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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

gemacht. Aber sie behielten ihren Helfer bis zum Frühjahr 1394. Inzwischen
hatten uns Amerika, die Türkei und Rumänien mit Hafer versorgt, die Preise
waren stark gesunken, und die Bauern mußten nnn mindestens um 30 bis 4V Prozent
billiger verkaufen.

Es ist sehr möglich, daß es ihnen dies Jahr mit ihrem Roggen ähnlich ergeht.
Roggen soll vielfach nicht so gut geraten sein wie sonst. Nun wird wieder mit dem
Frühjahr spekulirt, der Roggen wird festgehalten, inzwischen deckt das Ausland den
Bedarf, und im Frühjahr kostet der Roggen wahrscheinlich noch weniger als jetzt.

Meiner unmaßgeblichen Meinung nach sollten die Bauern im Herbst, wenn
ihr Korn frisch und schwer ist und auch die Kartoffeln mehr Gewicht haben als
im Frühjahr, die Hälfte oder mindestens ein Drittel ihrer Produktion verkaufen,
d L, Se. en Rest dann im Früjahr und Sommer weggeben.


Die Lage der preußischen Archivbeamten.

Seit undenklichen Zeiten
zum erstenmal enthält der diesjährige preußische Etat Mehrforderungen für die
Archivbeamten. Die Regierung scheint also den mehrfach in der Presse und in
beiden Häusern des Landtags laut gewordnen Wünschen endlich entgegengekommen
zu sein. Aber es scheint nur so; denn bei näherer Betrachtung ergiebt sich
leider, daß diese Mehrfordernngen keineswegs geeignet sind, die Beteiligten mit un¬
getrübter Freude zu erfüllen.

Der Krebsschaden der Archivverwaltung wie der meisten andern preußischen
Verwaltungen ist die übermäßige Anzahl der nicht etatmäßigen Stellen. Auf
33 etatmäßige Beamte in den Provinzen kommen ungefähr ein Dutzend Hilfs¬
arbeiter und Assistenten. Diese jungen Leute, die später fast ausnahmslos in die
etatmäßigen Stellen aufrücken, haben nach einer kurze" Vorbereitungszeit dieselben
Pflichten wie die übrigen Beamten, ja sie können in die Loge kommen, die Leitung
eines Staatsarchivs wenigstens zeitweise selbständig zu führen. Ihr Gehalt aber
steigt allmählich -- es ist fast lächerlich, es zu sagen -- von 900 auf 1500 Mark,
ohne jede Nebeubeziige. Und die Zeit, während der sie sich mit diesem Minimum
von Gehalt zu begnügen haben, ist nicht kurz, uuter deu jetzigen Verhältnissen müssen
acht bis zehn Jahre vergehen, ehe ein Hilfsarbeiter etatmäßig wird. Und diese
Leute siud schou nicht mehr ganz jung, wenn sie in den Archivdienst eintreten.
Ehe ein solcher junger Mann die dazu erforderlichen Studien, zu denen neuerdings
noch ein Fachexamen gekommen ist, beendigt hat, und ehe sich Gelegenheit findet,
ihn anzunehmen, ist er wenigstens 24 Jahre alt geworden, er wird also nicht vor
dem vierunddreißigsten Jahre etatmäßig. Diesen Übelständen würde am einfachsten
dadurch abgeholfen werden, daß mehr etatmäßige Stellen geschaffen würden, da
ja'^für die vielen Hilfsarbeiter nicht nnr zeitweilig, sondern dauernd Beschäftigung
vorhanden ist. Aber der Etat enthält keine einzige darauf zielende Forderung.

Hat der Archivbeamte endlich mit 34 Jahren das erhebende Bewußtsein, ein
ordentlich angestellter Beamter zu sein, so soll er nach dem Etat außer dem
Wohnungsgeldznschnß 2100 Mark erhalten; bisher waren es 1300 Mark. Die
hierin liegende Verbesserung ist aber nur scheinbar, denn durch eine andre Regelung
der Dienstalterszulagen ist es dahin gebracht, daß man jetzt wie früher dreimal
drei Jahre brauchen wird, ehe man von dem Aufaugsgehalt bis auf 3000 Mark
kommt.^ Von da ab erhält man weiter aller drei Jahre eine Zulage von 300 Mark,
bis man nach 27 etatmäßigen Dienstjahren den höchsten Gehalt von 4500 Mark
erreicht. Wer also mit 24 Jahren in den Archivdienst tritt und mit 34 Jahren
etatmäßig wird, hat die tröstliche Hoffnung, sich mit 61 Jahre" im Besitze von


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gemacht. Aber sie behielten ihren Helfer bis zum Frühjahr 1394. Inzwischen
hatten uns Amerika, die Türkei und Rumänien mit Hafer versorgt, die Preise
waren stark gesunken, und die Bauern mußten nnn mindestens um 30 bis 4V Prozent
billiger verkaufen.

Es ist sehr möglich, daß es ihnen dies Jahr mit ihrem Roggen ähnlich ergeht.
Roggen soll vielfach nicht so gut geraten sein wie sonst. Nun wird wieder mit dem
Frühjahr spekulirt, der Roggen wird festgehalten, inzwischen deckt das Ausland den
Bedarf, und im Frühjahr kostet der Roggen wahrscheinlich noch weniger als jetzt.

Meiner unmaßgeblichen Meinung nach sollten die Bauern im Herbst, wenn
ihr Korn frisch und schwer ist und auch die Kartoffeln mehr Gewicht haben als
im Frühjahr, die Hälfte oder mindestens ein Drittel ihrer Produktion verkaufen,
d L, Se. en Rest dann im Früjahr und Sommer weggeben.


Die Lage der preußischen Archivbeamten.

Seit undenklichen Zeiten
zum erstenmal enthält der diesjährige preußische Etat Mehrforderungen für die
Archivbeamten. Die Regierung scheint also den mehrfach in der Presse und in
beiden Häusern des Landtags laut gewordnen Wünschen endlich entgegengekommen
zu sein. Aber es scheint nur so; denn bei näherer Betrachtung ergiebt sich
leider, daß diese Mehrfordernngen keineswegs geeignet sind, die Beteiligten mit un¬
getrübter Freude zu erfüllen.

Der Krebsschaden der Archivverwaltung wie der meisten andern preußischen
Verwaltungen ist die übermäßige Anzahl der nicht etatmäßigen Stellen. Auf
33 etatmäßige Beamte in den Provinzen kommen ungefähr ein Dutzend Hilfs¬
arbeiter und Assistenten. Diese jungen Leute, die später fast ausnahmslos in die
etatmäßigen Stellen aufrücken, haben nach einer kurze» Vorbereitungszeit dieselben
Pflichten wie die übrigen Beamten, ja sie können in die Loge kommen, die Leitung
eines Staatsarchivs wenigstens zeitweise selbständig zu führen. Ihr Gehalt aber
steigt allmählich — es ist fast lächerlich, es zu sagen — von 900 auf 1500 Mark,
ohne jede Nebeubeziige. Und die Zeit, während der sie sich mit diesem Minimum
von Gehalt zu begnügen haben, ist nicht kurz, uuter deu jetzigen Verhältnissen müssen
acht bis zehn Jahre vergehen, ehe ein Hilfsarbeiter etatmäßig wird. Und diese
Leute siud schou nicht mehr ganz jung, wenn sie in den Archivdienst eintreten.
Ehe ein solcher junger Mann die dazu erforderlichen Studien, zu denen neuerdings
noch ein Fachexamen gekommen ist, beendigt hat, und ehe sich Gelegenheit findet,
ihn anzunehmen, ist er wenigstens 24 Jahre alt geworden, er wird also nicht vor
dem vierunddreißigsten Jahre etatmäßig. Diesen Übelständen würde am einfachsten
dadurch abgeholfen werden, daß mehr etatmäßige Stellen geschaffen würden, da
ja'^für die vielen Hilfsarbeiter nicht nnr zeitweilig, sondern dauernd Beschäftigung
vorhanden ist. Aber der Etat enthält keine einzige darauf zielende Forderung.

Hat der Archivbeamte endlich mit 34 Jahren das erhebende Bewußtsein, ein
ordentlich angestellter Beamter zu sein, so soll er nach dem Etat außer dem
Wohnungsgeldznschnß 2100 Mark erhalten; bisher waren es 1300 Mark. Die
hierin liegende Verbesserung ist aber nur scheinbar, denn durch eine andre Regelung
der Dienstalterszulagen ist es dahin gebracht, daß man jetzt wie früher dreimal
drei Jahre brauchen wird, ehe man von dem Aufaugsgehalt bis auf 3000 Mark
kommt.^ Von da ab erhält man weiter aller drei Jahre eine Zulage von 300 Mark,
bis man nach 27 etatmäßigen Dienstjahren den höchsten Gehalt von 4500 Mark
erreicht. Wer also mit 24 Jahren in den Archivdienst tritt und mit 34 Jahren
etatmäßig wird, hat die tröstliche Hoffnung, sich mit 61 Jahre» im Besitze von


