiern, Sachsen, Württemberg, Baden
und Hessen für den Plan eingetreten sind, noch in diesem Jahrhundert in Deutsch¬
land eine große Industrieausstellung zu veranstalten. Völlig einig war man damals
in ganz Deutschland darüber, daß diese Ausstellung nur in der Reichshauptstadt
stattfinden könne, und daß ihr zuliebe alle Landes-, Bezirks- und Ortsausstellungeu
zurückzustellen sein. Ebenso bekannt ist, daß die preußische hohe Büreaukratie
von jeher alles gethan hat, die deutscheu Industriellen sich uicht zu einer großen
nationalen Ausstellung in der Reichshauptstadt vereinigen zu lassen. Jedermann
wußte im Herbst 1892, daß diese Einflüsse gebrochen werden müßten, wenn das
nationale Unternehmen gelingen solle. Aber statt diesen Kampf den deutschen In¬
dustriellen zu überlassen, die ihn nufzuuehmen bereit und befähigt waren, benutzte
eine kleine Gruppe Berliner Herren in sehr geschickter Weise die Schwerfälligkeit
und Kurzsichtigkeit des preußische» hohen Beamtentums dazu, die Berliner Lokal¬
ausstellung um Stelle der nationalen durchzudrücken, und zwar trotz des lebhaften
Widerspruchs der Berliner Stadtverwaltung. Nach oben waren sie schmiegsame,
liebenswürdige Schwerenöter, nach unten ließen sie sich preisen als Männer der
That und des Erfolgs, die nehmen, was sie bekommen, mochte es auch das
Gegenteil von dem sein, was man gewollt und für nötig erklärt hatte. Von cmßer-
Preußischem Partikularismus war also bei der Sache in keinem Falle die Rede,
viel eher von Berlinischen Sonderiuteresscn und preußischen Unterlassungssünden.
Das soll zunächst einmal nachdrücklich hervorgehoben werden, da neuerdings wieder¬
holt behauptet worden ist, der Plan der nationalen Industrieausstellung sei an
dem Pnrtikularismus in der deutschen Industrie gescheitert. Erst nachdem im
Herbst 1892 die Berliner lokale Gewerbeansstelluug proklcimirt und damit, wie die
Berliner Unternehmer sehr gut wußten, der nationale Plan endgiltig zu Fall ge¬
macht war, wurde auch außerhalb Berlins die Verwirklichung der verschiednen
Svnderansstcllnngsplnne ernsthaft in die Hand genommen.
Nach diesen Vorgängen war man doppelt berechtigt, von den Berliner Aus-
stellungsunteruehmern und den sich ihnen infolge eiues ausgesprochnen kaiserlichen
Interesses hilfreich zugesellenden hohen Berliner Behörden zu erwarten, daß sie die
Keine Aufgabe nun aber auch mustergiltig zu lösen versuchen und für eine spätere
große nationale Ausstellung ein lehrreiches, anregendes Vorbild schaffen würden,
SMnal da das Geld keine'Rolle zu spielen schien. Leider ist das Gegenteil der
<5"it gewesen. Mit Recht ist an den großen Ausstellungen der Neuzeit vor allem
getadelt worden, daß der ernste volkswirtschaftliche, namentlich auch der erzieherische
«weck überwuchert werde durch das allein der Schaulust und dem Vergnügen
dienende Beiwerk, in dem mau sich mehr und mehr überbiete. Es war entschieden
euie der ersten Pflichten für die Berliner Unternehmer und Behörden, hierauf
Rücksicht zu nehmen. Aber wie ist dieser Pflicht entsprochen worden? Durch die
Grenzboten IV 1896 N7
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