Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
War Dürer ein Papist?

vollkommen, ihn gleichzeitig über die Art und Weise klerikaler Gcschichtsfäl-
schung aufzuklären.

Nur noch zwei Beispiele, welcher Art diese Beweischen sind. Auf seiner
niederländischen Reise besucht Dürer den Bischof von Bamberg, geht in die
Kirchen, erwähnt, daß sie "Altäre" hätten, daß sie "schön und groß" seien,
daß viel "andächtigs Gottesdienst" darin gehalten, "viel Amt" darin gesungen
werde, beschreibt Prozessionen, erwähnt Reliquien, kauft sich Rosenkränze (wahr¬
scheinlich zu Geschenken), geht auch wohl zur Beichte, kurz er hat sich uoch
nicht ganz von den Formen der katholischen .Kirche losgesagt. Das ist anch
kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die niederländische Reise in die Jahre
1520/21 fällt, und daß selbst Luther, den doch kein künstlerisches Interesse mit
den äußern Formen der katholischen Kirche verband, den entschiednen Bruch
mit dem Papsttum erst 1520/21 vollzogen hat. Wie ungeheuer groß muß die
Kraft des evangelischen Wortes gewesen sein, wenn selbst ein Künstler, dessen
ganze Thätigkeit doch von der Erhaltung dieser Formen abhing, sich so ent¬
schieden für Luthers Lehre aussprechen konnte!

Das andre Beispiel: im Jahre 1523 schreibt Dürer an den Kurfürsten
von Mainz und titulirt ihn in der Adresse "als des heiligen Stuhls zu Rom
Priester, Kardinal" usw., d. h. mit seinem offiziellen Titel. Das genügt Herrn
Weber, darin die "alte katholische Gesinnung zu vermuten!" Es lohnt sich
wirklich nicht, über solche Bemerkungen noch weiter Worte zu verlieren. Be¬
hauptungen wie die, daß Dürer im Sankt-Ulrichskloster in Augsburg Unter¬
kunft gesucht (S, 141), daß Pirkheimer in einem Briefe Dürers spätere Wieder¬
aussöhnung mit der katholischen Kirche bezeugt habe, dürften schwer zu be¬
weisen sein.

Herr Weber beklagt sich in der Einleitung zu dem betreffenden Abschnitt
seiner Schrift darüber, daß der Streit "von manchen Protestanten mit einer
Heftigkeit und Schärfe des Ausdrucks geführt wordeu sei, die zu geschichtliche,,
Forschungen schlecht passen und den ruhigen Leser unangenehm berühren müssen.
Ging man doch im November des Jahres 1892 (!) soweit, meine Behauptung,
Dürer sei als Sohn der alten Kirche aus der Welt gegangen, als das aller-
neueste Produkt ultramontaner Idiosynkrasie zu bezeichnen." Herr Weber scheint
also gegen Polemik sehr empfindlich zu sein. Ich hoffe, daß ihm die Lektion,
die ihm hier erteilt worden ist, keinen Schaden thut. Sollte er sich ober
wieder einfallen lassen, über kunstgeschichtliche Dinge das Wort zu ergreifen
und dabei "verdiente" Forscher zu schulmeistern, ihre Bücher auszuschreiben
und dabei die Wahrheit durch Winkelzüge zu falschen, so wird er mich
wieder auf dem Platze finden.




War Dürer ein Papist?

vollkommen, ihn gleichzeitig über die Art und Weise klerikaler Gcschichtsfäl-
schung aufzuklären.

Nur noch zwei Beispiele, welcher Art diese Beweischen sind. Auf seiner
niederländischen Reise besucht Dürer den Bischof von Bamberg, geht in die
Kirchen, erwähnt, daß sie „Altäre" hätten, daß sie „schön und groß" seien,
daß viel „andächtigs Gottesdienst" darin gehalten, „viel Amt" darin gesungen
werde, beschreibt Prozessionen, erwähnt Reliquien, kauft sich Rosenkränze (wahr¬
scheinlich zu Geschenken), geht auch wohl zur Beichte, kurz er hat sich uoch
nicht ganz von den Formen der katholischen .Kirche losgesagt. Das ist anch
kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die niederländische Reise in die Jahre
1520/21 fällt, und daß selbst Luther, den doch kein künstlerisches Interesse mit
den äußern Formen der katholischen Kirche verband, den entschiednen Bruch
mit dem Papsttum erst 1520/21 vollzogen hat. Wie ungeheuer groß muß die
Kraft des evangelischen Wortes gewesen sein, wenn selbst ein Künstler, dessen
ganze Thätigkeit doch von der Erhaltung dieser Formen abhing, sich so ent¬
schieden für Luthers Lehre aussprechen konnte!

