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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges

Jahre 1756 as Zg, nawrs äötsiasivö, während er ebenso richtig in der bald
nach Beendigung des Krieges verfaßten Hiswirs, in der, wie es Ranke treffend
ausdrückt, der "militärisch-didaktische Gesichtspunkt" vorherrscht, rückblickend
und den Gang der Entwicklung darstellend, in diesem Vertrage die eigentliche
Ursache des Krieges erkennt.

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simit? -- so schließt er den Passus in der ^xoloZis. Also: die wirkliche
Ursache der unerwartet Übeln Lage, in die er geraten ist, ist die verkehrte eng¬
lische Politik, die in keinem Punkte seinen Erwartungen entsprach. Und dem
zufolge ist ihm in der Histoirs das wichtigste die Beantwortung der Frage,
wie er zu dem Abschluß seines Vertrages mit diesem treulosen Albion ge¬
kommen sei.

Die Betrachtungen Friedrichs über die militärische und finanzielle Un-
fertigkeit seiner Gegner können auf keinen Fall beweisen, daß er sich durch
seine Absichten auf Sachsen in seinem Entschluß, den Gegnern zuvorzukommen,
habe bestimmen lassen. Allerdings bestanden im Sommer 1756 gegen Preußen
nur Verteidigungsbündnisse. Erwägt man aber, daß Rußland ein Angriffs-
bünduis mit Österreich erstrebte, während dieses mit allen erdenklichen Mitteln
den Abschluß eines solchen mit Frankreich betrieb, vergegenwärtigt man sich,
daß auch der erste Versailler Vertrag nach den Äußerungen des Herzogs von
Vroglie in dessen kürzlich erschienenen Buche: Mtrielüsrmö in der
That nur en, axxg.rsnv6 defensiv war, bedenkt man weiter, daß den Memoiren
des Kardinals Bernis, auf die Lehmann seine Behauptung stützt, daß sich
König Ludwig nimmermehr zu einem Angriff auf Preußen verstehen werde,
keineswegs zu trauen ist -- in jenen Tagen war vielmehr die Stimmung in
Paris für den Abschluß eines Angriffsbündnisses gerade sehr günstig --, macht
man sich endlich klar, daß Friedrich in dem Augenblick, wo er das Schwert
zog, aller Bundesgenossen entbehrte (Englands Hilfe war gewiß nicht hoch
anzuschlagen), nachdem er noch 1753 nur einen Krieg für aussichtsvoll erklärt
hatte, worin ihm ebenso viel Bundesgenossen zur Seite stünden wie dem
Gegner -- stellt man alle diese Dinge zusammen, so wird man sich nicht der
Überzeugung verschließen können: der König ist lediglich durch die bange Sorge,
in einen Krieg verwickelt zu werden, zu Rüstungen und schließlich zum Angriff
bewogen worden. Diese Sorge -- von freudiger Stimmung kann gar keine
Rede sein -- spricht nicht nur aus den Briefen des Königs an seine Schwester,
die Markgrüfin von Vaireuth, sie beherrschte auch des Königs Politik in jenen
Jahren beständig und veranlaßte ihn zum Abschluß der verhängnisvollen Kon¬
vention von Westminster.

Wie seltsam haben sich doch damals die Wege der europäischen Diplomatie
verschlungen! Seit dem Frühjahr 1755 hatte Friedrich Frankreich zu energischer
Thätigkeit gegen England, insbesondre zur Besetzung Hannovers aufgefordert,


Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges

Jahre 1756 as Zg, nawrs äötsiasivö, während er ebenso richtig in der bald
nach Beendigung des Krieges verfaßten Hiswirs, in der, wie es Ranke treffend
ausdrückt, der „militärisch-didaktische Gesichtspunkt" vorherrscht, rückblickend
und den Gang der Entwicklung darstellend, in diesem Vertrage die eigentliche
Ursache des Krieges erkennt.

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simit? — so schließt er den Passus in der ^xoloZis. Also: die wirkliche
Ursache der unerwartet Übeln Lage, in die er geraten ist, ist die verkehrte eng¬
lische Politik, die in keinem Punkte seinen Erwartungen entsprach. Und dem
zufolge ist ihm in der Histoirs das wichtigste die Beantwortung der Frage,
wie er zu dem Abschluß seines Vertrages mit diesem treulosen Albion ge¬
kommen sei.

Die Betrachtungen Friedrichs über die militärische und finanzielle Un-
fertigkeit seiner Gegner können auf keinen Fall beweisen, daß er sich durch
seine Absichten auf Sachsen in seinem Entschluß, den Gegnern zuvorzukommen,
habe bestimmen lassen. Allerdings bestanden im Sommer 1756 gegen Preußen
nur Verteidigungsbündnisse. Erwägt man aber, daß Rußland ein Angriffs-
bünduis mit Österreich erstrebte, während dieses mit allen erdenklichen Mitteln
den Abschluß eines solchen mit Frankreich betrieb, vergegenwärtigt man sich,
daß auch der erste Versailler Vertrag nach den Äußerungen des Herzogs von
Vroglie in dessen kürzlich erschienenen Buche: Mtrielüsrmö in der
That nur en, axxg.rsnv6 defensiv war, bedenkt man weiter, daß den Memoiren
des Kardinals Bernis, auf die Lehmann seine Behauptung stützt, daß sich
König Ludwig nimmermehr zu einem Angriff auf Preußen verstehen werde,
keineswegs zu trauen ist — in jenen Tagen war vielmehr die Stimmung in
Paris für den Abschluß eines Angriffsbündnisses gerade sehr günstig —, macht
man sich endlich klar, daß Friedrich in dem Augenblick, wo er das Schwert
zog, aller Bundesgenossen entbehrte (Englands Hilfe war gewiß nicht hoch
anzuschlagen), nachdem er noch 1753 nur einen Krieg für aussichtsvoll erklärt
hatte, worin ihm ebenso viel Bundesgenossen zur Seite stünden wie dem
Gegner — stellt man alle diese Dinge zusammen, so wird man sich nicht der
Überzeugung verschließen können: der König ist lediglich durch die bange Sorge,
in einen Krieg verwickelt zu werden, zu Rüstungen und schließlich zum Angriff
bewogen worden. Diese Sorge — von freudiger Stimmung kann gar keine
Rede sein — spricht nicht nur aus den Briefen des Königs an seine Schwester,
die Markgrüfin von Vaireuth, sie beherrschte auch des Königs Politik in jenen
Jahren beständig und veranlaßte ihn zum Abschluß der verhängnisvollen Kon¬
vention von Westminster.

Wie seltsam haben sich doch damals die Wege der europäischen Diplomatie
verschlungen! Seit dem Frühjahr 1755 hatte Friedrich Frankreich zu energischer
Thätigkeit gegen England, insbesondre zur Besetzung Hannovers aufgefordert,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/69>, abgerufen am 26.11.2024.