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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sei, Was sie jetzt, nach den Verhandlungen über die Wahlreform, ans einmal ver¬
anlaßt, Sozialpolitik zu treiben und sich Volkspartei zu nennen. Zum Überfluß
decken sie gelegentlich ganz unbefangen ihr Herz auf. Einige Hnndwerkerverscimm-
luugeu, also Versammlungen vou "Christlichsozialen," die dieser Tage in Wien ab¬
gehalten worden sind, haben sich, wie dies auf solchen Versammlungen üblich ist,
einerseits gegen das Großkapital andrerseits gegen die Arbeiter ausgesprochen, und
da sie gegen jenes ohnmächtig sind, so ist ihr guter Wille, sich an diesen schadlos
zu halte", uicht zu bezweifeln. Der Katholikentag sodann ist weit entfernt davon
gewesen, dem Ackerbauminister, der sich telegraphisch als Gesinnungsgenosse vor¬
gestellt hat, sagen zu lassen, er irre sich, obwohl die Teilnehmer der Versnmmlnng
wußten, daß dieser Minister trotz sich hausender dringender Veranlassungen noch
leinen Finger gerührt hat, die Lage der österreichische" Grubenarbeiter zu ver¬
bessern, mit der vergliche" die der preußische" paradiesisch ist. Endlich hat dieser
Katholikentag einen klerikale" Redakteur namens Bernth, der forderte, daß mit den
sozialen Reformen Ernst gemacht werde, und der so frech war, an das kanonische
Verbot des Zinsnehmcus zu erinnern, an die Luft gesetzt. Ein paar Kaplttne
-- idealistische Schwärmer ohne Zweifel - - find ihm nach aus dem Saale hinauf¬
geschlichen.Dieses also ist die Bedeutung der Wahlbewegung, daß sie die alte
Erfahrung bestätigt, wonach alle politischen und nationalen Gegensätze in den
Hintergrund treten, sobald sich der Besitz von den Besitzlosen bedroht sieht, und
daß in den Zeiten sozialer Kampfe dem am festesten begründeten Besitz die Führung
zufällt. In Österreich ist das der Großgrundbesitz, wovon ein bedeutender Teil
Kirchenfürsten und Stiften gehört, und in den Alpenprovinzen der bäuerliche.
Wenn sich, wie zu erwarten steht, in den drohenden sozialen Kämpfen das Ge-
füge dieses ländlichen Grundbesitzes widerstandsfähiger erweist als das der Gro߬
industrie und des Handels, dann werden die "Liberalen," so arge Pfaffenfresser
sie auch von Haus aus sind, keinen Augenblick zögern, sich der Führung der Mit
den Fürsten und Grafen verbündeten Prälaten und Pfarrer unterzuordnen; schon
haben sich einstweilen die liberalen Großgrundbesitzer Oberösterreichs mit den
Klerikalen kompromittirt. Vor zehn Jahren, als bei uns nach Beendigung des
Kulturkampfs neue Parteigruppirungeu in Aussicht standen und die National-
liberalen nach einer neuen Grundlage für ihre Organisation suchten, hat ihnen
Miquel einmal gerade heraus gesagt, sie seien in Täuschungen befangen gewesen;
die alten festgewurzelten Mächte, Kirchen und Stände erwiesen sich auf die Dauer
immer stärker als die politischen Parteibildungen des Tags. Er hätte uoch einen
Schritt weiter gehn und ihnen raten können, in die konservative Partei einzutreten.



") Berath hat in seinem Blatte ".Politische Fragmente) den Hergang erzählt. Professor
Schindler sprach sich als Referent über die Arbeiterfrage gegen die Einschränkung des Zins-
nchmcns, gegen weibliche Fabrikaufsicht, gegen die Einmischung des Staats in die Lohnfrage
und gegen andre sozialpolitische Forderungen aus, und der frühere Ackerbauminister Graf
Falkenhayn erklärte sich mit ihm in allen Stücken einverstanden. Nach einer arbeiterfreundlichen
Rede des Grafen Kuefstcin verwies Berath auf das noch bestehende kanonische Zinsverbot,
charakterisirte dann die Ausführungen Schindlers als mnnchesterlcch und sprach gegen die kapi¬
talistische Gesellschaftsordnung, die vor dem Zusammenbruch stehe. Dn rief der Jesuit Biedelnt:
Das ist ein Jesuit! und Falkenhayn: Schluß, nicht ausreden lassen! Gegenüber dein allge¬
meinen Geschreider Geistlichen, dus Zinsverbot sei längst aufgehoben, bekräftigte der Gras Kuesstein,
Berath habe Recht, das kanonische Verbot sei niemals aufgehoben worden, ivoranf Bicoelnt,
echt jesuitisch, erwiderte, ein Verbot, dus so allgemein und auch vom Papste selbst übertreten
werde, könne als aufgehoben betrachtet werden. Die förmliche Ausschließung Beruths erfolgte
