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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Noch einmal das deutsche Reich und die Aurie

kündet wurde," und: "Man hat die Machtmittel der Kurie unterschützt bei der
Eröffnung des Kulturkampfes." Ich weiß nicht, ob das so ganz zu meinen
Wahrnehmungen stimmen wird. Doch ich gehe zur Sache.

Im Winter 1371/72, also anderthalb Jahre vor deu Maigesetzen hatte
ich zufällig Gelegenheit, einen öffentlichen Vortrag über das letzte vati¬
kanische Konzil zu hören von einem unsrer ersten Kirchenrechtslehrer. Die
Verkündigung des Dogmas durch Pius IX. am Abend des 18. Juli 1870 in
Sankt Peter unter dem Beifall einiger piepsenden Nonnen wurde als der
folgenlose Abschluß einer prächtigen, nichts bedeutenden Maskerade geschildert.
Von irgend welchen weitern Absichten der Kurie oder gar von deren Über¬
schätzung war da nichts zu Spuren, weder bei dem Vortragenden, der doch für
einen hervorragenden Kenner des katholischen Kirchenrechts galt, noch bei seinem
sehr intelligenten, aus den besten Kreisen zusammengesetzten Publikum, dem die
"Piepsenden Nonnen" das meiste Vergnügen zu bereiten schienen. Mehrere
Jahre später, nach der Annahme der Maigesetze, brachten dann die Zeitungen
aus München wieder einmal eine ihrer Mitteilungen über den päpstlichen
Nuntius (es war damals Jacobini) und meldeten zugleich, vom preußischen
Kultusminister sei der Rat Soundso zu einer Besprechung hingeschickt worden.
In einer Abendgesellschaft, wo darauf die Rede kam, meinte ein Anwesender:
"Ach, wenn sie keinen gefährlichern Gegner haben für den schlauen Monsignore,
als meinen Freund dann thun mir die Maigesetze leid." Der so sprach,
war ein kluger Mann, und "seinen Freund" pflegte er in solchem Znscnnmen-
hauge jemanden zu neunen, wenn er von ihm, mochte dieser auch im übrigen
ebenfalls recht klug und vortrefflich sein, durch das Prädikat und ein be¬
gleitendes unendlich komisches Lächeln ausdrücken wollte, daß der betreffende
in besagtem Falle eine fragwürdige Rolle spiele. Und dann setzte er uns aus¬
einander, daß solche Leute, die einem solchen Monsiguore gewachsen wären,
wahrscheinlich überhaupt in keinem deutschen Kultusministerium zu finden
wären, möchten sie nun Geheimräte heißen oder nicht. Das müßten entweder
hochgebildete katholische Geistliche sein oder, da es damit für derartige Missionen
in dem protestantischen Preußen wohl seine Schwierigkeit haben würde, be¬
sondre Talente, vornehme Kenner der Verhältnisse. Ob es die aber jetzt gebe,
wisse er nicht. "So gut sie den aber hinschicken, könnten sie mich auch schicken,"
meinte er zuletzt, und bis auf diesen Schluß, für dessen Nichtigkeit niemand
einstehen kann, wird man, auch ohne etwas weiter von diesem meinem Ge¬
währsmann oder von jenem Geheimrat zu wissen, heute wohl zugeben, daß
das richtig geurteilt war. Der Mann war jedoch kein Kirchenrechtslehrer,
aber er hatte als Evangelischer unter Katholiken am Rhein gelebt, und die
Macht Roms und ihre äußern Zeichen hatte er mit seineu klugen Augen auch
öfter an ihrem Muttersitz betrachten können.

Damals war ich schon selbst in der Lage, jenen Ansichten, die in der


Noch einmal das deutsche Reich und die Aurie

kündet wurde," und: „Man hat die Machtmittel der Kurie unterschützt bei der
Eröffnung des Kulturkampfes." Ich weiß nicht, ob das so ganz zu meinen
Wahrnehmungen stimmen wird. Doch ich gehe zur Sache.

