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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Der Aampf in den Gstmarken

lich deswegen nicht, weil sich Deutschland immer deutlicher zu einem Erziehungs¬
mittelpunkt weiterer Ländergebiete, ja Erdteile ausbildet. Lassen wir die beiden
bisher allein hierin vernachlässigten preußischen Provinzen auch an diesen Vor¬
zügen deutscher Gesittung teilnehmen! Schon die Gerechtigkeit verlangt es,
diese beiden Provinzen nicht hinter den andern zurückzusetzen. Der übermäßig
angewachsenen Universität Berlin wäre es überdies recht dienlich, wenn sie sich
ein wenig erleichterte durch Abzweigung nach Osten hin und so auf ihr selbst
ein regeres wirkliches Universitätsleben ermöglichte.

Der Besuch der neuen Universitäten würde nicht gering sein, namentlich
dann nicht, wenn man sie eigentümlich ausstattete. Zunächst würden sich ihnen
Studenten aus den Heimatprovinzen und aus der deutschen Diaspora in
Nußland zuwenden. Aber es käme weiter darauf an, ihnen auch aus dem
Westen Studenten zuzuführen, gleichsam zu geistiger Befruchtung der Ostmarken.
Hier kommt uns nun eine Bestrebung helfend entgegen, die im deutschen Leben
zur Zeit unverkennbar vorhanden ist, nämlich die Bestrebung, auch Universitäten
zu haben, die ein großes Gewicht auf die körperliche Ausbildung legen neben
der geistigen und dem entsprechend ausgestattet sind. Es hat hierbei sicherlich
die Beobachtung englischer Universitäten eingewirkt. Auch hier dürfen wir
uns nicht scheuen, das fremde Vorbild maßvoll und unter Wahrung deutscher
Eigentümlichkeit zu benutzen, das Vorbild ebenfalls eines Feindes, eines
werdenden Feindes. Ist doch diese Weiterbildung fremder Errungenschaften auf
deutschem Boden eine Hauptwurzel unsrer Kraft. Die englische Charakterstärke,
die zum Teil in ihren Universitäten begründet ist, aber darf man wohl, freilich
vorsichtig, nachahmen. Keineswegs gleich an allen deutschen Universitäten;
aber gerade hier in den neuen Universitäten der Grenzmarken wäre der Nähr¬
boden für einen solchen Versuch vorhanden. Denn nicht nur die ruhmreichen
Erinnerungen der Grenzlande, sondern auch ihre gegenwärtige Lage in der
Nähe des Feindes fordert gewissermaßen eine mehr ritterliche, militärische
Ausbildung in Verbindung mit der geistigen. Würden die beiden neuen Uni¬
versitäten so ausgestattet, und zwar reichlich ausgestattet, so würde die neue
Spielart auch im Westen Anklang finden, vor allem bei denen, die der reinen
Freiheit auf den übrigen deutschen Hochschulen nicht gewachsen sind, hier aber
in der gleichzeitig ritterlichen und geistigen Ausbildung zu ganzen Männern
werden konnten.

Dann würde aus diesen neuen Hochschulen, wie man nach dem Muster
eines Wortes aus dem deutschen Grenzroman, aus Freytags "Soll und Haben,"
sagen kann, eine Schar thatenfroher, leibesschöner, geisteskräftiger Jünglinge
herausspringen, die in der Eroberung eine Lust fanden. Das schwermütig
schöne und nur vielfach verkannte östliche deutsche Grenzgebiet würde dann
uicht minder begeistert als Heimat geliebt werden, wie es schon jetzt mit Ost¬
preußen geschieht.


Der Aampf in den Gstmarken

lich deswegen nicht, weil sich Deutschland immer deutlicher zu einem Erziehungs¬
mittelpunkt weiterer Ländergebiete, ja Erdteile ausbildet. Lassen wir die beiden
bisher allein hierin vernachlässigten preußischen Provinzen auch an diesen Vor¬
zügen deutscher Gesittung teilnehmen! Schon die Gerechtigkeit verlangt es,
diese beiden Provinzen nicht hinter den andern zurückzusetzen. Der übermäßig
angewachsenen Universität Berlin wäre es überdies recht dienlich, wenn sie sich
ein wenig erleichterte durch Abzweigung nach Osten hin und so auf ihr selbst
ein regeres wirkliches Universitätsleben ermöglichte.

