Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lin wort zum deutsch-dänischen Streit

es scheint, wenn es auch nicht geradezu entscheidend ist, doch für die Beurteilung
der Behörden schwer ins Gewicht. Da ruft ein deutsches Blatt voll Ent¬
rüstung aus, man dürfe diese oder jene von einer dänischen Zeitung gebrachte
Äußerung im deutschen Reiche nicht dulden. Es wird von deutscher Seite
auch dahin zu wirken gesucht, daß Bekanntmachungen von Behörden sowie
von privaten Unternehmungen, wie z. B. den Dampfschiffahrtsgesellschaften,
den dünischen Blättern nicht zugehen. Kurz, es wird auf jede Weise der
dänischen Presse das Dasein zu erschweren gesucht.

Wird aber durch solche Mittel wirklich das Dünentnm zurückgedrängt?
Bei diesen Voykottirungsversuchen, bei diesem gegen die dänische Presse geübten
Angebesystem schimmert ziemlich deutlich durch das Gewand patriotischer Ent¬
rüstung der Brotneid hindurch. Die Dänen aber werden dadurch nicht zum
Abschaffen ihrer Blätter bewogen; vielmehr wird in ihnen das Gefühl bestärkt,
daß ihnen Unrecht geschehe, daß man sie zu Staatsbürgern zweiter Klasse
machen wolle. In Nordschleswig herrscht, wie anderswo, besonders zwischen
den kleinen lokalen Blättern, ein heftiger Konkurrenzkampf, und die Preßfehden
arten zum Teil in Gehässigkeit und persönliche Verunglimpfungen aus.

Hier nur ein Beispiel davon, zu welchen Mitteln der Verdächtigung mit¬
unter auch von deutscher Seite gegriffen wird. Nach dem Tode des kürzlich
verstorbnen dänischgesiuuten Abgeordneten Lassen stellte sich bei einer von ihm
geleiteten Sparkasse ein bedeutender Fehlbetrag heraus. Bei dieser Gelegenheit
stellte eins der deutschen Lokalblätter die Behauptung auf, für die jeder Beweis
fehlte, die unterschlagnen Gelder seien für die dänische Agitation verwendet
worden. Damit war angedeutet, daß die ganze Parteileitung um den Kassen¬
betrug Bescheid gewußt haben müsse. Nun ist es freilich schlimm genug,
wenn sich herausstellt, daß jahrelang Betrug geübt worden ist von einem
Manne, der zu seinen Lebzeiten in hoher Achtung gestanden und auch bei den
Politischen Gegnern als Ehrenmann gegolten hatte. Aber mit der dänischen
Gesinnung hat doch die Sache nichts zu thun. Ähnliche Fälle sind gerade in
den letzten Jahren in Schleswig-Holstein öfter, auch in den Gegenden mit
deutscher Bevölkerung, vorgekommen. Sie beweisen nur, daß eine starke Ver¬
suchung darin liegt, wenn einem einzelnen Manne ein unbegrenztes Vertrauen
geschenkt wird.

Wenn sich aber so "menschliches, allzu menschliches" in den nationalen
Kampf einmischt, ist es dann nicht eine bedenkliche Auffassung, daß auf der einen
Seite, wo die staatlichen Interessen vertreten werden, die Leidenschaft ebenso
berechtigt sei, wie auf der andern Seite, bei den Vertretern der staatsgefähr¬
lichen Bestrebungen, verwerflich? Ich erwähne nur, daß neulich ein Führer
der Dänenpartei wegen "groben Unfugs" verurteilt worden ist, weil er in
einer Versammlung dazu aufgefordert hatte, nur dänische Inschriften zu
brauche" und bei Dünen zu kaufen. Die viel weitergehenden Aufforderungen


Lin wort zum deutsch-dänischen Streit

es scheint, wenn es auch nicht geradezu entscheidend ist, doch für die Beurteilung
der Behörden schwer ins Gewicht. Da ruft ein deutsches Blatt voll Ent¬
rüstung aus, man dürfe diese oder jene von einer dänischen Zeitung gebrachte
Äußerung im deutschen Reiche nicht dulden. Es wird von deutscher Seite
auch dahin zu wirken gesucht, daß Bekanntmachungen von Behörden sowie
von privaten Unternehmungen, wie z. B. den Dampfschiffahrtsgesellschaften,
den dünischen Blättern nicht zugehen. Kurz, es wird auf jede Weise der
dänischen Presse das Dasein zu erschweren gesucht.

Wird aber durch solche Mittel wirklich das Dünentnm zurückgedrängt?
Bei diesen Voykottirungsversuchen, bei diesem gegen die dänische Presse geübten
Angebesystem schimmert ziemlich deutlich durch das Gewand patriotischer Ent¬
rüstung der Brotneid hindurch. Die Dänen aber werden dadurch nicht zum
Abschaffen ihrer Blätter bewogen; vielmehr wird in ihnen das Gefühl bestärkt,
daß ihnen Unrecht geschehe, daß man sie zu Staatsbürgern zweiter Klasse
machen wolle. In Nordschleswig herrscht, wie anderswo, besonders zwischen
den kleinen lokalen Blättern, ein heftiger Konkurrenzkampf, und die Preßfehden
arten zum Teil in Gehässigkeit und persönliche Verunglimpfungen aus.

