Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches der Kreisschulinspektor nicht ein Einschreiten überhaupt, sondern nur die von B. Hiernach ist auch die Behauptung, daß der Schutz der Behörden versagt Königliche Regierung, Abteilung für Kirchen- und Schulwesen. Dr. Blauckenhoru, Unsre Gewährsmänner schreiben uns hierzu: Auf diese "Berichtigung" haben Es ist nicht richtig, daß Kinder der Schule in P. gegen ihren Lehrer von ihren Maßgebliches und Unmaßgebliches der Kreisschulinspektor nicht ein Einschreiten überhaupt, sondern nur die von B. Hiernach ist auch die Behauptung, daß der Schutz der Behörden versagt Königliche Regierung, Abteilung für Kirchen- und Schulwesen. Dr. Blauckenhoru, Unsre Gewährsmänner schreiben uns hierzu: Auf diese „Berichtigung" haben Es ist nicht richtig, daß Kinder der Schule in P. gegen ihren Lehrer von ihren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223741"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_474" prev="#ID_473"> der Kreisschulinspektor nicht ein Einschreiten überhaupt, sondern nur die von B.<lb/> geforderte Versetzung des Lehrers abgelehnt. Der Königliche Landrat hat alsbald<lb/> nach der Unterredung mit B. den Gendarm mit den erforderlichen Ermittlungen<lb/> beauftragt und die aufgenommenen Verhandlungen der zuständigen Staatsanwalt¬<lb/> schaft mitgeteilt. Gegen den die Einstellung des Verfahrens verfügenden Bescheid<lb/> der Staatsanwaltschaft haben die Beteiligten kein Rechtsmittel eingelegt. Nach<lb/> Einsicht der gerichtlichen Akten hat dann die unterzeichnete Regierung durch Ver¬<lb/> fügung vom 26. Juni 1396 gegen den Lehrer P. wegen der im April begangnen<lb/> Überschreitung seiner Amtsbefugnisse eine Disziplinarstrafe von 30 Mark festgesetzt<lb/> und dem P. bis auf weiters die Ausübung jeder Art körperlicher Züchtigung gänzlich<lb/> untersagt. Diese Verfügung ist dem Lehrer am 13. Juli 1896 zu Protokoll er¬<lb/> öffnet worden. Die Entziehung des Züchtigungsrechts besteht noch in Kraft.</p><lb/> <p xml:id="ID_475"> Hiernach ist auch die Behauptung, daß der Schutz der Behörden versagt<lb/> habe und der Lehrer in gewohnter Weise die Schule weiter leite, unbegründet.</p><lb/> <note type="bibl"> Königliche Regierung, Abteilung für Kirchen- und Schulwesen.<lb/> Dr. Blauckenhoru,</note><lb/> <p xml:id="ID_476"> Unsre Gewährsmänner schreiben uns hierzu: Auf diese „Berichtigung" haben<lb/> wir folgendes zu erwidern:</p><lb/> <p xml:id="ID_477"> Es ist nicht richtig, daß Kinder der Schule in P. gegen ihren Lehrer von ihren<lb/> Eltern ausgesetzt worden seien. Die Behauptung, der Kreisschnlinspektor habe ge¬<lb/> sagt, man müsse bedenken, daß es sich um die Kinder von Fabrikarbeitern handle,<lb/> die eben etwas schärfer behandelt werden müßten, ist nicht unwahr, sondern voll¬<lb/> kommen wahrheitsgemäß. Daß es nicht in der Machtbefugnis des Kreisschul¬<lb/> inspektors liegt, selbständig den Lehrer P. zu versetzen, wußte B. sehr wohl. Da¬<lb/> gegen lag es in der Macht des Krcisschulinspektors, ein Disziplinarverfahren, das<lb/> auf Versetzung des Lehrers abzielte, zu veranlassen; das ist als die einzige an¬<lb/> gemessene Abhilfe von B. verlangt und trotz aller der in der Berichtigung selbst<lb/> zugestandn«! Vorkommnisse vom Kreisschnlinspektor abgelehnt worden. In dem<lb/> Artikel in Ur. 35 ist ausdrücklich gesagt, daß es dem Verfasser des Artikels nicht<lb/> bekannt geworden sei, ob sich der Landrat der Sache angenommen habe. Daß<lb/> er das gethan hat, und daß dieses Einschreiten auch einen gewissen Erfolg ge¬<lb/> habt hat, ist erfreulich. Charakteristisch für den Geschäftsgang der Behörden bleibt<lb/> es immerhin, daß Handlungen des Lehrers, die am 22. April d. F. vorgekommen<lb/> und am 23. April den Behörden amtlich bekannt gemacht worden sind, erst am<lb/> 13. Juli bestraft werdeu. Dem Verfasser des Artikels in Ur. 35 ist erst ucich<lb/> dem Abdruck bekannt geworden, daß dem Lehrer P. das Züchtigungsrecht entzogen<lb/> worden ist, und es wird hiermit zugegeben, daß thatsächlich seit dem 13. Juli d. I.<lb/> ein gewisser Schutz von den Behörden gewährt worden ist, aber immerhin erst,<lb/> nachdem jahrelang in der Schule zu P. geradezu grauenvolle Zustände geherrscht<lb/> haben, und die Kinder in zahllosen Fällen gemißhandelt, teilweise schwer gemi߬<lb/> handelt worden sind, und nicht etwa wegen grober Vergehen, sondern auch schon<lb/> dann, wenn sie eine Frage nicht beantworten konnten. Auch bei schwächlichen,<lb/> elenden Kindern hat die Hand des Lehrers keine Schonung gekannt. Dieser Zu¬<lb/> stand hat trotz vielfacher Beschwerden jahrelang fortgedauert, sodaß der Schutz<lb/> der Behörden thatsächlich jahrelang versagt hat und erst sehr spät gewährt<lb/> worden ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0157]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
der Kreisschulinspektor nicht ein Einschreiten überhaupt, sondern nur die von B.
