Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.Ans den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen Ministers Servais übertrage". Man braucht in der That nur § 7 des Zusatzartikels 1 zum Auch dieser Vorgang ist sehr lehrreich. Man kann daraus ersehen, daß Ans den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen Ministers Servais übertrage». Man braucht in der That nur § 7 des Zusatzartikels 1 zum Auch dieser Vorgang ist sehr lehrreich. Man kann daraus ersehen, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221888"/> <fw type="header" place="top"> Ans den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen Ministers Servais</fw><lb/> <p xml:id="ID_736" prev="#ID_735"> übertrage». Man braucht in der That nur § 7 des Zusatzartikels 1 zum<lb/> Frankfurter Friedensverträge zu lesen, um die rechtlichen Schwierigkeiten zu<lb/> begreifen, die aber leicht umgangen werden konnten. Die Ostbahngesellschaft hatte<lb/> sich ja Frankreich gegenüber verpflichten müssen, auf ihre Rechte zum Betriebe<lb/> der Bahnen im neuen Reichslande zu Gunsten der französischen Regierung zu<lb/> verzichten. Deutschland aber war in der Lage, die Summe für die Ablösung<lb/> der französischen Rechte (260 Millionen Mark) so hoch zu bemessen, daß die<lb/> Ostbahngesellschaft auch für den Betrieb der Linien in Luxemburg ausgiebig<lb/> entschädigt werdeu konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> Auch dieser Vorgang ist sehr lehrreich. Man kann daraus ersehen, daß<lb/> ein kleiner neutraler Staat, dessen Bevölkerung sich während eines Krieges<lb/> zwischen Nachbarn nicht ganz und gar unparteiisch verhält, beim Friedens¬<lb/> schluß von dem unterliegenden verpflichteten Staate ebenso wenig Rücksicht<lb/> erfährt, als er vom Sieger und Gegner Schonung erwarten kann. Es tritt<lb/> ein Zeitpunkt ein, wo man unbequem wird. Servais mußte aber auch<lb/> noch die Erfahrung machen, daß auch der neutrale Nachbar nicht die Rolle<lb/> Catos zu übernehmen habe, dem die besiegte Sache besser gefällt. Servais<lb/> setzte auch nach dem Frankfurter Friedensschluß, dessen Wortlaut doch auf ein<lb/> völliges Einverständnis zwischen Deutschland und Frankreich hindeutete, die<lb/> Bemühungen fort, einen Deutschland genehmen Rechtsnachfolger für die fran¬<lb/> zösische Ostbahngesellschaft zu suchen. Ju Brüssel war man im Ministerium<lb/> kurz angebunden; die Irläüvvnäaiuzg und der ?i'L<ni'Kcmr verweigerten sogar die<lb/> Aufnahme von Besprechungen der Sache. Die Wilhelm-Luxemburggesellschaft<lb/> war entschlossen, sich jedem Vertrage zu widersetzen, der nicht sür die von der<lb/> Ostbahn gezahlte Miete von 3 Millionen Franks Ersatz böte. Die Lage schien<lb/> so schwierig, daß sogar der Belgier Philippart, der doch damals seine eignen<lb/> Verpflichtungen für die Prinz-Heinrichbahnen nicht erfüllen konnte, seine Hilfe<lb/> anbieten zu können glaubte. Im Juli 1871 fand sich Ernsthausen in Luxem¬<lb/> burg wieder ein, um sich mit der Regierung über die Lage zu verständigen,<lb/> die „durch die Abtretung der Rechte der Ostbahngesellschaft" geschaffen war.<lb/> Ernsthausen kam wiederholt auf die Übernahme der Post- und Telegraphen-<lb/> Verwaltung zurück, doch ohne diesmal von einer Entschädigung zu sprechen.<lb/> Die nur mündlich gepflognen Verhandlungen führten zu keinem Abschluß.<lb/> Luxemburg brachte darauf die Rheinische Gesellschaft in Vorschlag, Delbrück<lb/> lehnte aber ab; eine Privatgesellschaft biete keine genügende Bürgschaft für<lb/> die Wahrung der Neutralität, ein staatlicher Betrieb, wie der durch die reichs-<lb/> ländischen Eisenbahnen, sei vorzuziehen. Dann entstand das Gerücht, Bleich-<lb/> röder wolle eine deutsche Gesellschaft gründen; das Gerücht verstummte plötz¬<lb/> lich, als im Februar 1372 die ersten schriftlichen Vorschläge aus Berlin ein¬<lb/> getroffen waren, die ans Übernahme des Betriebs durch die Verwaltung der<lb/> Neichseisenbahnen in Straßburg abzielten. Der Staatsrat in Luxemburg sprach</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
Ans den Denkwürdigkeiten des luxemburgischen Ministers Servais
übertrage». Man braucht in der That nur § 7 des Zusatzartikels 1 zum
Frankfurter Friedensverträge zu lesen, um die rechtlichen Schwierigkeiten zu
begreifen, die aber leicht umgangen werden konnten. Die Ostbahngesellschaft hatte
sich ja Frankreich gegenüber verpflichten müssen, auf ihre Rechte zum Betriebe
der Bahnen im neuen Reichslande zu Gunsten der französischen Regierung zu
verzichten. Deutschland aber war in der Lage, die Summe für die Ablösung
der französischen Rechte (260 Millionen Mark) so hoch zu bemessen, daß die
Ostbahngesellschaft auch für den Betrieb der Linien in Luxemburg ausgiebig
entschädigt werdeu konnte.
