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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Monopolisirung des Bankwesens

u den politischen Fehlern -- um keinen stärkern Ausdruck zu
gebrauchen --, die die Hcmdelskreise in Deutschland bisher bei
der Abwehr der in der neuern Zeit gegen sie gerichteten Gesetz¬
gebung zu wiederholten malen begangen haben, gehören auch
die Versuche, mit Hilfe einer in den düstersten Akkorden ver¬
hallenden Zukunftsmusik die Gesetzgebung von ihren Bestrebungen zurück¬
zuschrecken. Nun ist das Prophezeien an sich eine mißliche Sache; geschieht
es aber unter Verhältnissen, die die Unrichtigkeit ohne weiteres zu Tage treten
lassen, so rächt sich diese Taktik um so mehr, als sie nicht bloß auf
die Urteilskraft, sondern auch auf die Überzeugungstreue der Propheten kein
vorteilhaftes Licht wirft. Für jeden, der mit den Verhältnissen nur einiger¬
maßen vertraut ist, war es auf den ersten Blick klar, daß die Offenbarungen,
die seinerzeit die Vertreter der Berliner Kaufmannschaft in ihrer Denkschrift
über das neue Börsensteuergesetz zum besten gaben, nicht das Ergebnis
ihrer Überzeugung, sondern nur die Frucht sogenannter diplomatischer Er¬
wägungen sein konnten, hervorgegangen aus dem Bestreben, die drohende
Gefahr um jeden Preis von den beteiligten Kreisen abzuwenden. Diese
"Diplomatie" ist aber insbesondre der Börse um so verhängnisvoller geworden,
als sie mit nicht zu überbietender Promptheit durch eine kurz darauf folgende
Konjunktur g.c1 adsuräum geführt wurde, durch eine Konjunktur, die auch die
kühnsten Erwartungen derer, die das neue Börsensteuergesetz geschaffen hatten,
übertroffen haben dürfte. Nun hat sich ein unüberwindliches Mißtrauen der
Börse gegenüber festgesetzt, und was das für sie bedeutet, kann sie am ehesten
an der Entwicklung erkennen, die die Börsenreform schließlich genommen hat.

Denn darüber dürfte wohl kaum ein Zweifel fein, daß beim Zustande¬
kommen des neuen Börsengesetzes das starke Mißtrauen gegen die Versicherungen
der Handelskreise und namentlich der Börse, der Widerspruch zwischen ihren Weis¬
sagungen und den spätern Thatsachen mitbestimmend, wenn nicht ausschlaggebend
gewesen ist. Wer die Reden der einzelnen Parlamentarier über diese Frage
aufmerksam durchliest, wird erkennen, daß trotz der eingehenden Studien auf
diesem Gebiete die Börse sür die Mehrzahl der Gesetzgeber eine terrk meogmta




Die Monopolisirung des Bankwesens

u den politischen Fehlern — um keinen stärkern Ausdruck zu
gebrauchen —, die die Hcmdelskreise in Deutschland bisher bei
der Abwehr der in der neuern Zeit gegen sie gerichteten Gesetz¬
gebung zu wiederholten malen begangen haben, gehören auch
die Versuche, mit Hilfe einer in den düstersten Akkorden ver¬
hallenden Zukunftsmusik die Gesetzgebung von ihren Bestrebungen zurück¬
zuschrecken. Nun ist das Prophezeien an sich eine mißliche Sache; geschieht
es aber unter Verhältnissen, die die Unrichtigkeit ohne weiteres zu Tage treten
lassen, so rächt sich diese Taktik um so mehr, als sie nicht bloß auf
die Urteilskraft, sondern auch auf die Überzeugungstreue der Propheten kein
vorteilhaftes Licht wirft. Für jeden, der mit den Verhältnissen nur einiger¬
maßen vertraut ist, war es auf den ersten Blick klar, daß die Offenbarungen,
die seinerzeit die Vertreter der Berliner Kaufmannschaft in ihrer Denkschrift
über das neue Börsensteuergesetz zum besten gaben, nicht das Ergebnis
ihrer Überzeugung, sondern nur die Frucht sogenannter diplomatischer Er¬
wägungen sein konnten, hervorgegangen aus dem Bestreben, die drohende
Gefahr um jeden Preis von den beteiligten Kreisen abzuwenden. Diese
„Diplomatie" ist aber insbesondre der Börse um so verhängnisvoller geworden,
als sie mit nicht zu überbietender Promptheit durch eine kurz darauf folgende
Konjunktur g.c1 adsuräum geführt wurde, durch eine Konjunktur, die auch die
kühnsten Erwartungen derer, die das neue Börsensteuergesetz geschaffen hatten,
übertroffen haben dürfte. Nun hat sich ein unüberwindliches Mißtrauen der
Börse gegenüber festgesetzt, und was das für sie bedeutet, kann sie am ehesten
an der Entwicklung erkennen, die die Börsenreform schließlich genommen hat.

