Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gustav zu Putlitz

liebe Hauptpartie singen sollte. Mitwirkende Kräfte für Soli, Chor und Or¬
chester wurden auf allen Nachbargüteru geworben, im Hause des Dichters
herrschte das bewegteste, an Szenen aus "Wilhelm Meister" erinnernde Leben.
Zu den Geladnen gehörten zwei junge Gräfinnen Königsmarck, Anna und
Elisabeth, die Töchter des ehemaligen Adjutanten des Prinzen (und nachmaligen
Königs und Kaisers) Wilhelm, von dem benachbarten Gut und Schloß Berlitt.
Gräfin Anna war für eine Solopartie der Oper, Grafin Elisabeth für Mit¬
wirkung im Chor und dann, da sie Harfe spielte, zur Übernahme der Harsen-
Partie eingeladen. Gräfin Elisabeth erzählt von ihrem Eintreffen in Retzin:
.Es herrschte allgemein sehr guter Wille und die größte Harmlosigkeit und
Freiheit im Verkehr. Auch traten mir Gustavs Mutter und Schwestern, die
ihm halfen die Honneurs des Hauses zu machen, gleich sehr herzlich entgegen.
Nach dem Diner ging es in die Probe. Das improvisirte Theater war ein
wahres kleines Meisterwerk. In einem Holzstall nahe am Haufe hatte Gustav
mit Hilfe Camphausens eine allerliebste Bühne hergestellt. Zwei Dekorationen,
ein Nokokozimmer und eine schlesische Baude mit dem Blick aus die Schnee¬
koppe hatte Camphausen gemalt, auf dem Vorhang den alten Berggeist, der
der Oper den Namen lieh, angebracht. Der Zuschauerraum, durch das Or¬
chester von der Bühne getrennt, war in Parkett und Logen eingeteilt, die sehr
hübsch mit rotem Stoff und Goldborten verziert waren. Flotow um.Klavier
dirigirte, er hatte zwei Doppelqnartetts ans Perleberg und ans Pritzwalk als
Orchester vereint. Hinter dem Bühnenraum war ein Zelt angebracht als
Garderobe. Solisten und Choristen waren dreiundzwanzig, und man kann sich
denken, welches muntere Treiben allein durch die Mitwirkenden entstand. Ich
fand mich sehr schnell in die Situation und war entzückt von dem bunten
Treiben, in dem jeder mit größtem Eifer und gutem Willen sein Bestes gab.
Gustav war der liebenswürdigste Hausherr und verständnisvollste Regisseur
"l einer Person und darauf bedacht, es seinen Gästen, die zum größten Teil
auch Mitglieder der kleinen Truppe waren, behaglich zu machen."

In diesen fröhlichen Tagen und während dieser künstlerischen Anstren¬
gungen, die von einem vollständigen Gelingen der Opernanfführung gekrönt
wurden, verliebte sich Gustav zu Putlitz in Elisabeth Königsmarck, und auch
die junge Gräfin faßte eine tiefe Neigung für den ritterlichen Dichter. Im
Garten von Berlitt folgte wenige Wochen später die Verlobung des jungen
Paares. "In jenen Stunden, sagt die Verfasserin schlicht, entschied sich das
Glück meines Lebens, das ich achtunddreißig Jahre fest und treu mit dem ge¬
liebten Mann genießen durfte." Am 13. Mai 1853 fand die Hochzeit des
Gutsherrn von Retzin statt, dem glücklichen Sommer in der Stille des Land¬
lebens folgte im Frühherbst eine Rheinreise, die sich bis Baden-Baden er¬
streckte.

Die Verhältnisse der jungen Eheleute erlaubten auch fernerhin den Auf-


Gustav zu Putlitz

liebe Hauptpartie singen sollte. Mitwirkende Kräfte für Soli, Chor und Or¬
chester wurden auf allen Nachbargüteru geworben, im Hause des Dichters
herrschte das bewegteste, an Szenen aus „Wilhelm Meister" erinnernde Leben.
Zu den Geladnen gehörten zwei junge Gräfinnen Königsmarck, Anna und
Elisabeth, die Töchter des ehemaligen Adjutanten des Prinzen (und nachmaligen
Königs und Kaisers) Wilhelm, von dem benachbarten Gut und Schloß Berlitt.
Gräfin Anna war für eine Solopartie der Oper, Grafin Elisabeth für Mit¬
wirkung im Chor und dann, da sie Harfe spielte, zur Übernahme der Harsen-
Partie eingeladen. Gräfin Elisabeth erzählt von ihrem Eintreffen in Retzin:
.Es herrschte allgemein sehr guter Wille und die größte Harmlosigkeit und
Freiheit im Verkehr. Auch traten mir Gustavs Mutter und Schwestern, die
ihm halfen die Honneurs des Hauses zu machen, gleich sehr herzlich entgegen.
Nach dem Diner ging es in die Probe. Das improvisirte Theater war ein
wahres kleines Meisterwerk. In einem Holzstall nahe am Haufe hatte Gustav
mit Hilfe Camphausens eine allerliebste Bühne hergestellt. Zwei Dekorationen,
ein Nokokozimmer und eine schlesische Baude mit dem Blick aus die Schnee¬
koppe hatte Camphausen gemalt, auf dem Vorhang den alten Berggeist, der
der Oper den Namen lieh, angebracht. Der Zuschauerraum, durch das Or¬
chester von der Bühne getrennt, war in Parkett und Logen eingeteilt, die sehr
hübsch mit rotem Stoff und Goldborten verziert waren. Flotow um.Klavier
dirigirte, er hatte zwei Doppelqnartetts ans Perleberg und ans Pritzwalk als
Orchester vereint. Hinter dem Bühnenraum war ein Zelt angebracht als
Garderobe. Solisten und Choristen waren dreiundzwanzig, und man kann sich
denken, welches muntere Treiben allein durch die Mitwirkenden entstand. Ich
fand mich sehr schnell in die Situation und war entzückt von dem bunten
Treiben, in dem jeder mit größtem Eifer und gutem Willen sein Bestes gab.
Gustav war der liebenswürdigste Hausherr und verständnisvollste Regisseur
"l einer Person und darauf bedacht, es seinen Gästen, die zum größten Teil
auch Mitglieder der kleinen Truppe waren, behaglich zu machen."

