Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Noch einmal das deutsche Reich und die Kurie

Mancher denkt dann, wenn er sich nach den ersten überraschenden Eindrücken
wieder zurechtgefunden hat, in diesen Dingen, die doch schließlich nur Äußer¬
lichkeiten sind, mehr erfaßt zu haben als seine Mitmenschen und tritt bald
als ihr Lehrer auf. Das giebt die vielen unberufner Verfasser von Korre¬
spondenzen aus Rom sür unsre deutschen Zeitungen. Die Herren sind meistens
noch recht jung, manchmal nur Monatsreisende und treiben alle ihr luftiges
Gewerbe im Nebenamt. Das höchste ihres Ehrgeizes und zugleich ihrer Thor¬
heit pflegen Mitteilungen über den Vatikan zu sein. Kluge Katholiken und
die Eingeweihten überhaupt lächeln darüber, und in manchen Zeitungsredak¬
tionen saßt man diese Schriftsteller von vornherein nur komisch auf. Gleich¬
wohl werden diese Korrespondenzen bis auf den heutigen Tag weitergedruckt.
Sie sind ein Stück jener Unkenntnis von Rom, über die wir hier reden.

Vor vielen Jahren kannte ich einen fröhlichen Gesellen, der von seinem
ganz besondern Lebensstandpunkt aus die Kurie ansah und zwar durchaus
richtig, und der sehr unterhaltend und lehrreich über diese Dinge zu sprechen
wußte. "Soll sich doch keiner dieser Gelbschnäbel einbilden, sagte er manchmal,
daß auch nur der geringste Prete oder Abbatino irgend etwas aus dem Vatikan
einem mitteilt, dessen er nicht ganz sicher ist, geschweige denn einem, den er
in dem Verdacht hat, daß er etwas in eine Zeitung schreiben werde. Mir
würden sie schon etwas sagen, denn sie wissen, ich treibe solche Thorheiten
nicht und habe weiter keinen Ehrgeiz als jahraus jahrein meine Handschriften
zu wälzen." Und dann gestikulirte er mit seiner schmalen, weißen, aristokra¬
tischen Hand und stellte, lebhaft nachahmend, dar, wie er bisweilen der Ehre
teilhaftig würde, daß einer der klugen Monsignori die Hand unter seinen Arm
schiebe und mit ihm vertraulich ein paarmal im Cortile auf und nieder wandle,
sowie wir es manchmal bei Passini oder Heylbuth gemalt sehen, und daß dann
der Schweizer beinahe die Hellebarde vor ihm schultere, wenn er allein in das
Arbeitszimmer zurückkehre. "Ja ja, pflegte er dann zu schließen und strich
dabei seinen langen Schnurrbart, klug sind sie, diese Monsignori, aber sie Wissens
auch, und kein Nordländer, der mit ihnen zu thun hat, soll denken, daß er
klüger sei, wenn er nicht selbst der Düpirte sein will!"




Noch einmal das deutsche Reich und die Kurie

Mancher denkt dann, wenn er sich nach den ersten überraschenden Eindrücken
wieder zurechtgefunden hat, in diesen Dingen, die doch schließlich nur Äußer¬
lichkeiten sind, mehr erfaßt zu haben als seine Mitmenschen und tritt bald
als ihr Lehrer auf. Das giebt die vielen unberufner Verfasser von Korre¬
spondenzen aus Rom sür unsre deutschen Zeitungen. Die Herren sind meistens
noch recht jung, manchmal nur Monatsreisende und treiben alle ihr luftiges
Gewerbe im Nebenamt. Das höchste ihres Ehrgeizes und zugleich ihrer Thor¬
heit pflegen Mitteilungen über den Vatikan zu sein. Kluge Katholiken und
die Eingeweihten überhaupt lächeln darüber, und in manchen Zeitungsredak¬
tionen saßt man diese Schriftsteller von vornherein nur komisch auf. Gleich¬
wohl werden diese Korrespondenzen bis auf den heutigen Tag weitergedruckt.
Sie sind ein Stück jener Unkenntnis von Rom, über die wir hier reden.

