Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Gretna-Green Elineelles als giltig angesehen werden konnte, daß also eine von einem der ge- Bei Nichtkatholikeu ist z, B, ein von einem Ehegatten begangnes Verbrechen nur Wir vermuten, daß das Gericht, das Etincellcs geschieden hat, den § 77 zur Gretna-Green Elineelles als giltig angesehen werden konnte, daß also eine von einem der ge- Bei Nichtkatholikeu ist z, B, ein von einem Ehegatten begangnes Verbrechen nur Wir vermuten, daß das Gericht, das Etincellcs geschieden hat, den § 77 zur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0108" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223692"/> <fw type="header" place="top"> Gretna-Green</fw><lb/> <p xml:id="ID_331" prev="#ID_330"> Elineelles als giltig angesehen werden konnte, daß also eine von einem der ge-<lb/> schiednen Ehegatten eingegangne neue Ehe als Konkubinat und die in einer solchen Ehe<lb/> erzeugten Kinder dort als uneheliche angesehen werden müssen. Die Praxis des<lb/> Reichsgerichts hat für die in Sachsen lebenden katholischen Österreicher ein Ehe-<lb/> scheidnngsrecht geschaffen, das so lax ist, wie es von keinem der gesetzgebenden<lb/> Faktorei: hätte gebilligt werden können. Das österreichische Recht hat für die Lösung<lb/> der Ehe vom Bande bei nichtkatholischen Religivnsverwandten größtenteils weit<lb/> strengere Anforderungen gestellt als für die Trennung der Katholiken von Tisch<lb/> und Bett, Gerade der Umstand, das; hinter der Ehescheidung die Möglichkeit der<lb/> Wiederverheiratung steht, nötigt dazu, die Ehescheidungsgründe möglichst zu be¬<lb/> schränken. Es muß verhütet werden, daß ein Ehegatte die Scheidung anstrebt, um<lb/> eine andre, ihm mehr zusagende Ehe einzugehen. Das Reichsgericht scheidet nun<lb/> die in Sachsen lebenden österreichischen Katholiken nicht ans Grund der im öster¬<lb/> reichischen Recht anerkannten, Scheidnngsgründc, denn diese bestehen nur für Nicht-<lb/> katholiken, sondern schon aus solchen Gründen, aus denen eine beständige Trennung<lb/> von Tisch und Bett verlangt werden kann, ans Gründen, die die österreichische<lb/> Gesetzgebung, wenn sie die Scheidung für die.Katholiken einführen wollte, sicherlich<lb/> zum Teil nicht als Scheiduugsgründc anerkennen würde und nicht anerkennen<lb/> könnte, wenn sie nicht den sittlichen, und christliche» Charakter der Ehe preis¬<lb/> geben wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_332"> Bei Nichtkatholikeu ist z, B, ein von einem Ehegatten begangnes Verbrechen nur<lb/> dann ein Scheidungsgrund, wenn, es eine mindestens zehnjährige Kerkerstrafe nach<lb/> sich gezogen hat. Die Trennung von Tisch und Bett erfolgt dagegen schon, wenn<lb/> sich der andre Ehegatte überhaupt eines Verbrechens schuldig gemacht, selbst wenn<lb/> es durchaus nicht ehrenrührig ist und den Thäter in der öffentlichen Achtung nicht<lb/> im mindesten herabsetzt. Es genügt sogar die Teilnahme und der Versuch. Darnach<lb/> kann es nicht Wunder nehmen, daß im Österreichischen Stimmen laut geworden sind,<lb/> die über eine solche Schlaffheit in der Gestaltung der Trennung von Tisch und<lb/> Bett ihre Unzufriedenheit äußern. Das Reichsgericht hat für die in Sachsen<lb/> lebenden österreichischen Katholiken hieraus sogar einen Grund zur Lösung der Ehe<lb/> dem Bande nach gemacht. Das sächsische Gesetzbuch verlangt für die Scheidung<lb/> iuegen strafbarer Handlungen, daß diese vorsätzlich begangen worden sind und eine<lb/> Verurteilung zu einer wenigstens dreijährigen Freiheitsstrafe zur Folge gehabt haben.<lb/> Sogar das preußische Landrecht, das wegen der Erleichterung der Ehescheidung so<lb/> übel belenmnndet ist, gestattet die Scheidung wegen eines Verbrechens nur, wenn<lb/> es ein grobes Verbrechen ist, wegen dessen der Ehegatte harte und schmähliche<lb/> Zuchthaus- oder Festuugsstrafe, worunter nicht die gegenwärtige Festungshaft ver¬<lb/> standen ist, erlitten hat. Das reichsgerichtliche Scheidungsrecht geht darüber weit<lb/> hinaus. Als ein Zeichen der Zeit wollen Nur noch anführen, daß ein ordentlicher<lb/> Professor des Kirchenrechts an der Universität Berlin, Hintschins, in seinem<lb/> Kommentar zu dem Gesetze vorn 6. Februar 1875 die Ansicht des Reichsgerichts<lb/> in Bezug auf den § 77 teilt und nicht das mindeste Bedenken gegen ein solches<lb/> Ehcscheidungsrecht hat, wie es hier geschaffen worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_333" next="#ID_334"> Wir vermuten, daß das Gericht, das Etincellcs geschieden hat, den § 77 zur<lb/> Anwendung gebracht hat, indem es sich nicht bloß der Ansicht des Reichsgerichts<lb/> angeschlossen hat, sondern noch einen Schritt weiter gegangen ist und gemeint hat,<lb/> Ehegatten, die im Auslande beständig von Tisch und Bett getrennt worden seien,<lb/> könnten ohne weiteres die Scheidung verlangen, wenn hier ein, Gerichtsstand für<lb/> die Klage begründet ist. Allerdings bleibt es dann unaufgeklärt, wozu die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0108]
