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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit

deutschen Vaterlande. Ich habe mitunter nach längerm Verkehr mit dem einen
oder andern nicht gewußt und erst durch gelegentliches Befragen bei andern
erfahren, ob er ein Deutscher oder ein Däne war. Komme ich aber mit einem
Antisemiten zusammen, fo weiß ich nach fünf Minnten, wie sein Programm
lautet.

Es ist gewiß Sache des Temperaments, wie man sich im Verkehr mit
politischen Gegnern benimmt. Das aber dürfte feststehen, daß eine vorlaute
Art, bei jeder Gelegenheit den Gegnern gegenüber die politische Überzeugung
zu vertreten, namentlich wenn es mit starkem Selbstbewußtsein geschieht, mehr
Schaden als Nutzen schafft, daß zudringliche Bekehrungsversuche meistens ab¬
stoßend wirken. Ich weiß, daß auch andre Deutsche in Nordschleswig nach
dem Grundsätze verfahren, man solle aus dem persönlichen Verkehr die poli¬
tischen Gegensätze fernhalten. Ich habe gefunden, daß ganz gut ein Verkehr
mit den Dänen in geschäftlichen und sonstigen neutralen Angelegenheiten mög¬
lich war, wobei man sich beiderseits darüber verständigte, politische Fragen
nicht zu berühren, um die Einigkeit nicht zu stören. Ich entsinne mich noch
eines bezeichnenden Vorfalls. Ein kleinerer landwirtschaftlicher Verein, mehrere
Kirchspiele umfassend, war ans dem Grundsatz der Neutralität in politischen
Dingen errichtet worden. Als nun auf einer von diesem Verein angestellten
Tierschan ein junger dänischer Bauer, der des süßen Kaffeepunsches etwas zu
viel genossen hatte, mit einem Deutschen anbändeln wollte, wurde er sofort
von ältern Parteifreunden an die Statuten des Vereins erinnert.

Es ist richtig, daß die Führer der dänischen Agitation darüber anders
denken und einen Verkehr, der zur Abschleifung der nationalen Gegensätze dient,
nicht gern sehen. Ist denn aber von deutscher Seite das Mögliche geschehen,
den Frieden zu fördern? Alle Nachrichten, die mir aus Nordschleswig zu¬
kommen, lassen erkennen, daß in dieser Hinsicht nicht Fortschritte, sondern Rück¬
schritte gemacht worden sind, daß die nationalen Gegensätze jetzt schärfer hervor¬
treten als damals. Ich schreibe dies nicht einer Änderung des dänischen Volks¬
charakters zu, sondern den von deutscher Seite begangneu Fehlern. Die Dünen
sind nicht bösartiger geworden, aber ihr Nationalgefühl ist einer den deutschen
Interessen wenig dienlichen Weise gereizt worden.

Davon wollen natürlich Herr Strackerjahn und seine politischen Freunde
nichts hören. In ihren Augen ist der Deutsche der Mustermensch, dem alles,
was er thut, wohl ansteht. Und das Verfahren der Negierung zu bemäkeln,
würde nach ihrer Ansicht ein sträfliches Verleugnen des Nationalgefühls be¬
deuten. Herr Strackerjahn, der den Dänen ein so langes Sündenverzeichnis
vorhält, hat für das Verhalten der Deutschen nur Worte des Lobes. Und
wenn er an dem in Nordschleswig bestehenden Regierungssystem etwas aus¬
zusetzen findet, so ist es nur das, daß in unsrer leider allzu weit fortgeschrittnen
Zeit sich ein Regierungssystem. wie es seinen Wünschen entsprechen würde,


Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit

deutschen Vaterlande. Ich habe mitunter nach längerm Verkehr mit dem einen
oder andern nicht gewußt und erst durch gelegentliches Befragen bei andern
erfahren, ob er ein Deutscher oder ein Däne war. Komme ich aber mit einem
Antisemiten zusammen, fo weiß ich nach fünf Minnten, wie sein Programm
lautet.

Es ist gewiß Sache des Temperaments, wie man sich im Verkehr mit
politischen Gegnern benimmt. Das aber dürfte feststehen, daß eine vorlaute
Art, bei jeder Gelegenheit den Gegnern gegenüber die politische Überzeugung
zu vertreten, namentlich wenn es mit starkem Selbstbewußtsein geschieht, mehr
Schaden als Nutzen schafft, daß zudringliche Bekehrungsversuche meistens ab¬
stoßend wirken. Ich weiß, daß auch andre Deutsche in Nordschleswig nach
dem Grundsätze verfahren, man solle aus dem persönlichen Verkehr die poli¬
tischen Gegensätze fernhalten. Ich habe gefunden, daß ganz gut ein Verkehr
mit den Dänen in geschäftlichen und sonstigen neutralen Angelegenheiten mög¬
lich war, wobei man sich beiderseits darüber verständigte, politische Fragen
nicht zu berühren, um die Einigkeit nicht zu stören. Ich entsinne mich noch
eines bezeichnenden Vorfalls. Ein kleinerer landwirtschaftlicher Verein, mehrere
Kirchspiele umfassend, war ans dem Grundsatz der Neutralität in politischen
Dingen errichtet worden. Als nun auf einer von diesem Verein angestellten
Tierschan ein junger dänischer Bauer, der des süßen Kaffeepunsches etwas zu
viel genossen hatte, mit einem Deutschen anbändeln wollte, wurde er sofort
von ältern Parteifreunden an die Statuten des Vereins erinnert.

