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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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War Dürer ein Papist?

Wenn seine Bücher auch noch so viele Auflagen erlebten und in katholischen
Kreisen auch noch so viel gelesen und gepriesen würden! Und das nennt die
Zeitschrift für christliche Kunst "objektive Untersuchung."

Ein zweiter Beweis. In einem Briefe um Georg Spalatin vom Jahre
1520 bedankt sich Dürer sür die "Büchlein Luteri" (Weber spricht Seite 87
nur von einer Schrift Luthers), die ihm der Kurfürst Friedrich der Weise zum
Geschenk gemacht habe.

Deshalb bitt ich, Euer Ehrwürd wollend seinen Kurfürstlichen Gnaden mein
unterthttnige Dankbarkeit nach dem Höchsten anzeigen, und sein Churfürstliche
Gnaden in aller Unterthä'nigkeit bitten, daß er ihm den löbliche" Doctor Martin
Luther befohlen laß sein, von christlicher Wahrheit wegen, daran uns mehr liegt
dann um allen Reichthümer und Gewalt dieser Welt. Das dann Alls mit der
Zeit vergeht, allein die Wahrheit bleibt ewig. Und hilft mir Gott, daß ich zu
Doctor Martinus Luther kumm, so will ich ihn mit Fleiß kuuterfetten und in
Kupfer stechen, zu einer langen Gedächtnuß des christlichen Manns, der mir ans
großen Ängsten geholfen hat. Und ich bitt Euer Würden, wo Doctor Martinus
etwas Neus macht, das deutsch ist, wollt mirs um mein Geld zusenden.

Der Leser wird neugierig sein, wie sich Herr Weber mit diesen leidlich
unzweideutigen Worten abfindet. Nichts einfacher als das. Dürer hat frei¬
lich gesagt, er wolle Martin Luther portrütiren, aber thatsächlich hat er es nicht
gethan. "Noch acht volle Jahre lebte der Künstler. Doch ruhte die Künstler¬
hand, die so viele Persönlichkeiten verewigt Ihatj." Mit andern Worten:
Dürer hat Luther deshalb nicht gemalt, weil er später an ihm irre geworden
ist. Wir gönnen Herrn Weber das billige Vergnügen dieses Saltomortale.
Ist er doch auch der Ansicht, daß Melanchthon, der Verfasser des "Papstescls"
von 1523"), an Luther irre geworden und seit 1524 nicht mehr mit ihm be¬
freundet gewesen sei. Die beiden intimen Freunde Dürer und Melanchthon
haben sich eben als gute Katholiken davon überzeugt, daß es mit Luther nichts
war, daß sie ihre Freundschaft einem Unwürdigen geschenkt hatten!

Außerordentlich bezeichnend ist die Art, wie sich der Verfasser über einen
dritten Beweis für Dürers lutherische Gesinnung hinwegsetzt. Auf einen Holz¬
schnitt des Regensburger Malers Ostendorfer (?), der die Verehrung der so¬
genannten "schönen Maria von Regensburg" darstellt, hat Dürer im Jahre
1523 (das Jahr steht darüber" folgende Worte geschrieben: "Dies Gespenst hat
sich wider die heilig Geschrift erhebst (erhoben) zu Regensburg und ist vom
Bischof verhängt worden, zeitlichs Nutz halben nit abgestellt. Gott helf uus, daß
wir sein werthe Mutter nit also unehrn, sunder Lehren) in Christo Jesu Amen."
Darauf folgt das bekannte Monogramm Dürers mit dem großen ^ und dein
kleinern I) darinnen. Dürer bezeichnet also ganz deutlich die "schöne Maria"
von Regensburg als ein "Gespenst" und wirft dem Bischof vou Regensburg



*) Nergl. Lange, Der Papstesel, ein Beitrag zur Kultur-- und Kunstgeschichte deö Refor¬
mationszeitalters. 1L91,
War Dürer ein Papist?

