und gehört, manchmal als ein lästiger Zwang empfunden werden mag. Der Arbeiter kann nicht von der Aufgabe entbunden werden, sich selbst sein Aus¬ kommen zu sichern; er ist bei ernstlichem Willen hierzu auch imstande, und wenn er diese Pflicht versäumt, kann ihm kein entsprechender Ersatz durch fremde Hilfe geboten werden- Aber daß diese Pflicht so oft versäumt wird, daran tragen leider Standesvorurteile, die von den Bessergestellten zuerst ge¬ pflegt wurden und nach unten hin ansteckend wirkten, einen großen Teil der Schuld. Das oben erwähnte Mißverhältnis in der Verteilung der Arbeits¬ kräfte auf die einzelnen Arbeitsfächer wäre nicht entstanden, wenn der Stand des Arbeitenden und Dienenden mehr geachtet würde. Dieser Stand selbst würde dann anch besser, leistungsfähiger, treuer sein, denn ihm würden solche Arbeitskräfte zuströmen, die sich jetzt aus falschem Ehrgefühl von ihm fern¬ halten. Nicht durch gesetzlichen Zwang, nur durch Einwirkung auf die Ge¬ sinnung der Menschen wird man gründlich bessern. Zeigt es sich doch auf dem Gebiete der praktischen Gesetzgebung, wie unzulänglich solch gesetzgeberisches Eingreifen ist. Wir brauchen die schlichte, demütige Gesinnung, die das Ar¬ beiten und Dienen nicht als entehrend ansieht. Wir brauchen aber auch bei den obern Ständen mehr Achtung vor der Arbeit und ein kräftigeres Bewußt¬ sein von der allgemeinen menschlichen Verpflichtung zur Thätigkeit. Weil ich über diese vorbildliche Pflicht so früh Belehrung empfing, weil ich die Liebe zur Arbeit um ihrer selbst willen mit ihren wohlthätigen, segensreichen Wir¬ kungen so früh kennen lernte, wage ich getrost, dies eine, was notthut, jedem verfehlten Neformeifer entgegenzustellen, und noch heute erinnere ich mich gern des Wortes, das ich so früh vernahm, wenn es mir damals auch nicht angenehm klang: "De Jung mut weit nützliches dohn."
Der Befähigungsnachweis der akademisch Gebildeten
or einiger Zeit gingen durch die Zeitungen Klagen und Mah¬ nungen, die hochangesehene Universitätslehrer im Kolleg über das geringe wissenschaftliche Streben vieler Studenten geäußert hatten. Jeder Kundige und Verständige konnte die ernsten Worte nur mit aufrichtiger Freude lesen und mit dem Wunsche, daß sie die verdiente Beherzigung finden möchten. Das Übel, gegen das sie ge¬ richtet waren, besteht thatsächlich, und wahrhaftig nicht zur Zierde und Ehre unsrer Hochschulen. Aber es ist ihm schwer abzuhelfen. Bloße Mahnungen
Der Befähigungsnachweis der akademisch Gebildeten
und gehört, manchmal als ein lästiger Zwang empfunden werden mag. Der Arbeiter kann nicht von der Aufgabe entbunden werden, sich selbst sein Aus¬ kommen zu sichern; er ist bei ernstlichem Willen hierzu auch imstande, und wenn er diese Pflicht versäumt, kann ihm kein entsprechender Ersatz durch fremde Hilfe geboten werden- Aber daß diese Pflicht so oft versäumt wird, daran tragen leider Standesvorurteile, die von den Bessergestellten zuerst ge¬ pflegt wurden und nach unten hin ansteckend wirkten, einen großen Teil der Schuld. Das oben erwähnte Mißverhältnis in der Verteilung der Arbeits¬ kräfte auf die einzelnen Arbeitsfächer wäre nicht entstanden, wenn der Stand des Arbeitenden und Dienenden mehr geachtet würde. Dieser Stand selbst würde dann anch besser, leistungsfähiger, treuer sein, denn ihm würden solche Arbeitskräfte zuströmen, die sich jetzt aus falschem Ehrgefühl von ihm fern¬ halten. Nicht durch gesetzlichen Zwang, nur durch Einwirkung auf die Ge¬ sinnung der Menschen wird man gründlich bessern. Zeigt es sich doch auf dem Gebiete der praktischen Gesetzgebung, wie unzulänglich solch gesetzgeberisches Eingreifen ist. Wir brauchen die schlichte, demütige Gesinnung, die das Ar¬ beiten und Dienen nicht als entehrend ansieht. Wir brauchen aber auch bei den obern Ständen mehr Achtung vor der Arbeit und ein kräftigeres Bewußt¬ sein von der allgemeinen menschlichen Verpflichtung zur Thätigkeit. Weil ich über diese vorbildliche Pflicht so früh Belehrung empfing, weil ich die Liebe zur Arbeit um ihrer selbst willen mit ihren wohlthätigen, segensreichen Wir¬ kungen so früh kennen lernte, wage ich getrost, dies eine, was notthut, jedem verfehlten Neformeifer entgegenzustellen, und noch heute erinnere ich mich gern des Wortes, das ich so früh vernahm, wenn es mir damals auch nicht angenehm klang: „De Jung mut weit nützliches dohn."