Der Besuch der neuen Universitäten würde nicht gering sein, namentlich
dann nicht, wenn man sie eigentümlich ausstattete. Zunächst würden sich ihnen
Studenten aus den Heimatprovinzen und aus der deutschen Diaspora in
Nußland zuwenden. Aber es käme weiter darauf an, ihnen auch aus dem
Westen Studenten zuzuführen, gleichsam zu geistiger Befruchtung der Ostmarken.
Hier kommt uns nun eine Bestrebung helfend entgegen, die im deutschen Leben
zur Zeit unverkennbar vorhanden ist, nämlich die Bestrebung, auch Universitäten
zu haben, die ein großes Gewicht auf die körperliche Ausbildung legen neben
der geistigen und dem entsprechend ausgestattet sind. Es hat hierbei sicherlich
die Beobachtung englischer Universitäten eingewirkt. Auch hier dürfen wir
uns nicht scheuen, das fremde Vorbild maßvoll und unter Wahrung deutscher
Eigentümlichkeit zu benutzen, das Vorbild ebenfalls eines Feindes, eines
werdenden Feindes. Ist doch diese Weiterbildung fremder Errungenschaften auf
deutschem Boden eine Hauptwurzel unsrer Kraft. Die englische Charakterstärke,
die zum Teil in ihren Universitäten begründet ist, aber darf man wohl, freilich
vorsichtig, nachahmen. Keineswegs gleich an allen deutschen Universitäten;
aber gerade hier in den neuen Universitäten der Grenzmarken wäre der Nähr¬
boden für einen solchen Versuch vorhanden. Denn nicht nur die ruhmreichen
Erinnerungen der Grenzlande, sondern auch ihre gegenwärtige Lage in der
Nähe des Feindes fordert gewissermaßen eine mehr ritterliche, militärische
Ausbildung in Verbindung mit der geistigen. Würden die beiden neuen Uni¬
versitäten so ausgestattet, und zwar reichlich ausgestattet, so würde die neue
Spielart auch im Westen Anklang finden, vor allem bei denen, die der reinen
Freiheit auf den übrigen deutschen Hochschulen nicht gewachsen sind, hier aber
in der gleichzeitig ritterlichen und geistigen Ausbildung zu ganzen Männern
werden konnten.

Dann würde aus diesen neuen Hochschulen, wie man nach dem Muster
eines Wortes aus dem deutschen Grenzroman, aus Freytags „Soll und Haben,"
sagen kann, eine Schar thatenfroher, leibesschöner, geisteskräftiger Jünglinge
herausspringen, die in der Eroberung eine Lust fanden. Das schwermütig
schöne und nur vielfach verkannte östliche deutsche Grenzgebiet würde dann
uicht minder begeistert als Heimat geliebt werden, wie es schon jetzt mit Ost¬
preußen geschieht.


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[0463] Der Aampf in den Gstmarken lich deswegen nicht, weil sich Deutschland immer deutlicher zu einem Erziehungs¬ mittelpunkt weiterer Ländergebiete, ja Erdteile ausbildet. Lassen wir die beiden bisher allein hierin vernachlässigten preußischen Provinzen auch an diesen Vor¬ zügen deutscher Gesittung teilnehmen! Schon die Gerechtigkeit verlangt es, diese beiden Provinzen nicht hinter den andern zurückzusetzen. Der übermäßig angewachsenen Universität Berlin wäre es überdies recht dienlich, wenn sie sich ein wenig erleichterte durch Abzweigung nach Osten hin und so auf ihr selbst ein regeres wirkliches Universitätsleben ermöglichte. Der Besuch der neuen Universitäten würde nicht gering sein, namentlich dann nicht, wenn man sie eigentümlich ausstattete. Zunächst würden sich ihnen Studenten aus den Heimatprovinzen und aus der deutschen Diaspora in Nußland zuwenden. Aber es käme weiter darauf an, ihnen auch aus dem Westen Studenten zuzuführen, gleichsam zu geistiger Befruchtung der Ostmarken. Hier kommt uns nun eine Bestrebung helfend entgegen, die im deutschen Leben zur Zeit unverkennbar vorhanden ist, nämlich die Bestrebung, auch Universitäten zu haben, die ein großes Gewicht auf die körperliche Ausbildung legen neben der geistigen und dem entsprechend ausgestattet sind. Es hat hierbei sicherlich die Beobachtung englischer Universitäten eingewirkt. Auch hier dürfen wir uns nicht scheuen, das fremde Vorbild maßvoll und unter Wahrung deutscher Eigentümlichkeit zu benutzen, das Vorbild ebenfalls eines Feindes, eines werdenden Feindes. Ist doch diese Weiterbildung fremder Errungenschaften auf deutschem Boden eine Hauptwurzel unsrer Kraft. Die englische Charakterstärke, die zum Teil in ihren Universitäten begründet ist, aber darf man wohl, freilich vorsichtig, nachahmen. Keineswegs gleich an allen deutschen Universitäten; aber gerade hier in den neuen Universitäten der Grenzmarken wäre der Nähr¬ boden für einen solchen Versuch vorhanden. Denn nicht nur die ruhmreichen Erinnerungen der Grenzlande, sondern auch ihre gegenwärtige Lage in der Nähe des Feindes fordert gewissermaßen eine mehr ritterliche, militärische Ausbildung in Verbindung mit der geistigen. Würden die beiden neuen Uni¬ versitäten so ausgestattet, und zwar reichlich ausgestattet, so würde die neue Spielart auch im Westen Anklang finden, vor allem bei denen, die der reinen Freiheit auf den übrigen deutschen Hochschulen nicht gewachsen sind, hier aber in der gleichzeitig ritterlichen und geistigen Ausbildung zu ganzen Männern werden konnten. Dann würde aus diesen neuen Hochschulen, wie man nach dem Muster eines Wortes aus dem deutschen Grenzroman, aus Freytags „Soll und Haben," sagen kann, eine Schar thatenfroher, leibesschöner, geisteskräftiger Jünglinge herausspringen, die in der Eroberung eine Lust fanden. Das schwermütig schöne und nur vielfach verkannte östliche deutsche Grenzgebiet würde dann uicht minder begeistert als Heimat geliebt werden, wie es schon jetzt mit Ost¬ preußen geschieht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/463>, abgerufen am 01.09.2024.