erst um nächsten Vormittag; etwa fünfzehn junge Geistliche, die an der Thür standen, trösteten ihn.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

sei, Was sie jetzt, nach den Verhandlungen über die Wahlreform, ans einmal ver¬
anlaßt, Sozialpolitik zu treiben und sich Volkspartei zu nennen. Zum Überfluß
decken sie gelegentlich ganz unbefangen ihr Herz auf. Einige Hnndwerkerverscimm-
luugeu, also Versammlungen vou „Christlichsozialen," die dieser Tage in Wien ab¬
gehalten worden sind, haben sich, wie dies auf solchen Versammlungen üblich ist,
einerseits gegen das Großkapital andrerseits gegen die Arbeiter ausgesprochen, und
da sie gegen jenes ohnmächtig sind, so ist ihr guter Wille, sich an diesen schadlos
zu halte», uicht zu bezweifeln. Der Katholikentag sodann ist weit entfernt davon
gewesen, dem Ackerbauminister, der sich telegraphisch als Gesinnungsgenosse vor¬
gestellt hat, sagen zu lassen, er irre sich, obwohl die Teilnehmer der Versnmmlnng
wußten, daß dieser Minister trotz sich hausender dringender Veranlassungen noch
leinen Finger gerührt hat, die Lage der österreichische» Grubenarbeiter zu ver¬
bessern, mit der vergliche» die der preußische» paradiesisch ist. Endlich hat dieser
Katholikentag einen klerikale» Redakteur namens Bernth, der forderte, daß mit den
sozialen Reformen Ernst gemacht werde, und der so frech war, an das kanonische
Verbot des Zinsnehmcus zu erinnern, an die Luft gesetzt. Ein paar Kaplttne
— idealistische Schwärmer ohne Zweifel - - find ihm nach aus dem Saale hinauf¬
geschlichen.Dieses also ist die Bedeutung der Wahlbewegung, daß sie die alte
Erfahrung bestätigt, wonach alle politischen und nationalen Gegensätze in den
Hintergrund treten, sobald sich der Besitz von den Besitzlosen bedroht sieht, und
daß in den Zeiten sozialer Kampfe dem am festesten begründeten Besitz die Führung
zufällt. In Österreich ist das der Großgrundbesitz, wovon ein bedeutender Teil
Kirchenfürsten und Stiften gehört, und in den Alpenprovinzen der bäuerliche.
Wenn sich, wie zu erwarten steht, in den drohenden sozialen Kämpfen das Ge-
füge dieses ländlichen Grundbesitzes widerstandsfähiger erweist als das der Gro߬
industrie und des Handels, dann werden die „Liberalen," so arge Pfaffenfresser
sie auch von Haus aus sind, keinen Augenblick zögern, sich der Führung der Mit
den Fürsten und Grafen verbündeten Prälaten und Pfarrer unterzuordnen; schon
haben sich einstweilen die liberalen Großgrundbesitzer Oberösterreichs mit den
Klerikalen kompromittirt. Vor zehn Jahren, als bei uns nach Beendigung des
Kulturkampfs neue Parteigruppirungeu in Aussicht standen und die National-
liberalen nach einer neuen Grundlage für ihre Organisation suchten, hat ihnen
Miquel einmal gerade heraus gesagt, sie seien in Täuschungen befangen gewesen;
die alten festgewurzelten Mächte, Kirchen und Stände erwiesen sich auf die Dauer
immer stärker als die politischen Parteibildungen des Tags. Er hätte uoch einen
Schritt weiter gehn und ihnen raten können, in die konservative Partei einzutreten.



") Berath hat in seinem Blatte «.Politische Fragmente) den Hergang erzählt. Professor
Schindler sprach sich als Referent über die Arbeiterfrage gegen die Einschränkung des Zins-
nchmcns, gegen weibliche Fabrikaufsicht, gegen die Einmischung des Staats in die Lohnfrage
und gegen andre sozialpolitische Forderungen aus, und der frühere Ackerbauminister Graf
Falkenhayn erklärte sich mit ihm in allen Stücken einverstanden. Nach einer arbeiterfreundlichen
Rede des Grafen Kuefstcin verwies Berath auf das noch bestehende kanonische Zinsverbot,
charakterisirte dann die Ausführungen Schindlers als mnnchesterlcch und sprach gegen die kapi¬
talistische Gesellschaftsordnung, die vor dem Zusammenbruch stehe. Dn rief der Jesuit Biedelnt:
Das ist ein Jesuit! und Falkenhayn: Schluß, nicht ausreden lassen! Gegenüber dein allge¬
meinen Geschreider Geistlichen, dus Zinsverbot sei längst aufgehoben, bekräftigte der Gras Kuesstein,
Berath habe Recht, das kanonische Verbot sei niemals aufgehoben worden, ivoranf Bicoelnt,
echt jesuitisch, erwiderte, ein Verbot, dus so allgemein und auch vom Papste selbst übertreten
werde, könne als aufgehoben betrachtet werden. Die förmliche Ausschließung Beruths erfolgte
erst um nächsten Vormittag; etwa fünfzehn junge Geistliche, die an der Thür standen, trösteten ihn.
