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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Ein Wort zum deutsch-dänischen Streit

Ohren klingen die Mads und Jörgen überhaupt nicht schön, auch wenn man
ihnen durch Änderung eines Buchstabens einen deutschen Klang zu geben sucht;
um die Verdeutschung zu vervollständigen, müßte man wohl einen Georg und
Matthias daraus macheu. Wieviel aber den Dänen an der Festhaltung ihrer
Namen liegt, ist daraus zu ersehen, daß in dänischen Blättern eine List an¬
geraten wird, um das Verbot zu umgeben. Wenn die Eltern ihren Jungen
vor der Eintragung ins Standesamtsregister taufen lassen, so erreichen sie,
daß er einen dänischen Namen trägt.

Auch die dänischen Aufschriften zu irgend welchen geschäftlichen Zwecken
erregen "Ärgernis." Ein Gemeindevorsteher befahl, daß keine Bekannt¬
machungen in dänischer Sprache allein ausgehängt werden sollten. Ein früherer
Seekapitän, der Englisch gelernt hat, hängt eine Bekanntmachung in dänischer
und englischer Sprache aus. Das verstieß nicht gegen den Wortlaut der von
dem Gemeindebeamten erlassenen Verfügung, entsprach aber natürlich nicht
dem Sinne dieser Verfügung, die so gemeint war, daß die zweite Sprache das
Deutsche sein sollte. Der schlaue Einfall des Kapitäns, der in solcher Weise
das Gebot zu umgehen wußte, wurde als eine Herausforderung der Behörde
betrachtet, und es wurde ihm eine Geldstrafe zuerkannt.

Bei Besetzung von Gemeindeämtern wird auf die politische Gesinnung
viel Wert gelegt, und wird ein Düne, der sich an der politischen Agitation
irgendwie beteiligt hat, von der Bevölkerung für einen solchen Posten ausersehen,
so findet er schwer Bestätigung. Es kommt vor, daß in einem solchen Falle
"konstituirte" Gemeindevorsteher mit erhöhtem Gehalt angestellt werden, um die
Bevölkerung wegen ihrer dänischen Gesinnung zu strafen.

Ein Schulvorsteher wird abgesetzt, weil er der Vorsitzende eines Vereins
für Erhaltung der dünischen Sprache ist. Ein Distriktskommissar der Landes-
brandkasse, der dies Amt seit Jahren innegehabt hat, wird abgesetzt, weil er
ebenfalls in dem genannten dänischen Verein einen Posten bekleidet. Auch der
Lehrer an einer städtischen Fortbildungsschule wird wegen Bekundung dänischer
Gesinnung abgesetzt.

Die Ausweisungen dänischer Staatsangehörigen, die in irgend einer Weise
das Mißfallen der Behörden erregt haben, erhöhen das Gefühl der Unsicherheit.
Wie ein Blitz aus heiterm Himmel bricht der Ausweisungsbefehl über Leute
herein, die manchmal nicht wissen, worin ihr Vergehen besteht. Dieses Mittel
der Einschüchterung wird wieder von den untern Behörden sehr willkürlich
gehandhabt. Da fällt es einem Landrat ein, zu befehlen, daß mehrere ans
Dänemark eingewanderte Knechte, die bei dänischgesinnten Bauern dienen, ihr
Dienstverhältnis lösen sollen, wenn sie nicht die Ausweisung gewärtigen wollen.
Es ist wirklich schwer, einzusehen, warum die Anwesenheit dänischer Dienst¬
knechte im deutschen Reiche für das Deutschtum gefährlicher sein sollte, wenn
sie bei Dänen, als wenn sie bei Deutschen dienen. Der Vorfall zeigt aber,


Ein Wort zum deutsch-dänischen Streit

Ohren klingen die Mads und Jörgen überhaupt nicht schön, auch wenn man
ihnen durch Änderung eines Buchstabens einen deutschen Klang zu geben sucht;
um die Verdeutschung zu vervollständigen, müßte man wohl einen Georg und
Matthias daraus macheu. Wieviel aber den Dänen an der Festhaltung ihrer
Namen liegt, ist daraus zu ersehen, daß in dänischen Blättern eine List an¬
geraten wird, um das Verbot zu umgeben. Wenn die Eltern ihren Jungen
vor der Eintragung ins Standesamtsregister taufen lassen, so erreichen sie,
daß er einen dänischen Namen trägt.

Auch die dänischen Aufschriften zu irgend welchen geschäftlichen Zwecken
erregen „Ärgernis." Ein Gemeindevorsteher befahl, daß keine Bekannt¬
machungen in dänischer Sprache allein ausgehängt werden sollten. Ein früherer
Seekapitän, der Englisch gelernt hat, hängt eine Bekanntmachung in dänischer
und englischer Sprache aus. Das verstieß nicht gegen den Wortlaut der von
dem Gemeindebeamten erlassenen Verfügung, entsprach aber natürlich nicht
dem Sinne dieser Verfügung, die so gemeint war, daß die zweite Sprache das
Deutsche sein sollte. Der schlaue Einfall des Kapitäns, der in solcher Weise
das Gebot zu umgehen wußte, wurde als eine Herausforderung der Behörde
betrachtet, und es wurde ihm eine Geldstrafe zuerkannt.

Bei Besetzung von Gemeindeämtern wird auf die politische Gesinnung
viel Wert gelegt, und wird ein Düne, der sich an der politischen Agitation
irgendwie beteiligt hat, von der Bevölkerung für einen solchen Posten ausersehen,
so findet er schwer Bestätigung. Es kommt vor, daß in einem solchen Falle
„konstituirte" Gemeindevorsteher mit erhöhtem Gehalt angestellt werden, um die
Bevölkerung wegen ihrer dänischen Gesinnung zu strafen.

Ein Schulvorsteher wird abgesetzt, weil er der Vorsitzende eines Vereins
für Erhaltung der dünischen Sprache ist. Ein Distriktskommissar der Landes-
brandkasse, der dies Amt seit Jahren innegehabt hat, wird abgesetzt, weil er
ebenfalls in dem genannten dänischen Verein einen Posten bekleidet. Auch der
Lehrer an einer städtischen Fortbildungsschule wird wegen Bekundung dänischer
Gesinnung abgesetzt.

Die Ausweisungen dänischer Staatsangehörigen, die in irgend einer Weise
das Mißfallen der Behörden erregt haben, erhöhen das Gefühl der Unsicherheit.
Wie ein Blitz aus heiterm Himmel bricht der Ausweisungsbefehl über Leute
herein, die manchmal nicht wissen, worin ihr Vergehen besteht. Dieses Mittel
der Einschüchterung wird wieder von den untern Behörden sehr willkürlich
gehandhabt. Da fällt es einem Landrat ein, zu befehlen, daß mehrere ans
Dänemark eingewanderte Knechte, die bei dänischgesinnten Bauern dienen, ihr
Dienstverhältnis lösen sollen, wenn sie nicht die Ausweisung gewärtigen wollen.
Es ist wirklich schwer, einzusehen, warum die Anwesenheit dänischer Dienst¬
knechte im deutschen Reiche für das Deutschtum gefährlicher sein sollte, wenn
sie bei Dänen, als wenn sie bei Deutschen dienen. Der Vorfall zeigt aber,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/560>, abgerufen am 22.07.2024.