In diesen fröhlichen Tagen und während dieser künstlerischen Anstren¬
gungen, die von einem vollständigen Gelingen der Opernanfführung gekrönt
wurden, verliebte sich Gustav zu Putlitz in Elisabeth Königsmarck, und auch
die junge Gräfin faßte eine tiefe Neigung für den ritterlichen Dichter. Im
Garten von Berlitt folgte wenige Wochen später die Verlobung des jungen
Paares. „In jenen Stunden, sagt die Verfasserin schlicht, entschied sich das
Glück meines Lebens, das ich achtunddreißig Jahre fest und treu mit dem ge¬
liebten Mann genießen durfte." Am 13. Mai 1853 fand die Hochzeit des
Gutsherrn von Retzin statt, dem glücklichen Sommer in der Stille des Land¬
lebens folgte im Frühherbst eine Rheinreise, die sich bis Baden-Baden er¬
streckte.

Die Verhältnisse der jungen Eheleute erlaubten auch fernerhin den Auf-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222123"/>
          <fw type="header" place="top"> Gustav zu Putlitz</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1577" prev="#ID_1576"> liebe Hauptpartie singen sollte. Mitwirkende Kräfte für Soli, Chor und Or¬<lb/>
chester wurden auf allen Nachbargüteru geworben, im Hause des Dichters<lb/>
herrschte das bewegteste, an Szenen aus &#x201E;Wilhelm Meister" erinnernde Leben.<lb/>
Zu den Geladnen gehörten zwei junge Gräfinnen Königsmarck, Anna und<lb/>
Elisabeth, die Töchter des ehemaligen Adjutanten des Prinzen (und nachmaligen<lb/>
Königs und Kaisers) Wilhelm, von dem benachbarten Gut und Schloß Berlitt.<lb/>
Gräfin Anna war für eine Solopartie der Oper, Grafin Elisabeth für Mit¬<lb/>
wirkung im Chor und dann, da sie Harfe spielte, zur Übernahme der Harsen-<lb/>
Partie eingeladen. Gräfin Elisabeth erzählt von ihrem Eintreffen in Retzin:<lb/>
.Es herrschte allgemein sehr guter Wille und die größte Harmlosigkeit und<lb/>
Freiheit im Verkehr. Auch traten mir Gustavs Mutter und Schwestern, die<lb/>
ihm halfen die Honneurs des Hauses zu machen, gleich sehr herzlich entgegen.<lb/>
Nach dem Diner ging es in die Probe. Das improvisirte Theater war ein<lb/>
wahres kleines Meisterwerk. In einem Holzstall nahe am Haufe hatte Gustav<lb/>
mit Hilfe Camphausens eine allerliebste Bühne hergestellt. Zwei Dekorationen,<lb/>
ein Nokokozimmer und eine schlesische Baude mit dem Blick aus die Schnee¬<lb/>
koppe hatte Camphausen gemalt, auf dem Vorhang den alten Berggeist, der<lb/>
der Oper den Namen lieh, angebracht. Der Zuschauerraum, durch das Or¬<lb/>
chester von der Bühne getrennt, war in Parkett und Logen eingeteilt, die sehr<lb/>
hübsch mit rotem Stoff und Goldborten verziert waren. Flotow um.Klavier<lb/>
dirigirte, er hatte zwei Doppelqnartetts ans Perleberg und ans Pritzwalk als<lb/>
Orchester vereint. Hinter dem Bühnenraum war ein Zelt angebracht als<lb/>
Garderobe. Solisten und Choristen waren dreiundzwanzig, und man kann sich<lb/>
denken, welches muntere Treiben allein durch die Mitwirkenden entstand. Ich<lb/>
fand mich sehr schnell in die Situation und war entzückt von dem bunten<lb/>
Treiben, in dem jeder mit größtem Eifer und gutem Willen sein Bestes gab.<lb/>
Gustav war der liebenswürdigste Hausherr und verständnisvollste Regisseur<lb/>
"l einer Person und darauf bedacht, es seinen Gästen, die zum größten Teil<lb/>
auch Mitglieder der kleinen Truppe waren, behaglich zu machen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1578"> In diesen fröhlichen Tagen und während dieser künstlerischen Anstren¬<lb/>
gungen, die von einem vollständigen Gelingen der Opernanfführung gekrönt<lb/>
wurden, verliebte sich Gustav zu Putlitz in Elisabeth Königsmarck, und auch<lb/>
die junge Gräfin faßte eine tiefe Neigung für den ritterlichen Dichter. Im<lb/>
