Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.Zur Frage der Vorbildung der höher" Verwaltungsbeamten anlagung gründlich kennen und würdigen zu lernen, verschieden; denn z. B. in Bei der heute allgemein üblichen Art der Verteilung und Erledigung der Zur Frage der Vorbildung der höher» Verwaltungsbeamten anlagung gründlich kennen und würdigen zu lernen, verschieden; denn z. B. in Bei der heute allgemein üblichen Art der Verteilung und Erledigung der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0602" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223544"/> <fw type="header" place="top"> Zur Frage der Vorbildung der höher» Verwaltungsbeamten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1673" prev="#ID_1672"> anlagung gründlich kennen und würdigen zu lernen, verschieden; denn z. B. in<lb/> der Zeit vom April bis zum September ist davon beim Landrat wenig zu<lb/> spüren; bei der Negierung umgekehrt weniger im Winterhalbjahre als im Sommer,<lb/> wo die Berufungen erörtert und entschieden werden. Schließlich ist jetzt noch<lb/> am meisten dafür gesorgt, daß der Referendar mit der Domanialoerwnltung<lb/> in ziemlich gründlicher und für den Strebsamen jedenfalls genügender Weise<lb/> bekannt und vertraut wird; sie ist ja auch ein abgeschlossener Kreis, der im<lb/> ganzen von polizeilichen und allgemein verwaltuugsrechtlichen und politischen<lb/> Beziehungen unabhängig ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1674"> Bei der heute allgemein üblichen Art der Verteilung und Erledigung der<lb/> Regierungsgeschäfte, wie sie Massow in „Reform oder Revolution" im<lb/> allgemeinen zutreffend aber scharf umrissen schildert, ist das auch kaum anders<lb/> zu erwarten. Auf den Landratsämtern wird der Referendar, wenn man ehrlich<lb/> sein will, auch selten zu einem klaren Überblick über die allgemeine Ver¬<lb/> waltungsthätigkeit kommen. Erstens sind die landrütlichen Geschäfte viel zu<lb/> vielseitig und umfangreich, sodann aber ist der Landrat selbst viel zu sehr<lb/> von den brennenden Lvkalfragen in Anspruch genommen, die ihrer Natur<lb/> nach immer etwas einseitig sind und sich auf einem kleinen, für die Aus¬<lb/> bildung nicht besonders wichtigen Gebiete bewegen: heute etwa Kleinbahnbau,<lb/> morgen Neureguliruug der Schulverhültnisse, dann Einführung neuer Organi¬<lb/> sationen usw.; man denke nur etwa an die Einführung der landwirtschaftlichen<lb/> Unfallversicherung und der Jnvaliditäts- und Altersversicherung, an die Ein¬<lb/> führung neuer Gebührenordnungen für Baupolizei und dergleichen. Zugleich wird<lb/> in der Regel der Landrat nicht dazu kommen, auf die dem jungen Beamten<lb/> entgegentretenden Eindrücke einzugehen, da die Dinge ihm selbst alltäglich und<lb/> altgewohnt find; er wird das Lernbedürfnis des Referendars nicht übersehen<lb/> und ihm in der Regel überlassen, welchen Sachen er sich vorzugsweise zu¬<lb/> wenden, und woraus er seine Belehrung und Anregung schöpfen will. So<lb/> kommt es, daß der junge Assessor, der nach bester Vorbereitung ein Dezernat<lb/> selbständig übernimmt, in vielen Dingen völlig als Neuling dasteht und<lb/> sich keinen Rat weiß, sobald ihn die Akten im Stich lassen, was nnr zu<lb/> häufig der Fall ist; so wenn der Abteilungsdirigent vielleicht in den Einzel¬<lb/> heiten des Dezernats nicht bewandert ist und nicht scharf kontrollirt, wenn<lb/> kein Korreferent vorhanden ist, und er sich dem Sekretär nicht anvertrauen<lb/> mag. Da ist es natürlich, wenn alle zweifelhaften Sachen den Landräteu<lb/> zum Bericht zugefertigt werden, auch wenn das Material vielleicht in den<lb/> Akten früherer oder späterer Vergangenheit bereits vorliegt und uur der Be¬<lb/> arbeitung harrt, vielleicht in Alten Stücken, die in der Hauptsache einem andern<lb/> Dezernat angehören. Wie leicht wird die Regieruugsiustanz dann, um einen<lb/> vulgären Ausdruck zu gebrauchen, zum Sammelbecken der lcmdrcitlichen Berichte<lb/> und zum Briefträger zwischen der Lokal- und der Zentralinstanz!</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0602]