Im Winter 1371/72, also anderthalb Jahre vor deu Maigesetzen hatte
ich zufällig Gelegenheit, einen öffentlichen Vortrag über das letzte vati¬
kanische Konzil zu hören von einem unsrer ersten Kirchenrechtslehrer. Die
Verkündigung des Dogmas durch Pius IX. am Abend des 18. Juli 1870 in
Sankt Peter unter dem Beifall einiger piepsenden Nonnen wurde als der
folgenlose Abschluß einer prächtigen, nichts bedeutenden Maskerade geschildert.
Von irgend welchen weitern Absichten der Kurie oder gar von deren Über¬
schätzung war da nichts zu Spuren, weder bei dem Vortragenden, der doch für
einen hervorragenden Kenner des katholischen Kirchenrechts galt, noch bei seinem
sehr intelligenten, aus den besten Kreisen zusammengesetzten Publikum, dem die
„Piepsenden Nonnen" das meiste Vergnügen zu bereiten schienen. Mehrere
Jahre später, nach der Annahme der Maigesetze, brachten dann die Zeitungen
aus München wieder einmal eine ihrer Mitteilungen über den päpstlichen
Nuntius (es war damals Jacobini) und meldeten zugleich, vom preußischen
Kultusminister sei der Rat Soundso zu einer Besprechung hingeschickt worden.
In einer Abendgesellschaft, wo darauf die Rede kam, meinte ein Anwesender:
„Ach, wenn sie keinen gefährlichern Gegner haben für den schlauen Monsignore,
als meinen Freund dann thun mir die Maigesetze leid." Der so sprach,
war ein kluger Mann, und „seinen Freund" pflegte er in solchem Znscnnmen-
hauge jemanden zu neunen, wenn er von ihm, mochte dieser auch im übrigen
ebenfalls recht klug und vortrefflich sein, durch das Prädikat und ein be¬
gleitendes unendlich komisches Lächeln ausdrücken wollte, daß der betreffende
in besagtem Falle eine fragwürdige Rolle spiele. Und dann setzte er uns aus¬
einander, daß solche Leute, die einem solchen Monsiguore gewachsen wären,
wahrscheinlich überhaupt in keinem deutschen Kultusministerium zu finden
wären, möchten sie nun Geheimräte heißen oder nicht. Das müßten entweder
hochgebildete katholische Geistliche sein oder, da es damit für derartige Missionen
in dem protestantischen Preußen wohl seine Schwierigkeit haben würde, be¬
sondre Talente, vornehme Kenner der Verhältnisse. Ob es die aber jetzt gebe,
wisse er nicht. „So gut sie den aber hinschicken, könnten sie mich auch schicken,"
meinte er zuletzt, und bis auf diesen Schluß, für dessen Nichtigkeit niemand
einstehen kann, wird man, auch ohne etwas weiter von diesem meinem Ge¬
währsmann oder von jenem Geheimrat zu wissen, heute wohl zugeben, daß
das richtig geurteilt war. Der Mann war jedoch kein Kirchenrechtslehrer,
aber er hatte als Evangelischer unter Katholiken am Rhein gelebt, und die
Macht Roms und ihre äußern Zeichen hatte er mit seineu klugen Augen auch
öfter an ihrem Muttersitz betrachten können.

Damals war ich schon selbst in der Lage, jenen Ansichten, die in der


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[0538] Noch einmal das deutsche Reich und die Aurie kündet wurde," und: „Man hat die Machtmittel der Kurie unterschützt bei der Eröffnung des Kulturkampfes." Ich weiß nicht, ob das so ganz zu meinen Wahrnehmungen stimmen wird. Doch ich gehe zur Sache. Im Winter 1371/72, also anderthalb Jahre vor deu Maigesetzen hatte ich zufällig Gelegenheit, einen öffentlichen Vortrag über das letzte vati¬ kanische Konzil zu hören von einem unsrer ersten Kirchenrechtslehrer. Die Verkündigung des Dogmas durch Pius IX. am Abend des 18. Juli 1870 in Sankt Peter unter dem Beifall einiger piepsenden Nonnen wurde als der folgenlose Abschluß einer prächtigen, nichts bedeutenden Maskerade geschildert. Von irgend welchen weitern Absichten der Kurie oder gar von deren Über¬ schätzung war da nichts zu Spuren, weder bei dem Vortragenden, der doch für einen hervorragenden Kenner des katholischen Kirchenrechts galt, noch bei seinem sehr intelligenten, aus den besten Kreisen zusammengesetzten Publikum, dem die „Piepsenden Nonnen" das meiste Vergnügen zu bereiten schienen. Mehrere Jahre später, nach der Annahme der Maigesetze, brachten dann die Zeitungen aus München wieder einmal eine ihrer Mitteilungen über den päpstlichen Nuntius (es war damals Jacobini) und meldeten zugleich, vom preußischen Kultusminister sei der Rat Soundso zu einer Besprechung hingeschickt worden. In einer Abendgesellschaft, wo darauf die Rede kam, meinte ein Anwesender: „Ach, wenn sie keinen gefährlichern Gegner haben für den schlauen Monsignore, als meinen Freund dann thun mir die Maigesetze leid." Der so sprach, war ein kluger Mann, und „seinen Freund" pflegte er in solchem Znscnnmen- hauge jemanden zu neunen, wenn er von ihm, mochte dieser auch im übrigen ebenfalls recht klug und vortrefflich sein, durch das Prädikat und ein be¬ gleitendes unendlich komisches Lächeln ausdrücken wollte, daß der betreffende in besagtem Falle eine fragwürdige Rolle spiele. Und dann setzte er uns aus¬ einander, daß solche Leute, die einem solchen Monsiguore gewachsen wären, wahrscheinlich überhaupt in keinem deutschen Kultusministerium zu finden wären, möchten sie nun Geheimräte heißen oder nicht. Das müßten entweder hochgebildete katholische Geistliche sein oder, da es damit für derartige Missionen in dem protestantischen Preußen wohl seine Schwierigkeit haben würde, be¬ sondre Talente, vornehme Kenner der Verhältnisse. Ob es die aber jetzt gebe, wisse er nicht. „So gut sie den aber hinschicken, könnten sie mich auch schicken," meinte er zuletzt, und bis auf diesen Schluß, für dessen Nichtigkeit niemand einstehen kann, wird man, auch ohne etwas weiter von diesem meinem Ge¬ währsmann oder von jenem Geheimrat zu wissen, heute wohl zugeben, daß das richtig geurteilt war. Der Mann war jedoch kein Kirchenrechtslehrer, aber er hatte als Evangelischer unter Katholiken am Rhein gelebt, und die Macht Roms und ihre äußern Zeichen hatte er mit seineu klugen Augen auch öfter an ihrem Muttersitz betrachten können. Damals war ich schon selbst in der Lage, jenen Ansichten, die in der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/538>, abgerufen am 24.08.2024.