Auch dieser Vorgang ist sehr lehrreich. Man kann daraus ersehen, daß
ein kleiner neutraler Staat, dessen Bevölkerung sich während eines Krieges
zwischen Nachbarn nicht ganz und gar unparteiisch verhält, beim Friedens¬
schluß von dem unterliegenden verpflichteten Staate ebenso wenig Rücksicht
erfährt, als er vom Sieger und Gegner Schonung erwarten kann. Es tritt
ein Zeitpunkt ein, wo man unbequem wird. Servais mußte aber auch
noch die Erfahrung machen, daß auch der neutrale Nachbar nicht die Rolle
Catos zu übernehmen habe, dem die besiegte Sache besser gefällt. Servais
setzte auch nach dem Frankfurter Friedensschluß, dessen Wortlaut doch auf ein
völliges Einverständnis zwischen Deutschland und Frankreich hindeutete, die
Bemühungen fort, einen Deutschland genehmen Rechtsnachfolger für die fran¬
zösische Ostbahngesellschaft zu suchen. Ju Brüssel war man im Ministerium
kurz angebunden; die Irläüvvnäaiuzg und der ?i'L<ni'Kcmr verweigerten sogar die
Aufnahme von Besprechungen der Sache. Die Wilhelm-Luxemburggesellschaft
war entschlossen, sich jedem Vertrage zu widersetzen, der nicht sür die von der
Ostbahn gezahlte Miete von 3 Millionen Franks Ersatz böte. Die Lage schien
so schwierig, daß sogar der Belgier Philippart, der doch damals seine eignen
Verpflichtungen für die Prinz-Heinrichbahnen nicht erfüllen konnte, seine Hilfe
anbieten zu können glaubte. Im Juli 1871 fand sich Ernsthausen in Luxem¬
burg wieder ein, um sich mit der Regierung über die Lage zu verständigen,
die „durch die Abtretung der Rechte der Ostbahngesellschaft" geschaffen war.
Ernsthausen kam wiederholt auf die Übernahme der Post- und Telegraphen-
Verwaltung zurück, doch ohne diesmal von einer Entschädigung zu sprechen.
Die nur mündlich gepflognen Verhandlungen führten zu keinem Abschluß.
Luxemburg brachte darauf die Rheinische Gesellschaft in Vorschlag, Delbrück
lehnte aber ab; eine Privatgesellschaft biete keine genügende Bürgschaft für
die Wahrung der Neutralität, ein staatlicher Betrieb, wie der durch die reichs-
ländischen Eisenbahnen, sei vorzuziehen. Dann entstand das Gerücht, Bleich-
röder wolle eine deutsche Gesellschaft gründen; das Gerücht verstummte plötz¬
lich, als im Februar 1372 die ersten schriftlichen Vorschläge aus Berlin ein¬
getroffen waren, die ans Übernahme des Betriebs durch die Verwaltung der
Neichseisenbahnen in Straßburg abzielten. Der Staatsrat in Luxemburg sprach
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt). |