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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Zum Börsengesetzentwurf

verkauft hat; erst dann kann er ja zu einer Differenz, einem Gewinn kommen.
Hat er vorher durch seine großen Verkäufe den Markt geworfen, so muß er
ihn natürlich durch seine ebenso großen Rückkäufe wieder heben -- immer
vorausgesetzt, daß der Markt so leicht zu beeinflussen ist, wie die Gegner des
Terminhandels behaupten --, und schließlich werden die Rückkäufe zu immer
höhern Preisen stattfinden müssen, und der Gewinn ist weg. So müßte die
Sache mit unbedingter Notwendigkeit kommen, wenn ein Spekulant imstande
wäre, den Getreidemarkt auf die Dauer wirksam zu beeinflussen. In Wahr¬
heit beherrschen auch im Terminhandel Angebot und Nachfrage die Preis¬
gestaltung, und die Vergewaltigungen des Marktes sind stets von kurzer Dauer
gewesen und fast durchweg gegen den ausgeschlagen, der sie versuchte. Die
Reichsregierung hat sich denn auch mit aller Entschiedenheit gegen das Verbot
des Getreideterminhandels erklärt und wird wohl dabei beharren. Wenn agra¬
rische Blätter die Verantwortung für ein dadurch etwa herbeizuführendes
Scheitern des ganzen Börsengesetzes der Regierung zuschieben wollen, so heißt
das die Thatsachen auf den Kopf stellen. Die Neichsregierung widersetzt sich
mit Fug und Recht einer falschen, bei der Abhängigkeit der Getreidepreise vom
Weltmarkt zwecklosen, sür Handel und Landwirtschaft gleich schädlichen Ma߬
regel, die vor den Verhandlungen der Reichstagskommission niemals von be¬
rufner Seite verlangt worden ist. scheitert die Vörsenreform an diesem Punkte,
so werden dafür die verantwortlich sein, die aus Verkennung ihrer eignen Inter¬
essen Unmögliches erstreben. Die Landwirte aber mögen das beherzigen, was
von dem Regierungsvertreter in der Kommission treffend ausgeführt wurde:
Nimmt man den laufenden Händlern die Möglichkeit, sich im Termin durch
Verkäufe zu decken und den Preis zu sichern, so steigt natürlich ihr Risiko;
um das auszugleichen, wird der Händler vom produzirenden Landwirt eine
Entschädigung verlangen, die lediglich in einer Herabsetzung der Preise bestehen
kann. Das ist vollkommen richtig.

Die Bestimmungen über das Kommissionsgeschäft haben keine wesentlichen
Änderungen erfahren; nur ist unnötiger- und bedauerlicherweise deu Bestim¬
mungen des Z 68 der Charakter zwingenden Rechts gegeben worden. Durch
zu schroffe Bestimmungen wird aber nur erreicht, daß der -- regelmäßig doch
im Interesse des Kommittenten handelnde -- Kommissionär zum Eigeuhündler
wird, der nur für sich sorgt und von allen Schranken der sür das Kom¬
missionsgeschäft gegebnen Vorschriften frei ist.

In den Straf- und Schlußbestimmungen ist vor allem ein die Presse be¬
treffender Paragraph eingeschaltet worden, der den Mißständen entgegentreten
will, die durch die Benutzung der Presse zur Verbreitung unrichtiger Nach¬
richten entstehen. Die Absicht ist gewiß gut. Ob die gewühlte Fassung glück¬
lich ist, mag dahingestellt bleiben.

Die vorstehenden kurzen Erörterungen, die keinerlei Anspruch auf Voll-


Zum Börsengesetzentwurf

verkauft hat; erst dann kann er ja zu einer Differenz, einem Gewinn kommen.
Hat er vorher durch seine großen Verkäufe den Markt geworfen, so muß er
ihn natürlich durch seine ebenso großen Rückkäufe wieder heben — immer
vorausgesetzt, daß der Markt so leicht zu beeinflussen ist, wie die Gegner des
Terminhandels behaupten —, und schließlich werden die Rückkäufe zu immer
höhern Preisen stattfinden müssen, und der Gewinn ist weg. So müßte die
Sache mit unbedingter Notwendigkeit kommen, wenn ein Spekulant imstande
wäre, den Getreidemarkt auf die Dauer wirksam zu beeinflussen. In Wahr¬
heit beherrschen auch im Terminhandel Angebot und Nachfrage die Preis¬
gestaltung, und die Vergewaltigungen des Marktes sind stets von kurzer Dauer
gewesen und fast durchweg gegen den ausgeschlagen, der sie versuchte. Die
Reichsregierung hat sich denn auch mit aller Entschiedenheit gegen das Verbot
des Getreideterminhandels erklärt und wird wohl dabei beharren. Wenn agra¬
rische Blätter die Verantwortung für ein dadurch etwa herbeizuführendes
Scheitern des ganzen Börsengesetzes der Regierung zuschieben wollen, so heißt
das die Thatsachen auf den Kopf stellen. Die Neichsregierung widersetzt sich
mit Fug und Recht einer falschen, bei der Abhängigkeit der Getreidepreise vom
Weltmarkt zwecklosen, sür Handel und Landwirtschaft gleich schädlichen Ma߬
regel, die vor den Verhandlungen der Reichstagskommission niemals von be¬
rufner Seite verlangt worden ist. scheitert die Vörsenreform an diesem Punkte,
so werden dafür die verantwortlich sein, die aus Verkennung ihrer eignen Inter¬
essen Unmögliches erstreben. Die Landwirte aber mögen das beherzigen, was
von dem Regierungsvertreter in der Kommission treffend ausgeführt wurde:
Nimmt man den laufenden Händlern die Möglichkeit, sich im Termin durch
Verkäufe zu decken und den Preis zu sichern, so steigt natürlich ihr Risiko;
um das auszugleichen, wird der Händler vom produzirenden Landwirt eine
Entschädigung verlangen, die lediglich in einer Herabsetzung der Preise bestehen
kann. Das ist vollkommen richtig.