Gretna-Green
Elineelles als giltig angesehen werden konnte, daß also eine von einem der ge-
schiednen Ehegatten eingegangne neue Ehe als Konkubinat und die in einer solchen Ehe
erzeugten Kinder dort als uneheliche angesehen werden müssen. Die Praxis des
Reichsgerichts hat für die in Sachsen lebenden katholischen Österreicher ein Ehe-
scheidnngsrecht geschaffen, das so lax ist, wie es von keinem der gesetzgebenden
Faktorei: hätte gebilligt werden können. Das österreichische Recht hat für die Lösung
der Ehe vom Bande bei nichtkatholischen Religivnsverwandten größtenteils weit
strengere Anforderungen gestellt als für die Trennung der Katholiken von Tisch
und Bett, Gerade der Umstand, das; hinter der Ehescheidung die Möglichkeit der
Wiederverheiratung steht, nötigt dazu, die Ehescheidungsgründe möglichst zu be¬
schränken. Es muß verhütet werden, daß ein Ehegatte die Scheidung anstrebt, um
eine andre, ihm mehr zusagende Ehe einzugehen. Das Reichsgericht scheidet nun
die in Sachsen lebenden österreichischen Katholiken nicht ans Grund der im öster¬
reichischen Recht anerkannten, Scheidnngsgründc, denn diese bestehen nur für Nicht-
katholiken, sondern schon aus solchen Gründen, aus denen eine beständige Trennung
von Tisch und Bett verlangt werden kann, ans Gründen, die die österreichische
Gesetzgebung, wenn sie die Scheidung für die.Katholiken einführen wollte, sicherlich
zum Teil nicht als Scheiduugsgründc anerkennen würde und nicht anerkennen
könnte, wenn sie nicht den sittlichen, und christliche» Charakter der Ehe preis¬
geben wollte.
Bei Nichtkatholikeu ist z, B, ein von einem Ehegatten begangnes Verbrechen nur
dann ein Scheidungsgrund, wenn, es eine mindestens zehnjährige Kerkerstrafe nach
sich gezogen hat. Die Trennung von Tisch und Bett erfolgt dagegen schon, wenn
sich der andre Ehegatte überhaupt eines Verbrechens schuldig gemacht, selbst wenn
es durchaus nicht ehrenrührig ist und den Thäter in der öffentlichen Achtung nicht
im mindesten herabsetzt. Es genügt sogar die Teilnahme und der Versuch. Darnach
kann es nicht Wunder nehmen, daß im Österreichischen Stimmen laut geworden sind,
die über eine solche Schlaffheit in der Gestaltung der Trennung von Tisch und
Bett ihre Unzufriedenheit äußern. Das Reichsgericht hat für die in Sachsen
lebenden österreichischen Katholiken hieraus sogar einen Grund zur Lösung der Ehe
dem Bande nach gemacht. Das sächsische Gesetzbuch verlangt für die Scheidung
iuegen strafbarer Handlungen, daß diese vorsätzlich begangen worden sind und eine
Verurteilung zu einer wenigstens dreijährigen Freiheitsstrafe zur Folge gehabt haben.
Sogar das preußische Landrecht, das wegen der Erleichterung der Ehescheidung so
übel belenmnndet ist, gestattet die Scheidung wegen eines Verbrechens nur, wenn
es ein grobes Verbrechen ist, wegen dessen der Ehegatte harte und schmähliche
Zuchthaus- oder Festuugsstrafe, worunter nicht die gegenwärtige Festungshaft ver¬
standen ist, erlitten hat. Das reichsgerichtliche Scheidungsrecht geht darüber weit
hinaus. Als ein Zeichen der Zeit wollen Nur noch anführen, daß ein ordentlicher
Professor des Kirchenrechts an der Universität Berlin, Hintschins, in seinem
Kommentar zu dem Gesetze vorn 6. Februar 1875 die Ansicht des Reichsgerichts
in Bezug auf den § 77 teilt und nicht das mindeste Bedenken gegen ein solches
Ehcscheidungsrecht hat, wie es hier geschaffen worden ist.
Wir vermuten, daß das Gericht, das Etincellcs geschieden hat, den § 77 zur
Anwendung gebracht hat, indem es sich nicht bloß der Ansicht des Reichsgerichts
angeschlossen hat, sondern noch einen Schritt weiter gegangen ist und gemeint hat,
Ehegatten, die im Auslande beständig von Tisch und Bett getrennt worden seien,
könnten ohne weiteres die Scheidung verlangen, wenn hier ein, Gerichtsstand für
die Klage begründet ist. Allerdings bleibt es dann unaufgeklärt, wozu die
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