geforderte Versetzung des Lehrers abgelehnt. Der Königliche Landrat hat alsbald
nach der Unterredung mit B. den Gendarm mit den erforderlichen Ermittlungen
beauftragt und die aufgenommenen Verhandlungen der zuständigen Staatsanwalt¬
schaft mitgeteilt. Gegen den die Einstellung des Verfahrens verfügenden Bescheid
der Staatsanwaltschaft haben die Beteiligten kein Rechtsmittel eingelegt. Nach
Einsicht der gerichtlichen Akten hat dann die unterzeichnete Regierung durch Ver¬
fügung vom 26. Juni 1396 gegen den Lehrer P. wegen der im April begangnen
Überschreitung seiner Amtsbefugnisse eine Disziplinarstrafe von 30 Mark festgesetzt
und dem P. bis auf weiters die Ausübung jeder Art körperlicher Züchtigung gänzlich
untersagt. Diese Verfügung ist dem Lehrer am 13. Juli 1896 zu Protokoll er¬
öffnet worden. Die Entziehung des Züchtigungsrechts besteht noch in Kraft.
Hiernach ist auch die Behauptung, daß der Schutz der Behörden versagt
habe und der Lehrer in gewohnter Weise die Schule weiter leite, unbegründet.
Königliche Regierung, Abteilung für Kirchen- und Schulwesen.
Dr. Blauckenhoru,
Unsre Gewährsmänner schreiben uns hierzu: Auf diese „Berichtigung" haben
wir folgendes zu erwidern:
Es ist nicht richtig, daß Kinder der Schule in P. gegen ihren Lehrer von ihren
Eltern ausgesetzt worden seien. Die Behauptung, der Kreisschnlinspektor habe ge¬
sagt, man müsse bedenken, daß es sich um die Kinder von Fabrikarbeitern handle,
die eben etwas schärfer behandelt werden müßten, ist nicht unwahr, sondern voll¬
kommen wahrheitsgemäß. Daß es nicht in der Machtbefugnis des Kreisschul¬
inspektors liegt, selbständig den Lehrer P. zu versetzen, wußte B. sehr wohl. Da¬
gegen lag es in der Macht des Krcisschulinspektors, ein Disziplinarverfahren, das
auf Versetzung des Lehrers abzielte, zu veranlassen; das ist als die einzige an¬
gemessene Abhilfe von B. verlangt und trotz aller der in der Berichtigung selbst
zugestandn«! Vorkommnisse vom Kreisschnlinspektor abgelehnt worden. In dem
Artikel in Ur. 35 ist ausdrücklich gesagt, daß es dem Verfasser des Artikels nicht
bekannt geworden sei, ob sich der Landrat der Sache angenommen habe. Daß
er das gethan hat, und daß dieses Einschreiten auch einen gewissen Erfolg ge¬
habt hat, ist erfreulich. Charakteristisch für den Geschäftsgang der Behörden bleibt
es immerhin, daß Handlungen des Lehrers, die am 22. April d. F. vorgekommen
und am 23. April den Behörden amtlich bekannt gemacht worden sind, erst am
13. Juli bestraft werdeu. Dem Verfasser des Artikels in Ur. 35 ist erst ucich
dem Abdruck bekannt geworden, daß dem Lehrer P. das Züchtigungsrecht entzogen
worden ist, und es wird hiermit zugegeben, daß thatsächlich seit dem 13. Juli d. I.
ein gewisser Schutz von den Behörden gewährt worden ist, aber immerhin erst,
nachdem jahrelang in der Schule zu P. geradezu grauenvolle Zustände geherrscht
haben, und die Kinder in zahllosen Fällen gemißhandelt, teilweise schwer gemi߬
handelt worden sind, und nicht etwa wegen grober Vergehen, sondern auch schon
dann, wenn sie eine Frage nicht beantworten konnten. Auch bei schwächlichen,
elenden Kindern hat die Hand des Lehrers keine Schonung gekannt. Dieser Zu¬
stand hat trotz vielfacher Beschwerden jahrelang fortgedauert, sodaß der Schutz
der Behörden thatsächlich jahrelang versagt hat und erst sehr spät gewährt
worden ist.
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