Die Bestimmungen über das Kommissionsgeschäft haben keine wesentlichen
Änderungen erfahren; nur ist unnötiger- und bedauerlicherweise deu Bestim¬
mungen des Z 68 der Charakter zwingenden Rechts gegeben worden. Durch
zu schroffe Bestimmungen wird aber nur erreicht, daß der — regelmäßig doch
im Interesse des Kommittenten handelnde — Kommissionär zum Eigeuhündler
wird, der nur für sich sorgt und von allen Schranken der sür das Kom¬
missionsgeschäft gegebnen Vorschriften frei ist.

In den Straf- und Schlußbestimmungen ist vor allem ein die Presse be¬
treffender Paragraph eingeschaltet worden, der den Mißständen entgegentreten
will, die durch die Benutzung der Presse zur Verbreitung unrichtiger Nach¬
richten entstehen. Die Absicht ist gewiß gut. Ob die gewühlte Fassung glück¬
lich ist, mag dahingestellt bleiben.

Die vorstehenden kurzen Erörterungen, die keinerlei Anspruch auf Voll-


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[0206] Zum Börsengesetzentwurf verkauft hat; erst dann kann er ja zu einer Differenz, einem Gewinn kommen. Hat er vorher durch seine großen Verkäufe den Markt geworfen, so muß er ihn natürlich durch seine ebenso großen Rückkäufe wieder heben — immer vorausgesetzt, daß der Markt so leicht zu beeinflussen ist, wie die Gegner des Terminhandels behaupten —, und schließlich werden die Rückkäufe zu immer höhern Preisen stattfinden müssen, und der Gewinn ist weg. So müßte die Sache mit unbedingter Notwendigkeit kommen, wenn ein Spekulant imstande wäre, den Getreidemarkt auf die Dauer wirksam zu beeinflussen. In Wahr¬ heit beherrschen auch im Terminhandel Angebot und Nachfrage die Preis¬ gestaltung, und die Vergewaltigungen des Marktes sind stets von kurzer Dauer gewesen und fast durchweg gegen den ausgeschlagen, der sie versuchte. Die Reichsregierung hat sich denn auch mit aller Entschiedenheit gegen das Verbot des Getreideterminhandels erklärt und wird wohl dabei beharren. Wenn agra¬ rische Blätter die Verantwortung für ein dadurch etwa herbeizuführendes Scheitern des ganzen Börsengesetzes der Regierung zuschieben wollen, so heißt das die Thatsachen auf den Kopf stellen. Die Neichsregierung widersetzt sich mit Fug und Recht einer falschen, bei der Abhängigkeit der Getreidepreise vom Weltmarkt zwecklosen, sür Handel und Landwirtschaft gleich schädlichen Ma߬ regel, die vor den Verhandlungen der Reichstagskommission niemals von be¬ rufner Seite verlangt worden ist. scheitert die Vörsenreform an diesem Punkte, so werden dafür die verantwortlich sein, die aus Verkennung ihrer eignen Inter¬ essen Unmögliches erstreben. Die Landwirte aber mögen das beherzigen, was von dem Regierungsvertreter in der Kommission treffend ausgeführt wurde: Nimmt man den laufenden Händlern die Möglichkeit, sich im Termin durch Verkäufe zu decken und den Preis zu sichern, so steigt natürlich ihr Risiko; um das auszugleichen, wird der Händler vom produzirenden Landwirt eine Entschädigung verlangen, die lediglich in einer Herabsetzung der Preise bestehen kann. Das ist vollkommen richtig. Die Bestimmungen über das Kommissionsgeschäft haben keine wesentlichen Änderungen erfahren; nur ist unnötiger- und bedauerlicherweise deu Bestim¬ mungen des Z 68 der Charakter zwingenden Rechts gegeben worden. Durch zu schroffe Bestimmungen wird aber nur erreicht, daß der — regelmäßig doch im Interesse des Kommittenten handelnde — Kommissionär zum Eigeuhündler wird, der nur für sich sorgt und von allen Schranken der sür das Kom¬ missionsgeschäft gegebnen Vorschriften frei ist. In den Straf- und Schlußbestimmungen ist vor allem ein die Presse be¬ treffender Paragraph eingeschaltet worden, der den Mißständen entgegentreten will, die durch die Benutzung der Presse zur Verbreitung unrichtiger Nach¬ richten entstehen. Die Absicht ist gewiß gut. Ob die gewühlte Fassung glück¬ lich ist, mag dahingestellt bleiben. Die vorstehenden kurzen Erörterungen, die keinerlei Anspruch auf Voll-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/206>, abgerufen am 26.06.2024.