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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zum deutsch-dänischen Streit

Avis seit vielen Jahren "Westslesvisk Tidende," und eine andre für die Jugend
bestimmte Zeitschrift ,,Jllustrirtes Kinderblatt für Nordschleswig/' und eine
Sonntagsbeilage des Flensborg Avis trägt den Titel "Nordschleswigsches
Sonntagsblatt." Wären die Herren von der Berechtigung und Richtigkeit
des Ausdrucks "Südjütland" so sehr überzeugt gewesen, so hätten sie wohl
ihre Blätter darnach benannt; aber sie hatten ja selbst bisher nur den Namen
Schleswig gebraucht, und so ging es nicht gut an, plötzlich den Titel zu
ändern, als zu Demonstrationszwecken der alte Name gebraucht wurde.

Der Presse zur Seite stehen die dänischen Vereine, von denen schon kurz
die Rede war. Der Sprachverein hat in jedem Kirchspiel Bibliotheken, zu
denen jährlich tausende von dänischen Büchern aus Dünemark geschenkt werden.
Der Wahlverein hat überall seine Vertrauensmänner, die dafür zu sorgen
haben, daß auch der letzte Mann zur Wahlurne kommt. Die Vortragsvereine
sammeln dänisch gesinnte Männer zu geselligem Beisammensein bei Rede und
Gesang. Die Redner sind meistens Zeitnngsredakteure und deren Sekretäre.
Die Vortrüge sind mit wenigen Ausnahmen politischen Inhalts. Alle diese
Vereine bestanden vor 1888 (Sprachverfügung), dienen also nicht der Ver¬
teidigung, auch nicht gegen den "Deutschen Verein", da dieser ja erst nach
ihnen gegründet wurde, um ihrem Wirken entgegenzuarbeiten. Der jüngste
Verein ist der dänische Schulverein, der seit 1892 konsirmirte Knaben und
Mädchen nach Dänemark ans Hochschulen oder sogenannte Nachschulen ("Efter-
skoler") schickt. Er hat 1894 nicht weniger als 266, 1895 196, 1896 wieder
200 Schüler über die Grenze geschickt.

Aus alledem wird man sehn, daß die uordschleswiger Dänen durchaus
nicht als verfolgte Unschuldige anzusehen sind. Dabei wolle man bedenken,
daß unter ihnen nicht wenig Deutsche leben, die zum größten Teile dieselbe
Umgangssprache, dieselben Interessen wirtschaftlicher Art haben. Unsre Kinder
besuchen auch dieselbe Schule, wie die der Gegner. Warum treten denn die
deutschgesinnten Nordschleswiger, die auch fast alle dänisch reden, nicht jenen
Forderungen über Schul- und Kirchensprache bei? Weil es sich nicht um
ein wirkliches Bedürfnis handelt, sondern nur um Aufrechterhaltung des geistigen
Zusammenhangs mit Dänemark, um die stetige Schürung des Hasses gegen
Deutschland und alles, was deutsch ist.




Grenzboten III 1896
Zum deutsch-dänischen Streit

Avis seit vielen Jahren „Westslesvisk Tidende," und eine andre für die Jugend
bestimmte Zeitschrift ,,Jllustrirtes Kinderblatt für Nordschleswig/' und eine
Sonntagsbeilage des Flensborg Avis trägt den Titel „Nordschleswigsches
Sonntagsblatt." Wären die Herren von der Berechtigung und Richtigkeit
des Ausdrucks „Südjütland" so sehr überzeugt gewesen, so hätten sie wohl
ihre Blätter darnach benannt; aber sie hatten ja selbst bisher nur den Namen
Schleswig gebraucht, und so ging es nicht gut an, plötzlich den Titel zu
ändern, als zu Demonstrationszwecken der alte Name gebraucht wurde.

Der Presse zur Seite stehen die dänischen Vereine, von denen schon kurz
die Rede war. Der Sprachverein hat in jedem Kirchspiel Bibliotheken, zu
denen jährlich tausende von dänischen Büchern aus Dünemark geschenkt werden.
Der Wahlverein hat überall seine Vertrauensmänner, die dafür zu sorgen
haben, daß auch der letzte Mann zur Wahlurne kommt. Die Vortragsvereine
sammeln dänisch gesinnte Männer zu geselligem Beisammensein bei Rede und
Gesang. Die Redner sind meistens Zeitnngsredakteure und deren Sekretäre.
Die Vortrüge sind mit wenigen Ausnahmen politischen Inhalts. Alle diese
Vereine bestanden vor 1888 (Sprachverfügung), dienen also nicht der Ver¬
teidigung, auch nicht gegen den „Deutschen Verein", da dieser ja erst nach
ihnen gegründet wurde, um ihrem Wirken entgegenzuarbeiten. Der jüngste
Verein ist der dänische Schulverein, der seit 1892 konsirmirte Knaben und
Mädchen nach Dänemark ans Hochschulen oder sogenannte Nachschulen („Efter-
skoler") schickt. Er hat 1894 nicht weniger als 266, 1895 196, 1896 wieder
200 Schüler über die Grenze geschickt.