Wenn seine Bücher auch noch so viele Auflagen erlebten und in katholischen
Kreisen auch noch so viel gelesen und gepriesen würden! Und das nennt die
Zeitschrift für christliche Kunst „objektive Untersuchung."

Ein zweiter Beweis. In einem Briefe um Georg Spalatin vom Jahre
1520 bedankt sich Dürer sür die „Büchlein Luteri" (Weber spricht Seite 87
nur von einer Schrift Luthers), die ihm der Kurfürst Friedrich der Weise zum
Geschenk gemacht habe.

Deshalb bitt ich, Euer Ehrwürd wollend seinen Kurfürstlichen Gnaden mein
unterthttnige Dankbarkeit nach dem Höchsten anzeigen, und sein Churfürstliche
Gnaden in aller Unterthä'nigkeit bitten, daß er ihm den löbliche» Doctor Martin
Luther befohlen laß sein, von christlicher Wahrheit wegen, daran uns mehr liegt
dann um allen Reichthümer und Gewalt dieser Welt. Das dann Alls mit der
Zeit vergeht, allein die Wahrheit bleibt ewig. Und hilft mir Gott, daß ich zu
Doctor Martinus Luther kumm, so will ich ihn mit Fleiß kuuterfetten und in
Kupfer stechen, zu einer langen Gedächtnuß des christlichen Manns, der mir ans
großen Ängsten geholfen hat. Und ich bitt Euer Würden, wo Doctor Martinus
etwas Neus macht, das deutsch ist, wollt mirs um mein Geld zusenden.

Der Leser wird neugierig sein, wie sich Herr Weber mit diesen leidlich
unzweideutigen Worten abfindet. Nichts einfacher als das. Dürer hat frei¬
lich gesagt, er wolle Martin Luther portrütiren, aber thatsächlich hat er es nicht
gethan. „Noch acht volle Jahre lebte der Künstler. Doch ruhte die Künstler¬
hand, die so viele Persönlichkeiten verewigt Ihatj." Mit andern Worten:
Dürer hat Luther deshalb nicht gemalt, weil er später an ihm irre geworden
ist. Wir gönnen Herrn Weber das billige Vergnügen dieses Saltomortale.
Ist er doch auch der Ansicht, daß Melanchthon, der Verfasser des „Papstescls"
von 1523"), an Luther irre geworden und seit 1524 nicht mehr mit ihm be¬
freundet gewesen sei. Die beiden intimen Freunde Dürer und Melanchthon
haben sich eben als gute Katholiken davon überzeugt, daß es mit Luther nichts
war, daß sie ihre Freundschaft einem Unwürdigen geschenkt hatten!

Außerordentlich bezeichnend ist die Art, wie sich der Verfasser über einen
dritten Beweis für Dürers lutherische Gesinnung hinwegsetzt. Auf einen Holz¬
schnitt des Regensburger Malers Ostendorfer (?), der die Verehrung der so¬
genannten „schönen Maria von Regensburg" darstellt, hat Dürer im Jahre
1523 (das Jahr steht darüber» folgende Worte geschrieben: „Dies Gespenst hat
sich wider die heilig Geschrift erhebst (erhoben) zu Regensburg und ist vom
Bischof verhängt worden, zeitlichs Nutz halben nit abgestellt. Gott helf uus, daß
wir sein werthe Mutter nit also unehrn, sunder Lehren) in Christo Jesu Amen."
Darauf folgt das bekannte Monogramm Dürers mit dem großen ^ und dein
kleinern I) darinnen. Dürer bezeichnet also ganz deutlich die „schöne Maria"
von Regensburg als ein „Gespenst" und wirft dem Bischof vou Regensburg



*) Nergl. Lange, Der Papstesel, ein Beitrag zur Kultur-- und Kunstgeschichte deö Refor¬
mationszeitalters. 1L91,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/279>, abgerufen am 01.09.2024.