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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gesundes, starkes Talent, voll Kraft und Frische, und eine liebenswürdige,
wenn anch in mancher Hinsicht beschränkte Persönlichkeit.

Endlich sind unter den altern Stürmern und Drängern noch zwei jüdischen
Ursprungs zu nennen: Konrad Alberti (Sittenfeld, geb. 1802 zu Breslau)
und Hermann Bahr (geb. 18ö3 zu Linz). Sie haben alle Phasen anch der
spätern Entwicklung des Naturalismus mit durchgemacht, sind aber nichts
weniger als erfreuliche Erscheinungen. In ihnen läuft im Grnnde der Feuille-
tvnismus naturalistisch aus. Bahr soll, wie ich noch erwähnen muß, die
Schlagwörter "Decadence," "lin alö 8i0<z1s" und "Symbolismus" aus Paris
eingeführt und dem Ausdruck "Die Moderne" (nach Antike gebildet) die erste
Verbreitung gegeben haben -- er ist in der That so etwas wie der Lonunis-
vazng'sur der neuesten Litteraturbewegung. Auch für Albertis unruhige Ge¬
schäftigkeit nimmt man das Bild um besten aus dem Geschnftslebeu.

Wie der erste Sturm und Drang seinen Hainami, hatte auch der letzte
seinen "Mngus." Er hieß Peter Hille (geb. 1854 bei Driburg) und verstand
ganz hübsch zu orakeln, verstehts vielleicht auch noch, aber man hört nichts
mehr von ihm.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ein Schritt vorwärts.

Am 2. Mai ist in Dresden von Vertretern
deutscher und österreichisch-ungarischer Binnenschiffcihrtsvereine die Gründung eines
"Deutsch-Österreichisch-Ungarischen Verbands für Binnenschiffahrt" beschlossen worden.
Am 22. Juli hat der Vorstand des neuen Verbands, für den der Geheime Vcmrat
Wernekinck als dritter Vorsitzender und der Hauptmann z. D. Hiller als Schrift¬
führer, beide in Berlin, zeichnen, zum ersten Verbandstage eingeladen, der am
22. September in Dresden abgehalten werden soll. In der Konferenz am 2. Mai
wurde die Notwendigkeit eines solchen Verbands und regelmäßig wiederkehrender
Verbandstage damit begründet, daß der internationale Schifffahrtskongrcß zwar
für die technischen, bei der Verschiedenheit der nationalen Interessen aber nicht
für die wirtschaftlichen Fragen genüge. Der Verband soll sich vorzugsweise mit
den drei Projekten einer Verbindung der Donau mit Oder, Elbe und Main be¬
schäftigen. Über den geplanten norddeutschen Mittelauds-(Rhein-Weser-Eid-)Kanal
waren die Meinungen geteilt; da seine Forderung dem Verbände die mächtige
Gegnerschaft nicht allein der reichsdentschen, sondern auch der österreichisch-ungarischen
Agrarier zuziehen würde, so beschloß man, ihn vorläufig in die Studien und Ver¬
handlungen des Verbands nicht hereinzuziehen. Diese Verkehrsprvjekte, führte
Dr. Zöpfel aus Nürnberg ans, hätten "für das mittelländische Festland Europas eine


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gesundes, starkes Talent, voll Kraft und Frische, und eine liebenswürdige,
wenn anch in mancher Hinsicht beschränkte Persönlichkeit.

Endlich sind unter den altern Stürmern und Drängern noch zwei jüdischen
Ursprungs zu nennen: Konrad Alberti (Sittenfeld, geb. 1802 zu Breslau)
und Hermann Bahr (geb. 18ö3 zu Linz). Sie haben alle Phasen anch der
spätern Entwicklung des Naturalismus mit durchgemacht, sind aber nichts
weniger als erfreuliche Erscheinungen. In ihnen läuft im Grnnde der Feuille-
tvnismus naturalistisch aus. Bahr soll, wie ich noch erwähnen muß, die
Schlagwörter „Decadence," „lin alö 8i0<z1s" und „Symbolismus" aus Paris
eingeführt und dem Ausdruck „Die Moderne" (nach Antike gebildet) die erste
Verbreitung gegeben haben — er ist in der That so etwas wie der Lonunis-
vazng'sur der neuesten Litteraturbewegung. Auch für Albertis unruhige Ge¬
schäftigkeit nimmt man das Bild um besten aus dem Geschnftslebeu.

Wie der erste Sturm und Drang seinen Hainami, hatte auch der letzte
seinen „Mngus." Er hieß Peter Hille (geb. 1854 bei Driburg) und verstand
ganz hübsch zu orakeln, verstehts vielleicht auch noch, aber man hört nichts
mehr von ihm.

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Ein Schritt vorwärts.

Am 2. Mai ist in Dresden von Vertretern
deutscher und österreichisch-ungarischer Binnenschiffcihrtsvereine die Gründung eines
„Deutsch-Österreichisch-Ungarischen Verbands für Binnenschiffahrt" beschlossen worden.
Am 22. Juli hat der Vorstand des neuen Verbands, für den der Geheime Vcmrat
Wernekinck als dritter Vorsitzender und der Hauptmann z. D. Hiller als Schrift¬
führer, beide in Berlin, zeichnen, zum ersten Verbandstage eingeladen, der am
22. September in Dresden abgehalten werden soll. In der Konferenz am 2. Mai
wurde die Notwendigkeit eines solchen Verbands und regelmäßig wiederkehrender
Verbandstage damit begründet, daß der internationale Schifffahrtskongrcß zwar
für die technischen, bei der Verschiedenheit der nationalen Interessen aber nicht
für die wirtschaftlichen Fragen genüge. Der Verband soll sich vorzugsweise mit
den drei Projekten einer Verbindung der Donau mit Oder, Elbe und Main be¬
schäftigen. Über den geplanten norddeutschen Mittelauds-(Rhein-Weser-Eid-)Kanal
waren die Meinungen geteilt; da seine Forderung dem Verbände die mächtige
Gegnerschaft nicht allein der reichsdentschen, sondern auch der österreichisch-ungarischen
Agrarier zuziehen würde, so beschloß man, ihn vorläufig in die Studien und Ver¬
handlungen des Verbands nicht hereinzuziehen. Diese Verkehrsprvjekte, führte
Dr. Zöpfel aus Nürnberg ans, hätten „für das mittelländische Festland Europas eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/432>, abgerufen am 01.09.2024.