Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.Lin unbequemer Aonservativer er gehört zu den Silbermännern und beklagt die Goldwährung als ein großes Es ist merkwürdig, wie stark die Lebensverhültnisse eines Mannes auf Lin unbequemer Aonservativer er gehört zu den Silbermännern und beklagt die Goldwährung als ein großes Es ist merkwürdig, wie stark die Lebensverhültnisse eines Mannes auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223261"/> <fw type="header" place="top"> Lin unbequemer Aonservativer</fw><lb/> <p xml:id="ID_925" prev="#ID_924"> er gehört zu den Silbermännern und beklagt die Goldwährung als ein großes<lb/> Unglück. Die Gründe der Silberleute entwickelt er in seiner Weise, aber diese<lb/> seine Weise hat uns so wenig überzeugt, wie die Weise Kardorffs oder Hechts.<lb/> Recht gewundert haben wir uns, wie gerade er, der die Schattenseiten des<lb/> Kapitalismus so genau kennt und den Krisen, wenigstens den landwirtschaft¬<lb/> lichen, seine besondre Aufmerksamkeit gewidmet hat, die Münzvermehrung<lb/> als eine kulturfördernde und volksbeglückende Maßregel preisen, also dem Jn-<lb/> flationismus huldigen kann. Muß er doch wissen, daß die zum Teil wenigstens<lb/> durch den starken Zufluß von Edelmetall bewirkte Preisrevolution des sech¬<lb/> zehnten Jahrhunderts Elend über die Völker Europas gebracht hat; über die<lb/> Wirkungen des Milliardensegens ist er genauer unterrichtet als wir, und die<lb/> schreckliche Krisis, mit der die Vereinigten Staaten infolge der unvernünftigen<lb/> Vermehrung des Silberschatzes heimgesucht worden sind, hatte, als er sein<lb/> Buch schrieb, schon begonnen. Jede Vermehrung der Umlaufsmittel über das<lb/> Bedürfnis hinaus wirkt genau so aus die gesamte Volkswirtschaft, wie die<lb/> Einnahmevermehrung durch Preissteigerung auf den Grundbesitz. Nur daß<lb/> die schlimmen Wirkungen der übermäßigen Vermehrung der Münzen und Münz¬<lb/> surrogate nicht unbedingt eintreten müssen; bei sehr gesunder wirtschaftlicher<lb/> Lage eines besonnenen und nüchternen Volkes fließen überschüssige Umlaufs¬<lb/> mittel einfach in die Banken zurück, ohne zur Überspekulation und Über¬<lb/> produktion zu reizen. Daß es uns in Deutschland aber an der erforderlichen<lb/> Menge von Umlaufsmitteln fehle, davon kann keine Rede sein; es ist einfach<lb/> lächerlich, wenn Meyer schreibt, die Goldwährung habe im deutschen Reiche<lb/> nicht durchgeführt werden können. Daß Italien kein Gold festzuhalten vermag,<lb/> das liegt nicht an der Fehlerhaftigkeit seiner Währung, sondern an seiner Ver¬<lb/> schuldung und seiner schlechten Volks- und Finanzwirtschaft. Meyer hält es<lb/> für besonders gefährlich, daß Gold wegen seines im Verhältnis zum Wert so<lb/> geringen Volumens leicht verschickt, von Spekulanten aufgekauft und eingesperrt<lb/> werden könne. Theoretisch ist es ja richtig, daß solche Streiche mit Gold<lb/> leichter begangen werden könnten als mit Silber. Daraus folgt aber noch<lb/> nicht, daß sie überhaupt ausführbar seien, und da wir den Spekulanten jede<lb/> Ruchlosigkeit zutrauen, so beweisen uns unsre Zwanzigmarkstücke, die noch un¬<lb/> gehindert in Freiheit rollen, daß alle Bemühungen der Spekulanten, sie ab¬<lb/> zufangen, vergebens gewesen sind. In einem Stücke jedoch geben wir Meyer<lb/> Recht: daß man uns mit den abscheulichen Rinteln hätte verschonen sollen.<lb/> Erstens sind sie häßlich. Zweitens haben sie so gut wie gar keinen innern<lb/> Wert, während der arme Mann auch bei gesnnknem Silberwert in silbernen<lb/> Zehn- und Zwanzigpfennigstücken, die freilich größer gemacht werden müßten<lb/> als die jetzigen silbernen Zwanziger, wenigstens etwas von wirklichem Wert<lb/> in der Hand haben würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_926" next="#ID_927"> Es ist merkwürdig, wie stark die Lebensverhültnisse eines Mannes auf</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0319]
Lin unbequemer Aonservativer
er gehört zu den Silbermännern und beklagt die Goldwährung als ein großes
Unglück. Die Gründe der Silberleute entwickelt er in seiner Weise, aber diese
seine Weise hat uns so wenig überzeugt, wie die Weise Kardorffs oder Hechts.