Das andre Beispiel: im Jahre 1523 schreibt Dürer an den Kurfürsten
von Mainz und titulirt ihn in der Adresse „als des heiligen Stuhls zu Rom
Priester, Kardinal" usw., d. h. mit seinem offiziellen Titel. Das genügt Herrn
Weber, darin die „alte katholische Gesinnung zu vermuten!" Es lohnt sich
wirklich nicht, über solche Bemerkungen noch weiter Worte zu verlieren. Be¬
hauptungen wie die, daß Dürer im Sankt-Ulrichskloster in Augsburg Unter¬
kunft gesucht (S, 141), daß Pirkheimer in einem Briefe Dürers spätere Wieder¬
aussöhnung mit der katholischen Kirche bezeugt habe, dürften schwer zu be¬
weisen sein.

Herr Weber beklagt sich in der Einleitung zu dem betreffenden Abschnitt
seiner Schrift darüber, daß der Streit „von manchen Protestanten mit einer
Heftigkeit und Schärfe des Ausdrucks geführt wordeu sei, die zu geschichtliche,,
Forschungen schlecht passen und den ruhigen Leser unangenehm berühren müssen.
Ging man doch im November des Jahres 1892 (!) soweit, meine Behauptung,
Dürer sei als Sohn der alten Kirche aus der Welt gegangen, als das aller-
neueste Produkt ultramontaner Idiosynkrasie zu bezeichnen." Herr Weber scheint
also gegen Polemik sehr empfindlich zu sein. Ich hoffe, daß ihm die Lektion,
die ihm hier erteilt worden ist, keinen Schaden thut. Sollte er sich ober
wieder einfallen lassen, über kunstgeschichtliche Dinge das Wort zu ergreifen
und dabei „verdiente" Forscher zu schulmeistern, ihre Bücher auszuschreiben
und dabei die Wahrheit durch Winkelzüge zu falschen, so wird er mich
wieder auf dem Platze finden.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221934"/>
          <fw type="header" place="top"> War Dürer ein Papist?</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_908" prev="#ID_907"> vollkommen, ihn gleichzeitig über die Art und Weise klerikaler Gcschichtsfäl-<lb/>
schung aufzuklären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_909"> Nur noch zwei Beispiele, welcher Art diese Beweischen sind. Auf seiner<lb/>
niederländischen Reise besucht Dürer den Bischof von Bamberg, geht in die<lb/>
Kirchen, erwähnt, daß sie &#x201E;Altäre" hätten, daß sie &#x201E;schön und groß" seien,<lb/>
daß viel &#x201E;andächtigs Gottesdienst" darin gehalten, &#x201E;viel Amt" darin gesungen<lb/>
werde, beschreibt Prozessionen, erwähnt Reliquien, kauft sich Rosenkränze (wahr¬<lb/>
scheinlich zu Geschenken), geht auch wohl zur Beichte, kurz er hat sich uoch<lb/>
nicht ganz von den Formen der katholischen .Kirche losgesagt. Das ist anch<lb/>
kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die niederländische Reise in die Jahre<lb/>
1520/21 fällt, und daß selbst Luther, den doch kein künstlerisches Interesse mit<lb/>
den äußern Formen der katholischen Kirche verband, den entschiednen Bruch<lb/>
mit dem Papsttum erst 1520/21 vollzogen hat. Wie ungeheuer groß muß die<lb/>
Kraft des evangelischen Wortes gewesen sein, wenn selbst ein Künstler, dessen<lb/>
ganze Thätigkeit doch von der Erhaltung dieser Formen abhing, sich so ent¬<lb/>
schieden für Luthers Lehre aussprechen konnte!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_910"> Das andre Beispiel: im Jahre 1523 schreibt Dürer an den Kurfürsten<lb/>
von Mainz und titulirt ihn in der Adresse &#x201E;als des heiligen Stuhls zu Rom<lb/>
Priester, Kardinal" usw., d. h. mit seinem offiziellen Titel. Das genügt Herrn<lb/>
Weber, darin die &#x201E;alte katholische Gesinnung zu vermuten!" Es lohnt sich<lb/>
wirklich nicht, über solche Bemerkungen noch weiter Worte zu verlieren. Be¬<lb/>
hauptungen wie die, daß Dürer im Sankt-Ulrichskloster in Augsburg Unter¬<lb/>
kunft gesucht (S, 141), daß Pirkheimer in einem Briefe Dürers spätere Wieder¬<lb/>
aussöhnung mit der katholischen Kirche bezeugt habe, dürften schwer zu be¬<lb/>
weisen sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_911"> Herr Weber beklagt sich in der Einleitung zu dem betreffenden Abschnitt<lb/>