Es ist richtig, daß die Führer der dänischen Agitation darüber anders
denken und einen Verkehr, der zur Abschleifung der nationalen Gegensätze dient,
nicht gern sehen. Ist denn aber von deutscher Seite das Mögliche geschehen,
den Frieden zu fördern? Alle Nachrichten, die mir aus Nordschleswig zu¬
kommen, lassen erkennen, daß in dieser Hinsicht nicht Fortschritte, sondern Rück¬
schritte gemacht worden sind, daß die nationalen Gegensätze jetzt schärfer hervor¬
treten als damals. Ich schreibe dies nicht einer Änderung des dänischen Volks¬
charakters zu, sondern den von deutscher Seite begangneu Fehlern. Die Dünen
sind nicht bösartiger geworden, aber ihr Nationalgefühl ist einer den deutschen
Interessen wenig dienlichen Weise gereizt worden.

Davon wollen natürlich Herr Strackerjahn und seine politischen Freunde
nichts hören. In ihren Augen ist der Deutsche der Mustermensch, dem alles,
was er thut, wohl ansteht. Und das Verfahren der Negierung zu bemäkeln,
würde nach ihrer Ansicht ein sträfliches Verleugnen des Nationalgefühls be¬
deuten. Herr Strackerjahn, der den Dänen ein so langes Sündenverzeichnis
vorhält, hat für das Verhalten der Deutschen nur Worte des Lobes. Und
wenn er an dem in Nordschleswig bestehenden Regierungssystem etwas aus¬
zusetzen findet, so ist es nur das, daß in unsrer leider allzu weit fortgeschrittnen
Zeit sich ein Regierungssystem. wie es seinen Wünschen entsprechen würde,


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[0551] Gin Wort zum deutsch-dänischen Streit deutschen Vaterlande. Ich habe mitunter nach längerm Verkehr mit dem einen oder andern nicht gewußt und erst durch gelegentliches Befragen bei andern erfahren, ob er ein Deutscher oder ein Däne war. Komme ich aber mit einem Antisemiten zusammen, fo weiß ich nach fünf Minnten, wie sein Programm lautet. Es ist gewiß Sache des Temperaments, wie man sich im Verkehr mit politischen Gegnern benimmt. Das aber dürfte feststehen, daß eine vorlaute Art, bei jeder Gelegenheit den Gegnern gegenüber die politische Überzeugung zu vertreten, namentlich wenn es mit starkem Selbstbewußtsein geschieht, mehr Schaden als Nutzen schafft, daß zudringliche Bekehrungsversuche meistens ab¬ stoßend wirken. Ich weiß, daß auch andre Deutsche in Nordschleswig nach dem Grundsätze verfahren, man solle aus dem persönlichen Verkehr die poli¬ tischen Gegensätze fernhalten. Ich habe gefunden, daß ganz gut ein Verkehr mit den Dänen in geschäftlichen und sonstigen neutralen Angelegenheiten mög¬ lich war, wobei man sich beiderseits darüber verständigte, politische Fragen nicht zu berühren, um die Einigkeit nicht zu stören. Ich entsinne mich noch eines bezeichnenden Vorfalls. Ein kleinerer landwirtschaftlicher Verein, mehrere Kirchspiele umfassend, war ans dem Grundsatz der Neutralität in politischen Dingen errichtet worden. Als nun auf einer von diesem Verein angestellten Tierschan ein junger dänischer Bauer, der des süßen Kaffeepunsches etwas zu viel genossen hatte, mit einem Deutschen anbändeln wollte, wurde er sofort von ältern Parteifreunden an die Statuten des Vereins erinnert. Es ist richtig, daß die Führer der dänischen Agitation darüber anders denken und einen Verkehr, der zur Abschleifung der nationalen Gegensätze dient, nicht gern sehen. Ist denn aber von deutscher Seite das Mögliche geschehen, den Frieden zu fördern? Alle Nachrichten, die mir aus Nordschleswig zu¬ kommen, lassen erkennen, daß in dieser Hinsicht nicht Fortschritte, sondern Rück¬ schritte gemacht worden sind, daß die nationalen Gegensätze jetzt schärfer hervor¬ treten als damals. Ich schreibe dies nicht einer Änderung des dänischen Volks¬ charakters zu, sondern den von deutscher Seite begangneu Fehlern. Die Dünen sind nicht bösartiger geworden, aber ihr Nationalgefühl ist einer den deutschen Interessen wenig dienlichen Weise gereizt worden. Davon wollen natürlich Herr Strackerjahn und seine politischen Freunde nichts hören. In ihren Augen ist der Deutsche der Mustermensch, dem alles, was er thut, wohl ansteht. Und das Verfahren der Negierung zu bemäkeln, würde nach ihrer Ansicht ein sträfliches Verleugnen des Nationalgefühls be¬ deuten. Herr Strackerjahn, der den Dänen ein so langes Sündenverzeichnis vorhält, hat für das Verhalten der Deutschen nur Worte des Lobes. Und wenn er an dem in Nordschleswig bestehenden Regierungssystem etwas aus¬ zusetzen findet, so ist es nur das, daß in unsrer leider allzu weit fortgeschrittnen Zeit sich ein Regierungssystem. wie es seinen Wünschen entsprechen würde,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/551>, abgerufen am 25.06.2024.