Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Neue Romane Besuch basirt, so müssen sie wohl oder übel mitthun, und es ist dem Alten Keiner von ihnen ist nach dem Herzen des Grafen geraten. Tassilo, der In Kneph Nähe tritt alsbald ein junger Maler, Forbeck, aus München, Neue Romane Besuch basirt, so müssen sie wohl oder übel mitthun, und es ist dem Alten Keiner von ihnen ist nach dem Herzen des Grafen geraten. Tassilo, der In Kneph Nähe tritt alsbald ein junger Maler, Forbeck, aus München, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222487"/> <fw type="header" place="top"> Neue Romane</fw><lb/> <p xml:id="ID_509" prev="#ID_508"> Besuch basirt, so müssen sie wohl oder übel mitthun, und es ist dem Alten<lb/> leid, daß keiner ein wirklicher Jäger werden will. Derweile treffen wir Tag<lb/> für Tag unten im Schlosse die Jüngste, ein nettes, begabtes, natürliches<lb/> Mädchen, Kitty, vom alten Grafen die „Schmalgeiß" oder das „Geißlein"<lb/> geheißen, auf deren Schilderung der Dichter große Kunst verwendet hat. Kitty<lb/> ist ohne Mutter. Wir erfahren, daß die längst verstorbne Gräfin unter den<lb/> Launen und Passionen ihres egoistischen Gemahls schwer gelitten, ja wohl<lb/> geradezu daran zu Grunde gegangen sein mag. Eine alte Tante, Gundi, eine<lb/> entfernte Verwandte des Hauses, hat früh den Kindern gegenüber ihre Stelle<lb/> vertreten. Da der Graf selten herunterkommt, so leben die beiden Frauen<lb/> ganz mit einander ihren stillen Beschäftigungen, außer wenn die Brüder aus<lb/> München gekommen sind. Aber gewöhnlich nimmt ja die der Vater gleich mit<lb/> in die Jagdhütte.</p><lb/> <p xml:id="ID_510"> Keiner von ihnen ist nach dem Herzen des Grafen geraten. Tassilo, der<lb/> männliche Hauptcharakter des Romans, ist leider Rechtsanwalt geworden. Er<lb/> ist ganz ohne Vorurteile seines Standes, arbeitet und thut viel gutes. Er ist<lb/> längst materiell unabhängig vom Vater und heimlich mit einer Sängerin verlobt.<lb/> Der Alte durfte das natürlich nicht wissen, aber Kitty, seine Vertraute, ahnt<lb/> es, und allmählich erfährt sie alles von dem Lieblingsbrudcr und bewahrt<lb/> sein Geheimnis. Der zweite Bruder, Robert, ist Leutnant bei den Ulanen,<lb/> ein korrekter junger Mann, der die Ehre seines vornehmen Hanfes in sich<lb/> spazieren trägt und übrigens dem Vater in einem fort Spielschulden zu beichten<lb/> hat. Der dritte ist ein angenehmer, leichtsinniger Kadett.</p><lb/> <p xml:id="ID_511"> In Kneph Nähe tritt alsbald ein junger Maler, Forbeck, aus München,<lb/> der im Dorfe Wohnung genommen hat und drunten seine Studien macht.<lb/> Am Schluß des Romans sind die beiden ein Paar, und dies Ergebnis ist<lb/> das Ziel, zu dem die Handlung hinführt. Aber was liegt alles davor, wie¬<lb/> viel ist noch zu überwinden! Der einzige, bei dem Kitty Verständnis und<lb/> Unterstützung finden könnte, ist der Bruder Tassilo. Aber der ist ohne Ein¬<lb/> fluß. Er ist nun vom Vater verstoßen und enterbe worden, weil er die<lb/> Sängerin wirklich geheiratet hat. Kitty selbst hat sich mit Hilfe des jüngsten<lb/> Bruders heimlich aufgemacht, um bei der Trauung in München zugegen sein<lb/> zu können. Dieser jüngste, der Kadett Willy, lebt nnn anch nicht mehr.<lb/> Gerade als Kitty in München war, verunglückte er in der Nacht durch einen<lb/> Sturz aus dem Fenster bei einem Liebesabenteuer im Dorfe. Der alte Graf<lb/> und das Liefert sowohl, wie deren Eltern wissen, wie es zugegangen ist. Den<lb/> Leuten im Dorf wurde gesagt, der junge Graf sei draußen am Bach gefallen,<lb/> und ein Blutsturz sei dann dazu gekommen. Nun hätte nur uoch der selbst¬<lb/> gerechte, eisige Robert Einfluß auf den Vater. Der würde mehr noch, als<lb/> der Vater, Kneph Gegner sein, wenn sie jetzt von Forbeck sprechen wollte,<lb/> nachdem Tassilo eben erst „so etwas" geheiratet hat.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