seiner Schrift darüber, daß der Streit &#x201E;von manchen Protestanten mit einer<lb/>
Heftigkeit und Schärfe des Ausdrucks geführt wordeu sei, die zu geschichtliche,,<lb/>
Forschungen schlecht passen und den ruhigen Leser unangenehm berühren müssen.<lb/>
Ging man doch im November des Jahres 1892 (!) soweit, meine Behauptung,<lb/>
Dürer sei als Sohn der alten Kirche aus der Welt gegangen, als das aller-<lb/>
neueste Produkt ultramontaner Idiosynkrasie zu bezeichnen." Herr Weber scheint<lb/>
also gegen Polemik sehr empfindlich zu sein. Ich hoffe, daß ihm die Lektion,<lb/>
die ihm hier erteilt worden ist, keinen Schaden thut. Sollte er sich ober<lb/>
wieder einfallen lassen, über kunstgeschichtliche Dinge das Wort zu ergreifen<lb/>
und dabei &#x201E;verdiente" Forscher zu schulmeistern, ihre Bücher auszuschreiben<lb/>
und dabei die Wahrheit durch Winkelzüge zu falschen, so wird er mich<lb/>
wieder auf dem Platze finden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0288] War Dürer ein Papist? vollkommen, ihn gleichzeitig über die Art und Weise klerikaler Gcschichtsfäl- schung aufzuklären. Nur noch zwei Beispiele, welcher Art diese Beweischen sind. Auf seiner niederländischen Reise besucht Dürer den Bischof von Bamberg, geht in die Kirchen, erwähnt, daß sie „Altäre" hätten, daß sie „schön und groß" seien, daß viel „andächtigs Gottesdienst" darin gehalten, „viel Amt" darin gesungen werde, beschreibt Prozessionen, erwähnt Reliquien, kauft sich Rosenkränze (wahr¬ scheinlich zu Geschenken), geht auch wohl zur Beichte, kurz er hat sich uoch nicht ganz von den Formen der katholischen .Kirche losgesagt. Das ist anch kein Wunder, wenn man bedenkt, daß die niederländische Reise in die Jahre 1520/21 fällt, und daß selbst Luther, den doch kein künstlerisches Interesse mit den äußern Formen der katholischen Kirche verband, den entschiednen Bruch mit dem Papsttum erst 1520/21 vollzogen hat. Wie ungeheuer groß muß die Kraft des evangelischen Wortes gewesen sein, wenn selbst ein Künstler, dessen ganze Thätigkeit doch von der Erhaltung dieser Formen abhing, sich so ent¬ schieden für Luthers Lehre aussprechen konnte! Das andre Beispiel: im Jahre 1523 schreibt Dürer an den Kurfürsten von Mainz und titulirt ihn in der Adresse „als des heiligen Stuhls zu Rom Priester, Kardinal" usw., d. h. mit seinem offiziellen Titel. Das genügt Herrn Weber, darin die „alte katholische Gesinnung zu vermuten!" Es lohnt sich wirklich nicht, über solche Bemerkungen noch weiter Worte zu verlieren. Be¬ hauptungen wie die, daß Dürer im Sankt-Ulrichskloster in Augsburg Unter¬ kunft gesucht (S, 141), daß Pirkheimer in einem Briefe Dürers spätere Wieder¬ aussöhnung mit der katholischen Kirche bezeugt habe, dürften schwer zu be¬ weisen sein. Herr Weber beklagt sich in der Einleitung zu dem betreffenden Abschnitt seiner Schrift darüber, daß der Streit „von manchen Protestanten mit einer Heftigkeit und Schärfe des Ausdrucks geführt wordeu sei, die zu geschichtliche,, Forschungen schlecht passen und den ruhigen Leser unangenehm berühren müssen. Ging man doch im November des Jahres 1892 (!) soweit, meine Behauptung, Dürer sei als Sohn der alten Kirche aus der Welt gegangen, als das aller- neueste Produkt ultramontaner Idiosynkrasie zu bezeichnen." Herr Weber scheint also gegen Polemik sehr empfindlich zu sein. Ich hoffe, daß ihm die Lektion, die ihm hier erteilt worden ist, keinen Schaden thut. Sollte er sich ober wieder einfallen lassen, über kunstgeschichtliche Dinge das Wort zu ergreifen und dabei „verdiente" Forscher zu schulmeistern, ihre Bücher auszuschreiben und dabei die Wahrheit durch Winkelzüge zu falschen, so wird er mich wieder auf dem Platze finden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/288
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/288>, abgerufen am 01.09.2024.