Hier nur ein Beispiel davon, zu welchen Mitteln der Verdächtigung mit¬
unter auch von deutscher Seite gegriffen wird. Nach dem Tode des kürzlich
verstorbnen dänischgesiuuten Abgeordneten Lassen stellte sich bei einer von ihm
geleiteten Sparkasse ein bedeutender Fehlbetrag heraus. Bei dieser Gelegenheit
stellte eins der deutschen Lokalblätter die Behauptung auf, für die jeder Beweis
fehlte, die unterschlagnen Gelder seien für die dänische Agitation verwendet
worden. Damit war angedeutet, daß die ganze Parteileitung um den Kassen¬
betrug Bescheid gewußt haben müsse. Nun ist es freilich schlimm genug,
wenn sich herausstellt, daß jahrelang Betrug geübt worden ist von einem
Manne, der zu seinen Lebzeiten in hoher Achtung gestanden und auch bei den
Politischen Gegnern als Ehrenmann gegolten hatte. Aber mit der dänischen
Gesinnung hat doch die Sache nichts zu thun. Ähnliche Fälle sind gerade in
den letzten Jahren in Schleswig-Holstein öfter, auch in den Gegenden mit
deutscher Bevölkerung, vorgekommen. Sie beweisen nur, daß eine starke Ver¬
suchung darin liegt, wenn einem einzelnen Manne ein unbegrenztes Vertrauen
geschenkt wird.