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[0582] Maßgebliches und Unmaßgebliches sei, Was sie jetzt, nach den Verhandlungen über die Wahlreform, ans einmal ver¬ anlaßt, Sozialpolitik zu treiben und sich Volkspartei zu nennen. Zum Überfluß decken sie gelegentlich ganz unbefangen ihr Herz auf. Einige Hnndwerkerverscimm- luugeu, also Versammlungen vou „Christlichsozialen," die dieser Tage in Wien ab¬ gehalten worden sind, haben sich, wie dies auf solchen Versammlungen üblich ist, einerseits gegen das Großkapital andrerseits gegen die Arbeiter ausgesprochen, und da sie gegen jenes ohnmächtig sind, so ist ihr guter Wille, sich an diesen schadlos zu halte», uicht zu bezweifeln. Der Katholikentag sodann ist weit entfernt davon gewesen, dem Ackerbauminister, der sich telegraphisch als Gesinnungsgenosse vor¬ gestellt hat, sagen zu lassen, er irre sich, obwohl die Teilnehmer der Versnmmlnng wußten, daß dieser Minister trotz sich hausender dringender Veranlassungen noch leinen Finger gerührt hat, die Lage der österreichische» Grubenarbeiter zu ver¬ bessern, mit der vergliche» die der preußische» paradiesisch ist. Endlich hat dieser Katholikentag einen klerikale» Redakteur namens Bernth, der forderte, daß mit den sozialen Reformen Ernst gemacht werde, und der so frech war, an das kanonische Verbot des Zinsnehmcus zu erinnern, an die Luft gesetzt. Ein paar Kaplttne — idealistische Schwärmer ohne Zweifel - - find ihm nach aus dem Saale hinauf¬ geschlichen.Dieses also ist die Bedeutung der Wahlbewegung, daß sie die alte Erfahrung bestätigt, wonach alle politischen und nationalen Gegensätze in den Hintergrund treten, sobald sich der Besitz von den Besitzlosen bedroht sieht, und daß in den Zeiten sozialer Kampfe dem am festesten begründeten Besitz die Führung zufällt. In Österreich ist das der Großgrundbesitz, wovon ein bedeutender Teil Kirchenfürsten und Stiften gehört, und in den Alpenprovinzen der bäuerliche. Wenn sich, wie zu erwarten steht, in den drohenden sozialen Kämpfen das Ge- füge dieses ländlichen Grundbesitzes widerstandsfähiger erweist als das der Gro߬ industrie und des Handels, dann werden die „Liberalen," so arge Pfaffenfresser sie auch von Haus aus sind, keinen Augenblick zögern, sich der Führung der Mit den Fürsten und Grafen verbündeten Prälaten und Pfarrer unterzuordnen; schon haben sich einstweilen die liberalen Großgrundbesitzer Oberösterreichs mit den Klerikalen kompromittirt. Vor zehn Jahren, als bei uns nach Beendigung des Kulturkampfs neue Parteigruppirungeu in Aussicht standen und die National- liberalen nach einer neuen Grundlage für ihre Organisation suchten, hat ihnen Miquel einmal gerade heraus gesagt, sie seien in Täuschungen befangen gewesen; die alten festgewurzelten Mächte, Kirchen und Stände erwiesen sich auf die Dauer immer stärker als die politischen Parteibildungen des Tags. Er hätte uoch einen Schritt weiter gehn und ihnen raten können, in die konservative Partei einzutreten. ") Berath hat in seinem Blatte «.Politische Fragmente) den Hergang erzählt. Professor Schindler sprach sich als Referent über die Arbeiterfrage gegen die Einschränkung des Zins- nchmcns, gegen weibliche Fabrikaufsicht, gegen die Einmischung des Staats in die Lohnfrage und gegen andre sozialpolitische Forderungen aus, und der frühere Ackerbauminister Graf Falkenhayn erklärte sich mit ihm in allen Stücken einverstanden. Nach einer arbeiterfreundlichen Rede des Grafen Kuefstcin verwies Berath auf das noch bestehende kanonische Zinsverbot, charakterisirte dann die Ausführungen Schindlers als mnnchesterlcch und sprach gegen die kapi¬ talistische Gesellschaftsordnung, die vor dem Zusammenbruch stehe. Dn rief der Jesuit Biedelnt: Das ist ein Jesuit! und Falkenhayn: Schluß, nicht ausreden lassen! Gegenüber dein allge¬ meinen Geschreider Geistlichen, dus Zinsverbot sei längst aufgehoben, bekräftigte der Gras Kuesstein, Berath habe Recht, das kanonische Verbot sei niemals aufgehoben worden, ivoranf Bicoelnt, echt jesuitisch, erwiderte, ein Verbot, dus so allgemein und auch vom Papste selbst übertreten werde, könne als aufgehoben betrachtet werden. Die förmliche Ausschließung Beruths erfolgte erst um nächsten Vormittag; etwa fünfzehn junge Geistliche, die an der Thür standen, trösteten ihn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/582>, abgerufen am 28.07.2024.