Aus alledem wird man sehn, daß die uordschleswiger Dänen durchaus
nicht als verfolgte Unschuldige anzusehen sind. Dabei wolle man bedenken,
daß unter ihnen nicht wenig Deutsche leben, die zum größten Teile dieselbe
Umgangssprache, dieselben Interessen wirtschaftlicher Art haben. Unsre Kinder
besuchen auch dieselbe Schule, wie die der Gegner. Warum treten denn die
deutschgesinnten Nordschleswiger, die auch fast alle dänisch reden, nicht jenen
Forderungen über Schul- und Kirchensprache bei? Weil es sich nicht um
ein wirkliches Bedürfnis handelt, sondern nur um Aufrechterhaltung des geistigen
Zusammenhangs mit Dänemark, um die stetige Schürung des Hasses gegen
Deutschland und alles, was deutsch ist.




Grenzboten III 1896
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[0449] Zum deutsch-dänischen Streit Avis seit vielen Jahren „Westslesvisk Tidende," und eine andre für die Jugend bestimmte Zeitschrift ,,Jllustrirtes Kinderblatt für Nordschleswig/' und eine Sonntagsbeilage des Flensborg Avis trägt den Titel „Nordschleswigsches Sonntagsblatt." Wären die Herren von der Berechtigung und Richtigkeit des Ausdrucks „Südjütland" so sehr überzeugt gewesen, so hätten sie wohl ihre Blätter darnach benannt; aber sie hatten ja selbst bisher nur den Namen Schleswig gebraucht, und so ging es nicht gut an, plötzlich den Titel zu ändern, als zu Demonstrationszwecken der alte Name gebraucht wurde. Der Presse zur Seite stehen die dänischen Vereine, von denen schon kurz die Rede war. Der Sprachverein hat in jedem Kirchspiel Bibliotheken, zu denen jährlich tausende von dänischen Büchern aus Dünemark geschenkt werden. Der Wahlverein hat überall seine Vertrauensmänner, die dafür zu sorgen haben, daß auch der letzte Mann zur Wahlurne kommt. Die Vortragsvereine sammeln dänisch gesinnte Männer zu geselligem Beisammensein bei Rede und Gesang. Die Redner sind meistens Zeitnngsredakteure und deren Sekretäre. Die Vortrüge sind mit wenigen Ausnahmen politischen Inhalts. Alle diese Vereine bestanden vor 1888 (Sprachverfügung), dienen also nicht der Ver¬ teidigung, auch nicht gegen den „Deutschen Verein", da dieser ja erst nach ihnen gegründet wurde, um ihrem Wirken entgegenzuarbeiten. Der jüngste Verein ist der dänische Schulverein, der seit 1892 konsirmirte Knaben und Mädchen nach Dänemark ans Hochschulen oder sogenannte Nachschulen („Efter- skoler") schickt. Er hat 1894 nicht weniger als 266, 1895 196, 1896 wieder 200 Schüler über die Grenze geschickt. Aus alledem wird man sehn, daß die uordschleswiger Dänen durchaus nicht als verfolgte Unschuldige anzusehen sind. Dabei wolle man bedenken, daß unter ihnen nicht wenig Deutsche leben, die zum größten Teile dieselbe Umgangssprache, dieselben Interessen wirtschaftlicher Art haben. Unsre Kinder besuchen auch dieselbe Schule, wie die der Gegner. Warum treten denn die deutschgesinnten Nordschleswiger, die auch fast alle dänisch reden, nicht jenen Forderungen über Schul- und Kirchensprache bei? Weil es sich nicht um ein wirkliches Bedürfnis handelt, sondern nur um Aufrechterhaltung des geistigen Zusammenhangs mit Dänemark, um die stetige Schürung des Hasses gegen Deutschland und alles, was deutsch ist. Grenzboten III 1896

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/449>, abgerufen am 01.09.2024.