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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zum deutsch-dänischen Streit
Peters en Eine Erwiderung von

me eigentümliche Erscheinung: jetzt, neunundzwanzig Jahre nach
der Einverleibung Schleswig-Holsteins in das Königreich Preußen
und sechsundzwanzig Jahre nach der Einigung Deutschlands, ist
der nationale Streit hier im nördlichen Schleswig heftiger denn
je entbrannt. Einerseits liest man täglich in den Zeitungen der
Protestier die heftigsten Ausfälle gegen Maßnahmen der Behörden, gegen die
Deutschen hierzulande und alles, was deutsch ist, andrerseits begegnet die
national-deutsche Presse in ihrer Mehrheit diesen Angriffen mit scharfen Wider¬
legungen und klagt die Gegner der "wüsten Agitation" an. In dem ersten
Jahrzehnt nach s^r Trennung des Landes von Dünemark waren ruhigere Zu¬
stände. Nur in Städten und größern Orten gab es heftige Wahlkämpfe bei
Politischen, Gemeinde- und Kirchenwahlen. Auf dem flachen Lande kannte man
die jetzige Agitation gar nicht, weil dies die unbestrittne Domäne der Protestler
war. Diese brauchten überall ihre Macht, wie es H. P. Hansen, der letzt¬
gewählte Laudtagsabgeordnete der Dünen, in seinem Buch "Sönderjyderne
under Fremmedherredömmet 1864--1888" erzählt. So heißt es Seite 8:
"In den Verwaltungen der Privatvereine, in den Gemeinderäten und in den
Kirchspielsvorständen warf man die Deutschen vor die Thür," Seite 29: "Mit
einem deutschen Kaufmann Geschäfte zu machen oder bei einem deutschen Gast¬
wirt einzukehren, ward als eine Schmach angesehen und war für viele eine
Unmöglichkeit. Der gesellschaftliche Verkehr mit den einheimischen Deutschen
wurde abgebrochen, ihre Kinder von den Schulkindern und den jungen Leuten
verhöhnt und aufgezogen, sodaß sie sich der Gesinnung ihrer Eltern schämten."
Aber alle die kleinen Chikanen und die Bedrückungen der einheimischen Deutschen
kamen damals nicht ans Licht, die Betroffnen scheuten sich geradezu, sie zu


Grenzboten III 1896 SS


Zum deutsch-dänischen Streit
Peters en Eine Erwiderung von

me eigentümliche Erscheinung: jetzt, neunundzwanzig Jahre nach
der Einverleibung Schleswig-Holsteins in das Königreich Preußen
und sechsundzwanzig Jahre nach der Einigung Deutschlands, ist
der nationale Streit hier im nördlichen Schleswig heftiger denn
je entbrannt. Einerseits liest man täglich in den Zeitungen der
Protestier die heftigsten Ausfälle gegen Maßnahmen der Behörden, gegen die
Deutschen hierzulande und alles, was deutsch ist, andrerseits begegnet die
national-deutsche Presse in ihrer Mehrheit diesen Angriffen mit scharfen Wider¬
legungen und klagt die Gegner der „wüsten Agitation" an. In dem ersten
Jahrzehnt nach s^r Trennung des Landes von Dünemark waren ruhigere Zu¬
stände. Nur in Städten und größern Orten gab es heftige Wahlkämpfe bei
Politischen, Gemeinde- und Kirchenwahlen. Auf dem flachen Lande kannte man
die jetzige Agitation gar nicht, weil dies die unbestrittne Domäne der Protestler
war. Diese brauchten überall ihre Macht, wie es H. P. Hansen, der letzt¬
gewählte Laudtagsabgeordnete der Dünen, in seinem Buch „Sönderjyderne
under Fremmedherredömmet 1864—1888" erzählt. So heißt es Seite 8:
„In den Verwaltungen der Privatvereine, in den Gemeinderäten und in den
Kirchspielsvorständen warf man die Deutschen vor die Thür," Seite 29: „Mit
einem deutschen Kaufmann Geschäfte zu machen oder bei einem deutschen Gast¬
wirt einzukehren, ward als eine Schmach angesehen und war für viele eine
Unmöglichkeit. Der gesellschaftliche Verkehr mit den einheimischen Deutschen
wurde abgebrochen, ihre Kinder von den Schulkindern und den jungen Leuten
verhöhnt und aufgezogen, sodaß sie sich der Gesinnung ihrer Eltern schämten."
Aber alle die kleinen Chikanen und die Bedrückungen der einheimischen Deutschen
kamen damals nicht ans Licht, die Betroffnen scheuten sich geradezu, sie zu


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[0441] [Abbildung] Zum deutsch-dänischen Streit Peters en Eine Erwiderung von me eigentümliche Erscheinung: jetzt, neunundzwanzig Jahre nach der Einverleibung Schleswig-Holsteins in das Königreich Preußen und sechsundzwanzig Jahre nach der Einigung Deutschlands, ist der nationale Streit hier im nördlichen Schleswig heftiger denn je entbrannt. Einerseits liest man täglich in den Zeitungen der Protestier die heftigsten Ausfälle gegen Maßnahmen der Behörden, gegen die Deutschen hierzulande und alles, was deutsch ist, andrerseits begegnet die national-deutsche Presse in ihrer Mehrheit diesen Angriffen mit scharfen Wider¬ legungen und klagt die Gegner der „wüsten Agitation" an. In dem ersten Jahrzehnt nach s^r Trennung des Landes von Dünemark waren ruhigere Zu¬ stände. Nur in Städten und größern Orten gab es heftige Wahlkämpfe bei Politischen, Gemeinde- und Kirchenwahlen. Auf dem flachen Lande kannte man die jetzige Agitation gar nicht, weil dies die unbestrittne Domäne der Protestler war. Diese brauchten überall ihre Macht, wie es H. P. Hansen, der letzt¬ gewählte Laudtagsabgeordnete der Dünen, in seinem Buch „Sönderjyderne under Fremmedherredömmet 1864—1888" erzählt. So heißt es Seite 8: „In den Verwaltungen der Privatvereine, in den Gemeinderäten und in den Kirchspielsvorständen warf man die Deutschen vor die Thür," Seite 29: „Mit einem deutschen Kaufmann Geschäfte zu machen oder bei einem deutschen Gast¬ wirt einzukehren, ward als eine Schmach angesehen und war für viele eine Unmöglichkeit. Der gesellschaftliche Verkehr mit den einheimischen Deutschen wurde abgebrochen, ihre Kinder von den Schulkindern und den jungen Leuten verhöhnt und aufgezogen, sodaß sie sich der Gesinnung ihrer Eltern schämten." Aber alle die kleinen Chikanen und die Bedrückungen der einheimischen Deutschen kamen damals nicht ans Licht, die Betroffnen scheuten sich geradezu, sie zu Grenzboten III 1896 SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/441>, abgerufen am 01.09.2024.