Zur Frage der Vorbildung der höher» Verwaltungsbeamten
anlagung gründlich kennen und würdigen zu lernen, verschieden; denn z. B. in
der Zeit vom April bis zum September ist davon beim Landrat wenig zu
spüren; bei der Negierung umgekehrt weniger im Winterhalbjahre als im Sommer,
wo die Berufungen erörtert und entschieden werden. Schließlich ist jetzt noch
am meisten dafür gesorgt, daß der Referendar mit der Domanialoerwnltung
in ziemlich gründlicher und für den Strebsamen jedenfalls genügender Weise
bekannt und vertraut wird; sie ist ja auch ein abgeschlossener Kreis, der im
ganzen von polizeilichen und allgemein verwaltuugsrechtlichen und politischen
Beziehungen unabhängig ist.
Bei der heute allgemein üblichen Art der Verteilung und Erledigung der
Regierungsgeschäfte, wie sie Massow in „Reform oder Revolution" im
allgemeinen zutreffend aber scharf umrissen schildert, ist das auch kaum anders
zu erwarten. Auf den Landratsämtern wird der Referendar, wenn man ehrlich
sein will, auch selten zu einem klaren Überblick über die allgemeine Ver¬
waltungsthätigkeit kommen. Erstens sind die landrütlichen Geschäfte viel zu
vielseitig und umfangreich, sodann aber ist der Landrat selbst viel zu sehr
von den brennenden Lvkalfragen in Anspruch genommen, die ihrer Natur
nach immer etwas einseitig sind und sich auf einem kleinen, für die Aus¬
bildung nicht besonders wichtigen Gebiete bewegen: heute etwa Kleinbahnbau,
morgen Neureguliruug der Schulverhültnisse, dann Einführung neuer Organi¬
sationen usw.; man denke nur etwa an die Einführung der landwirtschaftlichen
Unfallversicherung und der Jnvaliditäts- und Altersversicherung, an die Ein¬
führung neuer Gebührenordnungen für Baupolizei und dergleichen. Zugleich wird
in der Regel der Landrat nicht dazu kommen, auf die dem jungen Beamten
entgegentretenden Eindrücke einzugehen, da die Dinge ihm selbst alltäglich und
altgewohnt find; er wird das Lernbedürfnis des Referendars nicht übersehen
und ihm in der Regel überlassen, welchen Sachen er sich vorzugsweise zu¬
wenden, und woraus er seine Belehrung und Anregung schöpfen will. So
kommt es, daß der junge Assessor, der nach bester Vorbereitung ein Dezernat
selbständig übernimmt, in vielen Dingen völlig als Neuling dasteht und
sich keinen Rat weiß, sobald ihn die Akten im Stich lassen, was nnr zu
häufig der Fall ist; so wenn der Abteilungsdirigent vielleicht in den Einzel¬
heiten des Dezernats nicht bewandert ist und nicht scharf kontrollirt, wenn
kein Korreferent vorhanden ist, und er sich dem Sekretär nicht anvertrauen
mag. Da ist es natürlich, wenn alle zweifelhaften Sachen den Landräteu
zum Bericht zugefertigt werden, auch wenn das Material vielleicht in den
Akten früherer oder späterer Vergangenheit bereits vorliegt und uur der Be¬
arbeitung harrt, vielleicht in Alten Stücken, die in der Hauptsache einem andern
Dezernat angehören. Wie leicht wird die Regieruugsiustanz dann, um einen
vulgären Ausdruck zu gebrauchen, zum Sammelbecken der lcmdrcitlichen Berichte
und zum Briefträger zwischen der Lokal- und der Zentralinstanz!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |