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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Deutsche Weltpolitik

einen ist von der entscheidenden Stelle der Gedanke einer deut¬
schen Weltpolitik ausgesprochen und die energische Unterstützung
der Zuhörer, d. h. deutscher Volksvertreter für die Durchführung
dieses Gedankens in Anspruch genommen worden, da beginnen
Blatter auch der "staatserhaltenden" Mittelparteien abzuwiegelu,
setzen auseinander, daß unser Flotteugründungsplan noch gar nicht ausgeführt
sei (was doch nur die Schuld derselben Volksvertreter ist), und beweisen, daß
wir weder die Mittel hätten, eine große Flotte zu erhalten, noch die Leute,
sie zu bemannen, kurz, geben sich die möglichste Mühe, das bischen eben auf¬
lodernde Begeisterung mit seichten Redensarten zu ersticken. Ja diese weisen
Thebaner warnen bereits ängstlich vor einer Politik der "Abenteuer" und haben
sogar deu Versuch gemacht, alter, süßer Gewohnheit folgend, den Fürsten Bis-
marck für sich in Anspruch zu nehmen und gegen den Kaiser auszuspielen,
weil die Hamburger Nachrichten in einem Artikel betont haben, daß eine Welt¬
politik eine Politik deutscher Interessen sein müsse. Nun hat dasselbe Blatt
diesem perfiden und thörichten Spiele ein rasches Ende bereitet, indem es für
eine ganz bestimmte, schon oft aufgestellte Forderung, unsre gepanzerten Kreuzer
so zu vermehren, daß wir genug Schiffe zur Hand haben, um überall einzu¬
greifen, wo es notwendig ist, mit aller Bestimmtheit eingetreten ist, und da
wir dies als die Meinung auch des Fürsten Bismarck betrachten dürfen, so
können wir uns der Übereinstimmung zwischen dem Kaiser und seinem alten
Kanzler nur aufrichtig freuen. Und war es denn auch anders zu erwarten?
Was hat denn der Kaiser mit seinem Ausdruck "Weltpolitik" sagen wollen?
Ist darunter etwa eine Abenteuerpolitik zu verstehe", die aus Eitelkeit und
Ruhmsucht überall mitreden will, auch wo wir nichts zu suchen haben? Es
wäre eine Beleidigung, auch nur daran zu denken. Der Monarch hat es für


Grenzboten I 1896 33


Deutsche Weltpolitik

einen ist von der entscheidenden Stelle der Gedanke einer deut¬
schen Weltpolitik ausgesprochen und die energische Unterstützung
der Zuhörer, d. h. deutscher Volksvertreter für die Durchführung
dieses Gedankens in Anspruch genommen worden, da beginnen
Blatter auch der „staatserhaltenden" Mittelparteien abzuwiegelu,
setzen auseinander, daß unser Flotteugründungsplan noch gar nicht ausgeführt
sei (was doch nur die Schuld derselben Volksvertreter ist), und beweisen, daß
wir weder die Mittel hätten, eine große Flotte zu erhalten, noch die Leute,
sie zu bemannen, kurz, geben sich die möglichste Mühe, das bischen eben auf¬
lodernde Begeisterung mit seichten Redensarten zu ersticken. Ja diese weisen
Thebaner warnen bereits ängstlich vor einer Politik der „Abenteuer" und haben
sogar deu Versuch gemacht, alter, süßer Gewohnheit folgend, den Fürsten Bis-
marck für sich in Anspruch zu nehmen und gegen den Kaiser auszuspielen,
weil die Hamburger Nachrichten in einem Artikel betont haben, daß eine Welt¬
politik eine Politik deutscher Interessen sein müsse. Nun hat dasselbe Blatt
diesem perfiden und thörichten Spiele ein rasches Ende bereitet, indem es für
eine ganz bestimmte, schon oft aufgestellte Forderung, unsre gepanzerten Kreuzer
so zu vermehren, daß wir genug Schiffe zur Hand haben, um überall einzu¬
greifen, wo es notwendig ist, mit aller Bestimmtheit eingetreten ist, und da
wir dies als die Meinung auch des Fürsten Bismarck betrachten dürfen, so
können wir uns der Übereinstimmung zwischen dem Kaiser und seinem alten
Kanzler nur aufrichtig freuen. Und war es denn auch anders zu erwarten?
Was hat denn der Kaiser mit seinem Ausdruck „Weltpolitik" sagen wollen?
Ist darunter etwa eine Abenteuerpolitik zu verstehe», die aus Eitelkeit und
Ruhmsucht überall mitreden will, auch wo wir nichts zu suchen haben? Es
wäre eine Beleidigung, auch nur daran zu denken. Der Monarch hat es für


Grenzboten I 1896 33
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[0265] [Abbildung] Deutsche Weltpolitik einen ist von der entscheidenden Stelle der Gedanke einer deut¬ schen Weltpolitik ausgesprochen und die energische Unterstützung der Zuhörer, d. h. deutscher Volksvertreter für die Durchführung dieses Gedankens in Anspruch genommen worden, da beginnen Blatter auch der „staatserhaltenden" Mittelparteien abzuwiegelu, setzen auseinander, daß unser Flotteugründungsplan noch gar nicht ausgeführt sei (was doch nur die Schuld derselben Volksvertreter ist), und beweisen, daß wir weder die Mittel hätten, eine große Flotte zu erhalten, noch die Leute, sie zu bemannen, kurz, geben sich die möglichste Mühe, das bischen eben auf¬ lodernde Begeisterung mit seichten Redensarten zu ersticken. Ja diese weisen Thebaner warnen bereits ängstlich vor einer Politik der „Abenteuer" und haben sogar deu Versuch gemacht, alter, süßer Gewohnheit folgend, den Fürsten Bis- marck für sich in Anspruch zu nehmen und gegen den Kaiser auszuspielen, weil die Hamburger Nachrichten in einem Artikel betont haben, daß eine Welt¬ politik eine Politik deutscher Interessen sein müsse. Nun hat dasselbe Blatt diesem perfiden und thörichten Spiele ein rasches Ende bereitet, indem es für eine ganz bestimmte, schon oft aufgestellte Forderung, unsre gepanzerten Kreuzer so zu vermehren, daß wir genug Schiffe zur Hand haben, um überall einzu¬ greifen, wo es notwendig ist, mit aller Bestimmtheit eingetreten ist, und da wir dies als die Meinung auch des Fürsten Bismarck betrachten dürfen, so können wir uns der Übereinstimmung zwischen dem Kaiser und seinem alten Kanzler nur aufrichtig freuen. Und war es denn auch anders zu erwarten? Was hat denn der Kaiser mit seinem Ausdruck „Weltpolitik" sagen wollen? Ist darunter etwa eine Abenteuerpolitik zu verstehe», die aus Eitelkeit und Ruhmsucht überall mitreden will, auch wo wir nichts zu suchen haben? Es wäre eine Beleidigung, auch nur daran zu denken. Der Monarch hat es für Grenzboten I 1896 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/265>, abgerufen am 01.09.2024.