Neue Romane
Besuch basirt, so müssen sie wohl oder übel mitthun, und es ist dem Alten
leid, daß keiner ein wirklicher Jäger werden will. Derweile treffen wir Tag
für Tag unten im Schlosse die Jüngste, ein nettes, begabtes, natürliches
Mädchen, Kitty, vom alten Grafen die „Schmalgeiß" oder das „Geißlein"
geheißen, auf deren Schilderung der Dichter große Kunst verwendet hat. Kitty
ist ohne Mutter. Wir erfahren, daß die längst verstorbne Gräfin unter den
Launen und Passionen ihres egoistischen Gemahls schwer gelitten, ja wohl
geradezu daran zu Grunde gegangen sein mag. Eine alte Tante, Gundi, eine
entfernte Verwandte des Hauses, hat früh den Kindern gegenüber ihre Stelle
vertreten. Da der Graf selten herunterkommt, so leben die beiden Frauen
ganz mit einander ihren stillen Beschäftigungen, außer wenn die Brüder aus
München gekommen sind. Aber gewöhnlich nimmt ja die der Vater gleich mit
in die Jagdhütte.
Keiner von ihnen ist nach dem Herzen des Grafen geraten. Tassilo, der
männliche Hauptcharakter des Romans, ist leider Rechtsanwalt geworden. Er
ist ganz ohne Vorurteile seines Standes, arbeitet und thut viel gutes. Er ist
längst materiell unabhängig vom Vater und heimlich mit einer Sängerin verlobt.
Der Alte durfte das natürlich nicht wissen, aber Kitty, seine Vertraute, ahnt
es, und allmählich erfährt sie alles von dem Lieblingsbrudcr und bewahrt
sein Geheimnis. Der zweite Bruder, Robert, ist Leutnant bei den Ulanen,
ein korrekter junger Mann, der die Ehre seines vornehmen Hanfes in sich
spazieren trägt und übrigens dem Vater in einem fort Spielschulden zu beichten
hat. Der dritte ist ein angenehmer, leichtsinniger Kadett.
In Kneph Nähe tritt alsbald ein junger Maler, Forbeck, aus München,
der im Dorfe Wohnung genommen hat und drunten seine Studien macht.
Am Schluß des Romans sind die beiden ein Paar, und dies Ergebnis ist
das Ziel, zu dem die Handlung hinführt. Aber was liegt alles davor, wie¬
viel ist noch zu überwinden! Der einzige, bei dem Kitty Verständnis und
Unterstützung finden könnte, ist der Bruder Tassilo. Aber der ist ohne Ein¬
fluß. Er ist nun vom Vater verstoßen und enterbe worden, weil er die
Sängerin wirklich geheiratet hat. Kitty selbst hat sich mit Hilfe des jüngsten
Bruders heimlich aufgemacht, um bei der Trauung in München zugegen sein
zu können. Dieser jüngste, der Kadett Willy, lebt nnn anch nicht mehr.
Gerade als Kitty in München war, verunglückte er in der Nacht durch einen
Sturz aus dem Fenster bei einem Liebesabenteuer im Dorfe. Der alte Graf
und das Liefert sowohl, wie deren Eltern wissen, wie es zugegangen ist. Den
Leuten im Dorf wurde gesagt, der junge Graf sei draußen am Bach gefallen,
und ein Blutsturz sei dann dazu gekommen. Nun hätte nur uoch der selbst¬
gerechte, eisige Robert Einfluß auf den Vater. Der würde mehr noch, als
der Vater, Kneph Gegner sein, wenn sie jetzt von Forbeck sprechen wollte,
nachdem Tassilo eben erst „so etwas" geheiratet hat.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |