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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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und Batterie auf Batterie mich Abesshnien schicken, ohne zu fragen, wie hoch
die Rechnung am Ende werden wird, während das ganze Volk, wenige Quer¬
kopfe ausgenommen, den abgehenden Truppen zujubelt und die Tapfern von
Umba Aladschi und Malatie als nationale Helden feiert, wie einst die Ge-
fallnen von Dogali. So verhält sich ein großes, tapfres, selbstbewußtes Volk!
Bei uns ist es geradezu die Pflicht jedes Patrioten, einzutreten für die Ver¬
mehrung der Mittel, um unsre überseeischen Interessen, die von Jahr zu Jahr
wachsen, zu schützen, damit die Reichsregierung empfindet, daß sie nicht allein
steht, und damit der Reichstag, wenn er über seinem öden Parteitreiben und
Parteigezänk seine Pflicht vergessen sollte, von unten, von dem Volke, das er
zu vertreten hat, gedrängt wird, sie zu erfüllen. Was ans der von Leipzig
aus angeregten Sammlung für die Vermehrung unsrer Flotte materiell heraus¬
kommt, ist nicht das wichtigste; mögen kluge Leute darüber spotten, wenn nur
der Gedanke von der Notwendigkeit dieser Vermehrung in immer weitere Kreise
dringt, so erfüllt sie ihren Zweck. Sogar in die gebildete Jugend beginnt er schon
einzudringen. Auch für unsre innere Politik wäre es ein wahrer Segen, wenn
neben den ganz unpolitischen und daher mir spaltenden Idealen großer Par¬
teien und neben der kläglichen Gedanken- und Ideenlosigkeit andrer wieder
neue, große, nationale Ideale über unser Leben eine Macht gewonnen, nach¬
dem die alten verwirklicht und also keine Ideale mehr sind. Sonst wird es
heißen: das deutsche Volk hat große Männer hervorgebracht, aber selbst ist es
nicht groß gewesen, der große Moment traf auf ein kleines Geschlecht. So
darf es von uns niemals heißen.




Freiwillige Flottensteuer

ud wenn ich mit Menschen- und mit Engelznngen redete und
hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz und eine
klingende Schelle. Worte, Worte, nichts als hohle Worte fast
überall, wohin man sieht und hört, und womit einer trostlos
des Abends zu Bett gegangen ist, damit steht er ohne Hoffnung
des Morgens wieder auf. Nur aus der Liebe sind die großen Thaten der
Menschen geboren worden, nur aus ihr werden sie immer wieder geboren
werden. Niemals aber seit der Wiederaufrichtung des deutschen Reichs hat
es mehr solcher Thaten bedurft als in unsern Tagen. Thaten der Selbst-
verleugnung werden von uns verlangt, nicht jener Selbstverleugnung, die im


und Batterie auf Batterie mich Abesshnien schicken, ohne zu fragen, wie hoch
die Rechnung am Ende werden wird, während das ganze Volk, wenige Quer¬
kopfe ausgenommen, den abgehenden Truppen zujubelt und die Tapfern von
Umba Aladschi und Malatie als nationale Helden feiert, wie einst die Ge-
fallnen von Dogali. So verhält sich ein großes, tapfres, selbstbewußtes Volk!
Bei uns ist es geradezu die Pflicht jedes Patrioten, einzutreten für die Ver¬
mehrung der Mittel, um unsre überseeischen Interessen, die von Jahr zu Jahr
wachsen, zu schützen, damit die Reichsregierung empfindet, daß sie nicht allein
steht, und damit der Reichstag, wenn er über seinem öden Parteitreiben und
Parteigezänk seine Pflicht vergessen sollte, von unten, von dem Volke, das er
zu vertreten hat, gedrängt wird, sie zu erfüllen. Was ans der von Leipzig
aus angeregten Sammlung für die Vermehrung unsrer Flotte materiell heraus¬
kommt, ist nicht das wichtigste; mögen kluge Leute darüber spotten, wenn nur
der Gedanke von der Notwendigkeit dieser Vermehrung in immer weitere Kreise
dringt, so erfüllt sie ihren Zweck. Sogar in die gebildete Jugend beginnt er schon
einzudringen. Auch für unsre innere Politik wäre es ein wahrer Segen, wenn
neben den ganz unpolitischen und daher mir spaltenden Idealen großer Par¬
teien und neben der kläglichen Gedanken- und Ideenlosigkeit andrer wieder
neue, große, nationale Ideale über unser Leben eine Macht gewonnen, nach¬
dem die alten verwirklicht und also keine Ideale mehr sind. Sonst wird es
heißen: das deutsche Volk hat große Männer hervorgebracht, aber selbst ist es
nicht groß gewesen, der große Moment traf auf ein kleines Geschlecht. So
darf es von uns niemals heißen.




Freiwillige Flottensteuer

ud wenn ich mit Menschen- und mit Engelznngen redete und
hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz und eine
klingende Schelle. Worte, Worte, nichts als hohle Worte fast
überall, wohin man sieht und hört, und womit einer trostlos
des Abends zu Bett gegangen ist, damit steht er ohne Hoffnung
des Morgens wieder auf. Nur aus der Liebe sind die großen Thaten der
Menschen geboren worden, nur aus ihr werden sie immer wieder geboren
werden. Niemals aber seit der Wiederaufrichtung des deutschen Reichs hat
es mehr solcher Thaten bedurft als in unsern Tagen. Thaten der Selbst-
verleugnung werden von uns verlangt, nicht jener Selbstverleugnung, die im


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[0267] und Batterie auf Batterie mich Abesshnien schicken, ohne zu fragen, wie hoch die Rechnung am Ende werden wird, während das ganze Volk, wenige Quer¬ kopfe ausgenommen, den abgehenden Truppen zujubelt und die Tapfern von Umba Aladschi und Malatie als nationale Helden feiert, wie einst die Ge- fallnen von Dogali. So verhält sich ein großes, tapfres, selbstbewußtes Volk! Bei uns ist es geradezu die Pflicht jedes Patrioten, einzutreten für die Ver¬ mehrung der Mittel, um unsre überseeischen Interessen, die von Jahr zu Jahr wachsen, zu schützen, damit die Reichsregierung empfindet, daß sie nicht allein steht, und damit der Reichstag, wenn er über seinem öden Parteitreiben und Parteigezänk seine Pflicht vergessen sollte, von unten, von dem Volke, das er zu vertreten hat, gedrängt wird, sie zu erfüllen. Was ans der von Leipzig aus angeregten Sammlung für die Vermehrung unsrer Flotte materiell heraus¬ kommt, ist nicht das wichtigste; mögen kluge Leute darüber spotten, wenn nur der Gedanke von der Notwendigkeit dieser Vermehrung in immer weitere Kreise dringt, so erfüllt sie ihren Zweck. Sogar in die gebildete Jugend beginnt er schon einzudringen. Auch für unsre innere Politik wäre es ein wahrer Segen, wenn neben den ganz unpolitischen und daher mir spaltenden Idealen großer Par¬ teien und neben der kläglichen Gedanken- und Ideenlosigkeit andrer wieder neue, große, nationale Ideale über unser Leben eine Macht gewonnen, nach¬ dem die alten verwirklicht und also keine Ideale mehr sind. Sonst wird es heißen: das deutsche Volk hat große Männer hervorgebracht, aber selbst ist es nicht groß gewesen, der große Moment traf auf ein kleines Geschlecht. So darf es von uns niemals heißen. Freiwillige Flottensteuer ud wenn ich mit Menschen- und mit Engelznngen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Worte, Worte, nichts als hohle Worte fast überall, wohin man sieht und hört, und womit einer trostlos des Abends zu Bett gegangen ist, damit steht er ohne Hoffnung des Morgens wieder auf. Nur aus der Liebe sind die großen Thaten der Menschen geboren worden, nur aus ihr werden sie immer wieder geboren werden. Niemals aber seit der Wiederaufrichtung des deutschen Reichs hat es mehr solcher Thaten bedurft als in unsern Tagen. Thaten der Selbst- verleugnung werden von uns verlangt, nicht jener Selbstverleugnung, die im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/267>, abgerufen am 27.11.2024.