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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Leipziger pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

g'bracht g'sehen z'hab'u" und weiß nicht, "ob er z'erst den Lehrer oder d'Kinder
b'wundern" soll. Dennoch fiel das Buch aus einem andern Grunde der Bücher¬
kommission in die Hände: es war gar nicht in Wien erschienen, sondern in
Leipzig, und der wirkliche Verleger war wieder -- Liebeskind. Da das
Manuskript nicht der kaiserlichen Büchcrzensnr in Wien vorgelegen hatte, so
war die österreichische Regierung gegen Doll vorgegangen, und dieser hatte
ausgesagt, daß Liebeskind seinen Namen ohne sein Wissen auf das Buch gesetzt
und ihm erst hinterher Mitteilung davon gemacht habe. Der österreichische Ge¬
sandte in Dresden hatte sich an die sächsische Regierung gewendet, und so
wurde Liebeskind am 1. November 1798 vorgefordert.

Er gab an, er habe sich wegen dieses Buches mit Doll weder mündlich
verabredet noch Briefe mit ihm gewechselt, sondern die Sache sei von dem
Verfasser der Schrift ins Werk gesetzt worden. Der Verfasser sei ein gewisser
Bill aus Halle, der in Wien Buchdrucker gewesen sei, dann sich eine Zeit lang
in Leipzig aufgehalten und als Korrektor seinen Unterhalt gefunden und
endlich sich nach Zerbst gewendet habe. Dieser sei vor der Ostermesse des
vorige,: Jahres zu ihm gekommen und habe ihm mitgeteilt, daß ihm Doll
aufgetragen habe, ein solches Buch zu schreiben, und ihn gebeten habe, es in
Verlag zu nehmen. Da er nun mit Doll in gutem Vernehmen stehe und
viele Geschäfte mit ihm mache, so habe er gewagt, das Buch "auf Kosten und
für Berechnung genannten Dolls" in Leipzig drucken zu lassen, habe auch,
weil es im Wiener Dialekt geschrieben sei, den Druckort Wien und Dolls
Namen darauf setzen lassen, freilich erst hinterher Doll davon Nachricht
gegeben.

Einige Tage darauf wurde der Leipziger Buchdrucker Cramer vernommen,
der das Buch gedruckt hatte, und sagte aus, das Manuskript sei ihm von dem
Verfasser, der damals Korrektor in seiner Hiesigen Druckerei gewesen sei, zum
Druck übergeben worden. Darauf habe er es dem Professor Weuck zur Zensur
vorgelegt. Da ihm dieser aber eröffnet habe, daß das Manuskript nicht ge¬
druckt werden könne, so habe er es Bill zurückgegeben, und der habe es dann in
Dessau bei dem Buchdrucker Fritsch für Cramers Rechnung drucken lassen.
Da die Exemplare von Dessau an Bill geschickt worden seien, der damals bei
ihm gewohnt habe, und ans Bills Wohnung an Liebeskind abgeliefert worden
seien, so möge die Vermutung entstanden sein, daß er selbst die Briefe ge¬
druckt habe.

Der Rat sandte Liebeskinds und Cramers Aussagen an die Regierung,
worauf jeder von beiden durch Reskript vom 28. Januar 1799 "wegen ihrer
Collusion bei dem Verlag und der Herausgabe vorbesagter Schrift, deren
Manuskripte zu Leipzig die Censur versagt worden, und wegen des dabei zu
schüttelt gebrachten l^tsi" zu 25 Thalern Strafe verurteilt wurden. Beide
lehnten sich in Eingaben an den Rat gegen die Strafe auf, indem sie geltend


Leipziger pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

g'bracht g'sehen z'hab'u" und weiß nicht, „ob er z'erst den Lehrer oder d'Kinder
b'wundern" soll. Dennoch fiel das Buch aus einem andern Grunde der Bücher¬
kommission in die Hände: es war gar nicht in Wien erschienen, sondern in
Leipzig, und der wirkliche Verleger war wieder — Liebeskind. Da das
Manuskript nicht der kaiserlichen Büchcrzensnr in Wien vorgelegen hatte, so
war die österreichische Regierung gegen Doll vorgegangen, und dieser hatte
ausgesagt, daß Liebeskind seinen Namen ohne sein Wissen auf das Buch gesetzt
und ihm erst hinterher Mitteilung davon gemacht habe. Der österreichische Ge¬
sandte in Dresden hatte sich an die sächsische Regierung gewendet, und so
wurde Liebeskind am 1. November 1798 vorgefordert.

Er gab an, er habe sich wegen dieses Buches mit Doll weder mündlich
verabredet noch Briefe mit ihm gewechselt, sondern die Sache sei von dem
Verfasser der Schrift ins Werk gesetzt worden. Der Verfasser sei ein gewisser
Bill aus Halle, der in Wien Buchdrucker gewesen sei, dann sich eine Zeit lang
in Leipzig aufgehalten und als Korrektor seinen Unterhalt gefunden und
endlich sich nach Zerbst gewendet habe. Dieser sei vor der Ostermesse des
vorige,: Jahres zu ihm gekommen und habe ihm mitgeteilt, daß ihm Doll
aufgetragen habe, ein solches Buch zu schreiben, und ihn gebeten habe, es in
Verlag zu nehmen. Da er nun mit Doll in gutem Vernehmen stehe und
viele Geschäfte mit ihm mache, so habe er gewagt, das Buch „auf Kosten und
für Berechnung genannten Dolls" in Leipzig drucken zu lassen, habe auch,
weil es im Wiener Dialekt geschrieben sei, den Druckort Wien und Dolls
Namen darauf setzen lassen, freilich erst hinterher Doll davon Nachricht
gegeben.

Einige Tage darauf wurde der Leipziger Buchdrucker Cramer vernommen,
der das Buch gedruckt hatte, und sagte aus, das Manuskript sei ihm von dem
Verfasser, der damals Korrektor in seiner Hiesigen Druckerei gewesen sei, zum
Druck übergeben worden. Darauf habe er es dem Professor Weuck zur Zensur
vorgelegt. Da ihm dieser aber eröffnet habe, daß das Manuskript nicht ge¬
druckt werden könne, so habe er es Bill zurückgegeben, und der habe es dann in
Dessau bei dem Buchdrucker Fritsch für Cramers Rechnung drucken lassen.
Da die Exemplare von Dessau an Bill geschickt worden seien, der damals bei
ihm gewohnt habe, und ans Bills Wohnung an Liebeskind abgeliefert worden
seien, so möge die Vermutung entstanden sein, daß er selbst die Briefe ge¬
druckt habe.

Der Rat sandte Liebeskinds und Cramers Aussagen an die Regierung,
worauf jeder von beiden durch Reskript vom 28. Januar 1799 „wegen ihrer
Collusion bei dem Verlag und der Herausgabe vorbesagter Schrift, deren
Manuskripte zu Leipzig die Censur versagt worden, und wegen des dabei zu
schüttelt gebrachten l^tsi" zu 25 Thalern Strafe verurteilt wurden. Beide
lehnten sich in Eingaben an den Rat gegen die Strafe auf, indem sie geltend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/571>, abgerufen am 25.11.2024.