Denn darüber dürfte wohl kaum ein Zweifel fein, daß beim Zustande¬
kommen des neuen Börsengesetzes das starke Mißtrauen gegen die Versicherungen
der Handelskreise und namentlich der Börse, der Widerspruch zwischen ihren Weis¬
sagungen und den spätern Thatsachen mitbestimmend, wenn nicht ausschlaggebend
gewesen ist. Wer die Reden der einzelnen Parlamentarier über diese Frage
aufmerksam durchliest, wird erkennen, daß trotz der eingehenden Studien auf
diesem Gebiete die Börse sür die Mehrzahl der Gesetzgeber eine terrk meogmta


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[0303] [Abbildung] Die Monopolisirung des Bankwesens u den politischen Fehlern — um keinen stärkern Ausdruck zu gebrauchen —, die die Hcmdelskreise in Deutschland bisher bei der Abwehr der in der neuern Zeit gegen sie gerichteten Gesetz¬ gebung zu wiederholten malen begangen haben, gehören auch die Versuche, mit Hilfe einer in den düstersten Akkorden ver¬ hallenden Zukunftsmusik die Gesetzgebung von ihren Bestrebungen zurück¬ zuschrecken. Nun ist das Prophezeien an sich eine mißliche Sache; geschieht es aber unter Verhältnissen, die die Unrichtigkeit ohne weiteres zu Tage treten lassen, so rächt sich diese Taktik um so mehr, als sie nicht bloß auf die Urteilskraft, sondern auch auf die Überzeugungstreue der Propheten kein vorteilhaftes Licht wirft. Für jeden, der mit den Verhältnissen nur einiger¬ maßen vertraut ist, war es auf den ersten Blick klar, daß die Offenbarungen, die seinerzeit die Vertreter der Berliner Kaufmannschaft in ihrer Denkschrift über das neue Börsensteuergesetz zum besten gaben, nicht das Ergebnis ihrer Überzeugung, sondern nur die Frucht sogenannter diplomatischer Er¬ wägungen sein konnten, hervorgegangen aus dem Bestreben, die drohende Gefahr um jeden Preis von den beteiligten Kreisen abzuwenden. Diese „Diplomatie" ist aber insbesondre der Börse um so verhängnisvoller geworden, als sie mit nicht zu überbietender Promptheit durch eine kurz darauf folgende Konjunktur g.c1 adsuräum geführt wurde, durch eine Konjunktur, die auch die kühnsten Erwartungen derer, die das neue Börsensteuergesetz geschaffen hatten, übertroffen haben dürfte. Nun hat sich ein unüberwindliches Mißtrauen der Börse gegenüber festgesetzt, und was das für sie bedeutet, kann sie am ehesten an der Entwicklung erkennen, die die Börsenreform schließlich genommen hat. Denn darüber dürfte wohl kaum ein Zweifel fein, daß beim Zustande¬ kommen des neuen Börsengesetzes das starke Mißtrauen gegen die Versicherungen der Handelskreise und namentlich der Börse, der Widerspruch zwischen ihren Weis¬ sagungen und den spätern Thatsachen mitbestimmend, wenn nicht ausschlaggebend gewesen ist. Wer die Reden der einzelnen Parlamentarier über diese Frage aufmerksam durchliest, wird erkennen, daß trotz der eingehenden Studien auf diesem Gebiete die Börse sür die Mehrzahl der Gesetzgeber eine terrk meogmta

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/303>, abgerufen am 01.09.2024.