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[0262] Maßgebliches und Unmaßgebliches gemacht. Aber sie behielten ihren Helfer bis zum Frühjahr 1394. Inzwischen hatten uns Amerika, die Türkei und Rumänien mit Hafer versorgt, die Preise waren stark gesunken, und die Bauern mußten nnn mindestens um 30 bis 4V Prozent billiger verkaufen. Es ist sehr möglich, daß es ihnen dies Jahr mit ihrem Roggen ähnlich ergeht. Roggen soll vielfach nicht so gut geraten sein wie sonst. Nun wird wieder mit dem Frühjahr spekulirt, der Roggen wird festgehalten, inzwischen deckt das Ausland den Bedarf, und im Frühjahr kostet der Roggen wahrscheinlich noch weniger als jetzt. Meiner unmaßgeblichen Meinung nach sollten die Bauern im Herbst, wenn ihr Korn frisch und schwer ist und auch die Kartoffeln mehr Gewicht haben als im Frühjahr, die Hälfte oder mindestens ein Drittel ihrer Produktion verkaufen, d L, Se. en Rest dann im Früjahr und Sommer weggeben. Die Lage der preußischen Archivbeamten. Seit undenklichen Zeiten zum erstenmal enthält der diesjährige preußische Etat Mehrforderungen für die Archivbeamten. Die Regierung scheint also den mehrfach in der Presse und in beiden Häusern des Landtags laut gewordnen Wünschen endlich entgegengekommen zu sein. Aber es scheint nur so; denn bei näherer Betrachtung ergiebt sich leider, daß diese Mehrfordernngen keineswegs geeignet sind, die Beteiligten mit un¬ getrübter Freude zu erfüllen. Der Krebsschaden der Archivverwaltung wie der meisten andern preußischen Verwaltungen ist die übermäßige Anzahl der nicht etatmäßigen Stellen. Auf 33 etatmäßige Beamte in den Provinzen kommen ungefähr ein Dutzend Hilfs¬ arbeiter und Assistenten. Diese jungen Leute, die später fast ausnahmslos in die etatmäßigen Stellen aufrücken, haben nach einer kurze» Vorbereitungszeit dieselben Pflichten wie die übrigen Beamten, ja sie können in die Loge kommen, die Leitung eines Staatsarchivs wenigstens zeitweise selbständig zu führen. Ihr Gehalt aber steigt allmählich — es ist fast lächerlich, es zu sagen — von 900 auf 1500 Mark, ohne jede Nebeubeziige. Und die Zeit, während der sie sich mit diesem Minimum von Gehalt zu begnügen haben, ist nicht kurz, uuter deu jetzigen Verhältnissen müssen acht bis zehn Jahre vergehen, ehe ein Hilfsarbeiter etatmäßig wird. Und diese Leute siud schou nicht mehr ganz jung, wenn sie in den Archivdienst eintreten. Ehe ein solcher junger Mann die dazu erforderlichen Studien, zu denen neuerdings noch ein Fachexamen gekommen ist, beendigt hat, und ehe sich Gelegenheit findet, ihn anzunehmen, ist er wenigstens 24 Jahre alt geworden, er wird also nicht vor dem vierunddreißigsten Jahre etatmäßig. Diesen Übelständen würde am einfachsten dadurch abgeholfen werden, daß mehr etatmäßige Stellen geschaffen würden, da ja'^für die vielen Hilfsarbeiter nicht nnr zeitweilig, sondern dauernd Beschäftigung vorhanden ist. Aber der Etat enthält keine einzige darauf zielende Forderung. Hat der Archivbeamte endlich mit 34 Jahren das erhebende Bewußtsein, ein ordentlich angestellter Beamter zu sein, so soll er nach dem Etat außer dem Wohnungsgeldznschnß 2100 Mark erhalten; bisher waren es 1300 Mark. Die hierin liegende Verbesserung ist aber nur scheinbar, denn durch eine andre Regelung der Dienstalterszulagen ist es dahin gebracht, daß man jetzt wie früher dreimal drei Jahre brauchen wird, ehe man von dem Aufaugsgehalt bis auf 3000 Mark kommt.^ Von da ab erhält man weiter aller drei Jahre eine Zulage von 300 Mark, bis man nach 27 etatmäßigen Dienstjahren den höchsten Gehalt von 4500 Mark erreicht. Wer also mit 24 Jahren in den Archivdienst tritt und mit 34 Jahren etatmäßig wird, hat die tröstliche Hoffnung, sich mit 61 Jahre» im Besitze von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/262>, abgerufen am 27.11.2024.