Garten von Berlitt folgte wenige Wochen später die Verlobung des jungen<lb/>
Paares. &#x201E;In jenen Stunden, sagt die Verfasserin schlicht, entschied sich das<lb/>
Glück meines Lebens, das ich achtunddreißig Jahre fest und treu mit dem ge¬<lb/>
liebten Mann genießen durfte." Am 13. Mai 1853 fand die Hochzeit des<lb/>
Gutsherrn von Retzin statt, dem glücklichen Sommer in der Stille des Land¬<lb/>
lebens folgte im Frühherbst eine Rheinreise, die sich bis Baden-Baden er¬<lb/>
streckte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1579" next="#ID_1580"> Die Verhältnisse der jungen Eheleute erlaubten auch fernerhin den Auf-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] Gustav zu Putlitz liebe Hauptpartie singen sollte. Mitwirkende Kräfte für Soli, Chor und Or¬ chester wurden auf allen Nachbargüteru geworben, im Hause des Dichters herrschte das bewegteste, an Szenen aus „Wilhelm Meister" erinnernde Leben. Zu den Geladnen gehörten zwei junge Gräfinnen Königsmarck, Anna und Elisabeth, die Töchter des ehemaligen Adjutanten des Prinzen (und nachmaligen Königs und Kaisers) Wilhelm, von dem benachbarten Gut und Schloß Berlitt. Gräfin Anna war für eine Solopartie der Oper, Grafin Elisabeth für Mit¬ wirkung im Chor und dann, da sie Harfe spielte, zur Übernahme der Harsen- Partie eingeladen. Gräfin Elisabeth erzählt von ihrem Eintreffen in Retzin: .Es herrschte allgemein sehr guter Wille und die größte Harmlosigkeit und Freiheit im Verkehr. Auch traten mir Gustavs Mutter und Schwestern, die ihm halfen die Honneurs des Hauses zu machen, gleich sehr herzlich entgegen. Nach dem Diner ging es in die Probe. Das improvisirte Theater war ein wahres kleines Meisterwerk. In einem Holzstall nahe am Haufe hatte Gustav mit Hilfe Camphausens eine allerliebste Bühne hergestellt. Zwei Dekorationen, ein Nokokozimmer und eine schlesische Baude mit dem Blick aus die Schnee¬ koppe hatte Camphausen gemalt, auf dem Vorhang den alten Berggeist, der der Oper den Namen lieh, angebracht. Der Zuschauerraum, durch das Or¬ chester von der Bühne getrennt, war in Parkett und Logen eingeteilt, die sehr hübsch mit rotem Stoff und Goldborten verziert waren. Flotow um.Klavier dirigirte, er hatte zwei Doppelqnartetts ans Perleberg und ans Pritzwalk als Orchester vereint. Hinter dem Bühnenraum war ein Zelt angebracht als Garderobe. Solisten und Choristen waren dreiundzwanzig, und man kann sich denken, welches muntere Treiben allein durch die Mitwirkenden entstand. Ich fand mich sehr schnell in die Situation und war entzückt von dem bunten Treiben, in dem jeder mit größtem Eifer und gutem Willen sein Bestes gab. Gustav war der liebenswürdigste Hausherr und verständnisvollste Regisseur "l einer Person und darauf bedacht, es seinen Gästen, die zum größten Teil auch Mitglieder der kleinen Truppe waren, behaglich zu machen." In diesen fröhlichen Tagen und während dieser künstlerischen Anstren¬ gungen, die von einem vollständigen Gelingen der Opernanfführung gekrönt wurden, verliebte sich Gustav zu Putlitz in Elisabeth Königsmarck, und auch die junge Gräfin faßte eine tiefe Neigung für den ritterlichen Dichter. Im Garten von Berlitt folgte wenige Wochen später die Verlobung des jungen Paares. „In jenen Stunden, sagt die Verfasserin schlicht, entschied sich das Glück meines Lebens, das ich achtunddreißig Jahre fest und treu mit dem ge¬ liebten Mann genießen durfte." Am 13. Mai 1853 fand die Hochzeit des Gutsherrn von Retzin statt, dem glücklichen Sommer in der Stille des Land¬ lebens folgte im Frühherbst eine Rheinreise, die sich bis Baden-Baden er¬ streckte. Die Verhältnisse der jungen Eheleute erlaubten auch fernerhin den Auf-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/477>, abgerufen am 01.09.2024.