Der Befähigungsnachweis der akademisch Gebildeten
or einiger Zeit gingen durch die Zeitungen Klagen und Mah¬ nungen, die hochangesehene Universitätslehrer im Kolleg über das geringe wissenschaftliche Streben vieler Studenten geäußert hatten. Jeder Kundige und Verständige konnte die ernsten Worte nur mit aufrichtiger Freude lesen und mit dem Wunsche, daß sie die verdiente Beherzigung finden möchten. Das Übel, gegen das sie ge¬ richtet waren, besteht thatsächlich, und wahrhaftig nicht zur Zierde und Ehre unsrer Hochschulen. Aber es ist ihm schwer abzuhelfen. Bloße Mahnungen
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Der Befähigungsnachweis der akademisch Gebildeten
und gehört, manchmal als ein lästiger Zwang empfunden werden mag. Der
Arbeiter kann nicht von der Aufgabe entbunden werden, sich selbst sein Aus¬
kommen zu sichern; er ist bei ernstlichem Willen hierzu auch imstande, und
wenn er diese Pflicht versäumt, kann ihm kein entsprechender Ersatz durch
fremde Hilfe geboten werden- Aber daß diese Pflicht so oft versäumt wird,
daran tragen leider Standesvorurteile, die von den Bessergestellten zuerst ge¬
pflegt wurden und nach unten hin ansteckend wirkten, einen großen Teil der
Schuld. Das oben erwähnte Mißverhältnis in der Verteilung der Arbeits¬
kräfte auf die einzelnen Arbeitsfächer wäre nicht entstanden, wenn der Stand
des Arbeitenden und Dienenden mehr geachtet würde. Dieser Stand selbst
würde dann anch besser, leistungsfähiger, treuer sein, denn ihm würden solche
Arbeitskräfte zuströmen, die sich jetzt aus falschem Ehrgefühl von ihm fern¬
halten. Nicht durch gesetzlichen Zwang, nur durch Einwirkung auf die Ge¬
sinnung der Menschen wird man gründlich bessern. Zeigt es sich doch auf
dem Gebiete der praktischen Gesetzgebung, wie unzulänglich solch gesetzgeberisches
Eingreifen ist. Wir brauchen die schlichte, demütige Gesinnung, die das Ar¬
beiten und Dienen nicht als entehrend ansieht. Wir brauchen aber auch bei
den obern Ständen mehr Achtung vor der Arbeit und ein kräftigeres Bewußt¬
sein von der allgemeinen menschlichen Verpflichtung zur Thätigkeit. Weil ich
über diese vorbildliche Pflicht so früh Belehrung empfing, weil ich die Liebe
zur Arbeit um ihrer selbst willen mit ihren wohlthätigen, segensreichen Wir¬
kungen so früh kennen lernte, wage ich getrost, dies eine, was notthut, jedem
verfehlten Neformeifer entgegenzustellen, und noch heute erinnere ich mich gern
des Wortes, das ich so früh vernahm, wenn es mir damals auch nicht angenehm
klang: „De Jung mut weit nützliches dohn."
Der Befähigungsnachweis der akademisch Gebildeten
or einiger Zeit gingen durch die Zeitungen Klagen und Mah¬
nungen, die hochangesehene Universitätslehrer im Kolleg über
das geringe wissenschaftliche Streben vieler Studenten geäußert
hatten. Jeder Kundige und Verständige konnte die ernsten Worte
nur mit aufrichtiger Freude lesen und mit dem Wunsche, daß
sie die verdiente Beherzigung finden möchten. Das Übel, gegen das sie ge¬
richtet waren, besteht thatsächlich, und wahrhaftig nicht zur Zierde und Ehre
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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/462>, abgerufen am 24.01.2025.
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