Wenn sich aber so „menschliches, allzu menschliches" in den nationalen
Kampf einmischt, ist es dann nicht eine bedenkliche Auffassung, daß auf der einen
Seite, wo die staatlichen Interessen vertreten werden, die Leidenschaft ebenso
berechtigt sei, wie auf der andern Seite, bei den Vertretern der staatsgefähr¬
lichen Bestrebungen, verwerflich? Ich erwähne nur, daß neulich ein Führer
der Dänenpartei wegen „groben Unfugs" verurteilt worden ist, weil er in
einer Versammlung dazu aufgefordert hatte, nur dänische Inschriften zu
brauche» und bei Dünen zu kaufen. Die viel weitergehenden Aufforderungen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222861"/>
          <fw type="header" place="top"> Lin wort zum deutsch-dänischen Streit</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1600" prev="#ID_1599"> es scheint, wenn es auch nicht geradezu entscheidend ist, doch für die Beurteilung<lb/>
der Behörden schwer ins Gewicht. Da ruft ein deutsches Blatt voll Ent¬<lb/>
rüstung aus, man dürfe diese oder jene von einer dänischen Zeitung gebrachte<lb/>
Äußerung im deutschen Reiche nicht dulden. Es wird von deutscher Seite<lb/>
auch dahin zu wirken gesucht, daß Bekanntmachungen von Behörden sowie<lb/>
von privaten Unternehmungen, wie z. B. den Dampfschiffahrtsgesellschaften,<lb/>
den dünischen Blättern nicht zugehen. Kurz, es wird auf jede Weise der<lb/>
dänischen Presse das Dasein zu erschweren gesucht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1601"> Wird aber durch solche Mittel wirklich das Dünentnm zurückgedrängt?<lb/>
Bei diesen Voykottirungsversuchen, bei diesem gegen die dänische Presse geübten<lb/>
Angebesystem schimmert ziemlich deutlich durch das Gewand patriotischer Ent¬<lb/>
rüstung der Brotneid hindurch. Die Dänen aber werden dadurch nicht zum<lb/>
Abschaffen ihrer Blätter bewogen; vielmehr wird in ihnen das Gefühl bestärkt,<lb/>
daß ihnen Unrecht geschehe, daß man sie zu Staatsbürgern zweiter Klasse<lb/>
machen wolle. In Nordschleswig herrscht, wie anderswo, besonders zwischen<lb/>
den kleinen lokalen Blättern, ein heftiger Konkurrenzkampf, und die Preßfehden<lb/>
arten zum Teil in Gehässigkeit und persönliche Verunglimpfungen aus.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1602"> Hier nur ein Beispiel davon, zu welchen Mitteln der Verdächtigung mit¬<lb/>
unter auch von deutscher Seite gegriffen wird. Nach dem Tode des kürzlich<lb/>
verstorbnen dänischgesiuuten Abgeordneten Lassen stellte sich bei einer von ihm<lb/>
geleiteten Sparkasse ein bedeutender Fehlbetrag heraus. Bei dieser Gelegenheit<lb/>
stellte eins der deutschen Lokalblätter die Behauptung auf, für die jeder Beweis<lb/>
fehlte, die unterschlagnen Gelder seien für die dänische Agitation verwendet<lb/>
worden. Damit war angedeutet, daß die ganze Parteileitung um den Kassen¬<lb/>
betrug Bescheid gewußt haben müsse. Nun ist es freilich schlimm genug,<lb/>
wenn sich herausstellt, daß jahrelang Betrug geübt worden ist von einem<lb/>
Manne, der zu seinen Lebzeiten in hoher Achtung gestanden und auch bei den<lb/>
Politischen Gegnern als Ehrenmann gegolten hatte. Aber mit der dänischen<lb/>
Gesinnung hat doch die Sache nichts zu thun. Ähnliche Fälle sind gerade in<lb/>
den letzten Jahren in Schleswig-Holstein öfter, auch in den Gegenden mit<lb/>
deutscher Bevölkerung, vorgekommen. Sie beweisen nur, daß eine starke Ver¬<lb/>
suchung darin liegt, wenn einem einzelnen Manne ein unbegrenztes Vertrauen<lb/>
geschenkt wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1603" next="#ID_1604"> Wenn sich aber so &#x201E;menschliches, allzu menschliches" in den nationalen<lb/>
Kampf einmischt, ist es dann nicht eine bedenkliche Auffassung, daß auf der einen<lb/>
Seite, wo die staatlichen Interessen vertreten werden, die Leidenschaft ebenso<lb/>
berechtigt sei, wie auf der andern Seite, bei den Vertretern der staatsgefähr¬<lb/>
lichen Bestrebungen, verwerflich? Ich erwähne nur, daß neulich ein Führer<lb/>
der Dänenpartei wegen &#x201E;groben Unfugs" verurteilt worden ist, weil er in<lb/>
einer Versammlung dazu aufgefordert hatte, nur dänische Inschriften zu<lb/>
brauche» und bei Dünen zu kaufen. Die viel weitergehenden Aufforderungen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0557] Lin wort zum deutsch-dänischen Streit es scheint, wenn es auch nicht geradezu entscheidend ist, doch für die Beurteilung der Behörden schwer ins Gewicht. Da ruft ein deutsches Blatt voll Ent¬ rüstung aus, man dürfe diese oder jene von einer dänischen Zeitung gebrachte Äußerung im deutschen Reiche nicht dulden. Es wird von deutscher Seite auch dahin zu wirken gesucht, daß Bekanntmachungen von Behörden sowie von privaten Unternehmungen, wie z. B. den Dampfschiffahrtsgesellschaften, den dünischen Blättern nicht zugehen. Kurz, es wird auf jede Weise der dänischen Presse das Dasein zu erschweren gesucht. Wird aber durch solche Mittel wirklich das Dünentnm zurückgedrängt? Bei diesen Voykottirungsversuchen, bei diesem gegen die dänische Presse geübten Angebesystem schimmert ziemlich deutlich durch das Gewand patriotischer Ent¬ rüstung der Brotneid hindurch. Die Dänen aber werden dadurch nicht zum Abschaffen ihrer Blätter bewogen; vielmehr wird in ihnen das Gefühl bestärkt, daß ihnen Unrecht geschehe, daß man sie zu Staatsbürgern zweiter Klasse machen wolle. In Nordschleswig herrscht, wie anderswo, besonders zwischen den kleinen lokalen Blättern, ein heftiger Konkurrenzkampf, und die Preßfehden arten zum Teil in Gehässigkeit und persönliche Verunglimpfungen aus. Hier nur ein Beispiel davon, zu welchen Mitteln der Verdächtigung mit¬ unter auch von deutscher Seite gegriffen wird. Nach dem Tode des kürzlich verstorbnen dänischgesiuuten Abgeordneten Lassen stellte sich bei einer von ihm geleiteten Sparkasse ein bedeutender Fehlbetrag heraus. Bei dieser Gelegenheit stellte eins der deutschen Lokalblätter die Behauptung auf, für die jeder Beweis fehlte, die unterschlagnen Gelder seien für die dänische Agitation verwendet worden. Damit war angedeutet, daß die ganze Parteileitung um den Kassen¬ betrug Bescheid gewußt haben müsse. Nun ist es freilich schlimm genug, wenn sich herausstellt, daß jahrelang Betrug geübt worden ist von einem Manne, der zu seinen Lebzeiten in hoher Achtung gestanden und auch bei den Politischen Gegnern als Ehrenmann gegolten hatte. Aber mit der dänischen Gesinnung hat doch die Sache nichts zu thun. Ähnliche Fälle sind gerade in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein öfter, auch in den Gegenden mit deutscher Bevölkerung, vorgekommen. Sie beweisen nur, daß eine starke Ver¬ suchung darin liegt, wenn einem einzelnen Manne ein unbegrenztes Vertrauen geschenkt wird. Wenn sich aber so „menschliches, allzu menschliches" in den nationalen Kampf einmischt, ist es dann nicht eine bedenkliche Auffassung, daß auf der einen Seite, wo die staatlichen Interessen vertreten werden, die Leidenschaft ebenso berechtigt sei, wie auf der andern Seite, bei den Vertretern der staatsgefähr¬ lichen Bestrebungen, verwerflich? Ich erwähne nur, daß neulich ein Führer der Dänenpartei wegen „groben Unfugs" verurteilt worden ist, weil er in einer Versammlung dazu aufgefordert hatte, nur dänische Inschriften zu brauche» und bei Dünen zu kaufen. Die viel weitergehenden Aufforderungen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/557
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/557>, abgerufen am 22.07.2024.