Recht gewundert haben wir uns, wie gerade er, der die Schattenseiten des
Kapitalismus so genau kennt und den Krisen, wenigstens den landwirtschaft¬
lichen, seine besondre Aufmerksamkeit gewidmet hat, die Münzvermehrung
als eine kulturfördernde und volksbeglückende Maßregel preisen, also dem Jn-
flationismus huldigen kann. Muß er doch wissen, daß die zum Teil wenigstens
durch den starken Zufluß von Edelmetall bewirkte Preisrevolution des sech¬
zehnten Jahrhunderts Elend über die Völker Europas gebracht hat; über die
Wirkungen des Milliardensegens ist er genauer unterrichtet als wir, und die
schreckliche Krisis, mit der die Vereinigten Staaten infolge der unvernünftigen
Vermehrung des Silberschatzes heimgesucht worden sind, hatte, als er sein
Buch schrieb, schon begonnen. Jede Vermehrung der Umlaufsmittel über das
Bedürfnis hinaus wirkt genau so aus die gesamte Volkswirtschaft, wie die
Einnahmevermehrung durch Preissteigerung auf den Grundbesitz. Nur daß
die schlimmen Wirkungen der übermäßigen Vermehrung der Münzen und Münz¬
surrogate nicht unbedingt eintreten müssen; bei sehr gesunder wirtschaftlicher
Lage eines besonnenen und nüchternen Volkes fließen überschüssige Umlaufs¬
mittel einfach in die Banken zurück, ohne zur Überspekulation und Über¬
produktion zu reizen. Daß es uns in Deutschland aber an der erforderlichen
Menge von Umlaufsmitteln fehle, davon kann keine Rede sein; es ist einfach
lächerlich, wenn Meyer schreibt, die Goldwährung habe im deutschen Reiche
nicht durchgeführt werden können. Daß Italien kein Gold festzuhalten vermag,
das liegt nicht an der Fehlerhaftigkeit seiner Währung, sondern an seiner Ver¬
schuldung und seiner schlechten Volks- und Finanzwirtschaft. Meyer hält es
für besonders gefährlich, daß Gold wegen seines im Verhältnis zum Wert so
geringen Volumens leicht verschickt, von Spekulanten aufgekauft und eingesperrt
werden könne. Theoretisch ist es ja richtig, daß solche Streiche mit Gold
leichter begangen werden könnten als mit Silber. Daraus folgt aber noch
nicht, daß sie überhaupt ausführbar seien, und da wir den Spekulanten jede
Ruchlosigkeit zutrauen, so beweisen uns unsre Zwanzigmarkstücke, die noch un¬
gehindert in Freiheit rollen, daß alle Bemühungen der Spekulanten, sie ab¬
zufangen, vergebens gewesen sind. In einem Stücke jedoch geben wir Meyer
Recht: daß man uns mit den abscheulichen Rinteln hätte verschonen sollen.
Erstens sind sie häßlich. Zweitens haben sie so gut wie gar keinen innern
Wert, während der arme Mann auch bei gesnnknem Silberwert in silbernen
Zehn- und Zwanzigpfennigstücken, die freilich größer gemacht werden müßten
als die jetzigen silbernen Zwanziger, wenigstens etwas von wirklichem Wert
in der Hand haben würde.
Es ist merkwürdig, wie stark die Lebensverhültnisse eines Mannes auf
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt). |