Vor vielen Jahren kannte ich einen fröhlichen Gesellen, der von seinem
ganz besondern Lebensstandpunkt aus die Kurie ansah und zwar durchaus
richtig, und der sehr unterhaltend und lehrreich über diese Dinge zu sprechen
wußte. „Soll sich doch keiner dieser Gelbschnäbel einbilden, sagte er manchmal,
daß auch nur der geringste Prete oder Abbatino irgend etwas aus dem Vatikan
einem mitteilt, dessen er nicht ganz sicher ist, geschweige denn einem, den er
in dem Verdacht hat, daß er etwas in eine Zeitung schreiben werde. Mir
würden sie schon etwas sagen, denn sie wissen, ich treibe solche Thorheiten
nicht und habe weiter keinen Ehrgeiz als jahraus jahrein meine Handschriften
zu wälzen." Und dann gestikulirte er mit seiner schmalen, weißen, aristokra¬
tischen Hand und stellte, lebhaft nachahmend, dar, wie er bisweilen der Ehre
teilhaftig würde, daß einer der klugen Monsignori die Hand unter seinen Arm
schiebe und mit ihm vertraulich ein paarmal im Cortile auf und nieder wandle,
sowie wir es manchmal bei Passini oder Heylbuth gemalt sehen, und daß dann
der Schweizer beinahe die Hellebarde vor ihm schultere, wenn er allein in das
Arbeitszimmer zurückkehre. „Ja ja, pflegte er dann zu schließen und strich
dabei seinen langen Schnurrbart, klug sind sie, diese Monsignori, aber sie Wissens
auch, und kein Nordländer, der mit ihnen zu thun hat, soll denken, daß er
klüger sei, wenn er nicht selbst der Düpirte sein will!"




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0542" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222846"/>
          <fw type="header" place="top"> Noch einmal das deutsche Reich und die Kurie</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1562" prev="#ID_1561"> Mancher denkt dann, wenn er sich nach den ersten überraschenden Eindrücken<lb/>
wieder zurechtgefunden hat, in diesen Dingen, die doch schließlich nur Äußer¬<lb/>
lichkeiten sind, mehr erfaßt zu haben als seine Mitmenschen und tritt bald<lb/>
als ihr Lehrer auf. Das giebt die vielen unberufner Verfasser von Korre¬<lb/>
spondenzen aus Rom sür unsre deutschen Zeitungen. Die Herren sind meistens<lb/>
noch recht jung, manchmal nur Monatsreisende und treiben alle ihr luftiges<lb/>
Gewerbe im Nebenamt. Das höchste ihres Ehrgeizes und zugleich ihrer Thor¬<lb/>
heit pflegen Mitteilungen über den Vatikan zu sein. Kluge Katholiken und<lb/>
die Eingeweihten überhaupt lächeln darüber, und in manchen Zeitungsredak¬<lb/>
tionen saßt man diese Schriftsteller von vornherein nur komisch auf. Gleich¬<lb/>
wohl werden diese Korrespondenzen bis auf den heutigen Tag weitergedruckt.<lb/>
Sie sind ein Stück jener Unkenntnis von Rom, über die wir hier reden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1563"> Vor vielen Jahren kannte ich einen fröhlichen Gesellen, der von seinem<lb/>
ganz besondern Lebensstandpunkt aus die Kurie ansah und zwar durchaus<lb/>
richtig, und der sehr unterhaltend und lehrreich über diese Dinge zu sprechen<lb/>
wußte. &#x201E;Soll sich doch keiner dieser Gelbschnäbel einbilden, sagte er manchmal,<lb/>
daß auch nur der geringste Prete oder Abbatino irgend etwas aus dem Vatikan<lb/>
einem mitteilt, dessen er nicht ganz sicher ist, geschweige denn einem, den er<lb/>
in dem Verdacht hat, daß er etwas in eine Zeitung schreiben werde. Mir<lb/>
würden sie schon etwas sagen, denn sie wissen, ich treibe solche Thorheiten<lb/>
nicht und habe weiter keinen Ehrgeiz als jahraus jahrein meine Handschriften<lb/>
zu wälzen." Und dann gestikulirte er mit seiner schmalen, weißen, aristokra¬<lb/>
tischen Hand und stellte, lebhaft nachahmend, dar, wie er bisweilen der Ehre<lb/>
teilhaftig würde, daß einer der klugen Monsignori die Hand unter seinen Arm<lb/>
schiebe und mit ihm vertraulich ein paarmal im Cortile auf und nieder wandle,<lb/>
sowie wir es manchmal bei Passini oder Heylbuth gemalt sehen, und daß dann<lb/>
der Schweizer beinahe die Hellebarde vor ihm schultere, wenn er allein in das<lb/>
Arbeitszimmer zurückkehre. &#x201E;Ja ja, pflegte er dann zu schließen und strich<lb/>
dabei seinen langen Schnurrbart, klug sind sie, diese Monsignori, aber sie Wissens<lb/>
auch, und kein Nordländer, der mit ihnen zu thun hat, soll denken, daß er<lb/>
klüger sei, wenn er nicht selbst der Düpirte sein will!"</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0542] Noch einmal das deutsche Reich und die Kurie Mancher denkt dann, wenn er sich nach den ersten überraschenden Eindrücken wieder zurechtgefunden hat, in diesen Dingen, die doch schließlich nur Äußer¬ lichkeiten sind, mehr erfaßt zu haben als seine Mitmenschen und tritt bald als ihr Lehrer auf. Das giebt die vielen unberufner Verfasser von Korre¬ spondenzen aus Rom sür unsre deutschen Zeitungen. Die Herren sind meistens noch recht jung, manchmal nur Monatsreisende und treiben alle ihr luftiges Gewerbe im Nebenamt. Das höchste ihres Ehrgeizes und zugleich ihrer Thor¬ heit pflegen Mitteilungen über den Vatikan zu sein. Kluge Katholiken und die Eingeweihten überhaupt lächeln darüber, und in manchen Zeitungsredak¬ tionen saßt man diese Schriftsteller von vornherein nur komisch auf. Gleich¬ wohl werden diese Korrespondenzen bis auf den heutigen Tag weitergedruckt. Sie sind ein Stück jener Unkenntnis von Rom, über die wir hier reden. Vor vielen Jahren kannte ich einen fröhlichen Gesellen, der von seinem ganz besondern Lebensstandpunkt aus die Kurie ansah und zwar durchaus richtig, und der sehr unterhaltend und lehrreich über diese Dinge zu sprechen wußte. „Soll sich doch keiner dieser Gelbschnäbel einbilden, sagte er manchmal, daß auch nur der geringste Prete oder Abbatino irgend etwas aus dem Vatikan einem mitteilt, dessen er nicht ganz sicher ist, geschweige denn einem, den er in dem Verdacht hat, daß er etwas in eine Zeitung schreiben werde. Mir würden sie schon etwas sagen, denn sie wissen, ich treibe solche Thorheiten nicht und habe weiter keinen Ehrgeiz als jahraus jahrein meine Handschriften zu wälzen." Und dann gestikulirte er mit seiner schmalen, weißen, aristokra¬ tischen Hand und stellte, lebhaft nachahmend, dar, wie er bisweilen der Ehre teilhaftig würde, daß einer der klugen Monsignori die Hand unter seinen Arm schiebe und mit ihm vertraulich ein paarmal im Cortile auf und nieder wandle, sowie wir es manchmal bei Passini oder Heylbuth gemalt sehen, und daß dann der Schweizer beinahe die Hellebarde vor ihm schultere, wenn er allein in das Arbeitszimmer zurückkehre. „Ja ja, pflegte er dann zu schließen und strich dabei seinen langen Schnurrbart, klug sind sie, diese Monsignori, aber sie Wissens auch, und kein Nordländer, der mit ihnen zu thun hat, soll denken, daß er klüger sei, wenn er nicht selbst der Düpirte sein will!"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/542
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/542>, abgerufen am 25.06.2024.