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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Unser Aschenbrödel

Wassern. Es ist ein gefährlicher Trugschluß, zum Küstenschutz sei keine Schlacht-
flvtte nötig. Im Gegenteil, je stärker die Schlachtflotte ist, desto weniger
lokale Verteidigungskräfte siud nötig, wozu außer den Küstenbefestigungen auf
dem Lande die Panzerkanonenboote und Torpedoboote usw. gehören. Ohne
Schlachtflotte würden die heimischen Küsten an allen Punkten, die uicht sehr
stark durch Küstenforts und Küstenpanzerschiffe geschützt wären, den feindlichen
Angriffen und Brandschatzungen, den Laudnngcu großer Heeresteilc ausgesetzt
sein; auch würden alle Zugänge zu Seehäfen gesperrt werden. Damit wäre
also auch die Seeschiffahrt der neutralen Handelsschiffe für uns abgeschnitten,
und unser ganzer Welthandel würde ins Stocken geraten, ja unter Umständen
ganz unterbunden werden können. Schließlich würden alle deutschen Schiffe
außerhalb der Hufen gekapert werden und alle Kolonien verloren gehen. Also
auch der wirksame Küstenschutz fordert dringend eine Schlachtflvtte, die stark
genug ist, die feindlichen Angriffsgeschwader von unsern Küsten, d. h. auf höher
See, anzugreifen und zurückzuschlagen; eine solche taktische Offensive ist auch
bei der strategischen Defensive nötig.

Bisher ist im Ausbau der Flotte viel versäumt worden, weil man im
großen Binnenlande unser Heranwachsen zur Weltmacht nicht verfolgt hat.
Mit dem Schlngwort vom Küstenschutze suchte man daran festzuhalten, daß
Deutschland nur eine kleine Flotte nötig habe. Diesen Irrtum, der für uns
alle verhängnisvoll werden kann, sollte jeder nach besten Kräften beseitigen
helfen. Um im Kampfe ums Dasein mit andern Völkern, um im Wettbewerb
unsrer fleißigen Arbeit auf dem Weltmarkte bestehen zu können, müssen wir
denen, die uns daran hindern wollen, die Zähne zeigen können. Dazu dient
die Flotte.

Die verantwortlichen Fachleute versuche" seit Jahren unsre Kriegsflotte
auf den Stand zu bringen, der der Weltmachtstellung Deutschlands einiger¬
maßen entspräche; sie kämpfen dabei seit Jahren einen schweren Kampf, weil
sie kämpfen müssen mit unkundigen, oft noch dazu in alten Vorurteilen be¬
fangnen Neichsboteu, die von der neuen Zeit mit ihren neuen Forderungen
nichts fühlen, nichts sehen oder, wie es leider ja auch vorkommt, nichts sehen
wollen. In England, in Frankreich und wohl auch in Italien, da drängt zu¬
weilen das Volk selbst oder doch die einsichtige führende Minderheit mit starkem
Druck auf die Regierung, um die Flotte zu vermehren; bei uns ist das noch
nie dagewesen, weil man im Lande immer noch zu wenig Verständnis für die
Bedeutung der Flotte hat. Deutschland hat noch keine Seegeschichte, weil es
meist zerrisse" und uneinig war. Das muß anders werden, wenn wir nicht
verkümmern wollen; daß die Arbeitskraft des Volks gelähmt werde, kann doch
kein Deutscher wünschen, welcher Partei er auch angehöre. Ohne starke Flotte
droht uns aber die Verdrängung vom Weltverkehr, worunter jeder Deutsche
leiden müßte.


Unser Aschenbrödel

Wassern. Es ist ein gefährlicher Trugschluß, zum Küstenschutz sei keine Schlacht-
flvtte nötig. Im Gegenteil, je stärker die Schlachtflotte ist, desto weniger
lokale Verteidigungskräfte siud nötig, wozu außer den Küstenbefestigungen auf
dem Lande die Panzerkanonenboote und Torpedoboote usw. gehören. Ohne
Schlachtflotte würden die heimischen Küsten an allen Punkten, die uicht sehr
stark durch Küstenforts und Küstenpanzerschiffe geschützt wären, den feindlichen
Angriffen und Brandschatzungen, den Laudnngcu großer Heeresteilc ausgesetzt
sein; auch würden alle Zugänge zu Seehäfen gesperrt werden. Damit wäre
also auch die Seeschiffahrt der neutralen Handelsschiffe für uns abgeschnitten,
und unser ganzer Welthandel würde ins Stocken geraten, ja unter Umständen
ganz unterbunden werden können. Schließlich würden alle deutschen Schiffe
außerhalb der Hufen gekapert werden und alle Kolonien verloren gehen. Also
auch der wirksame Küstenschutz fordert dringend eine Schlachtflvtte, die stark
genug ist, die feindlichen Angriffsgeschwader von unsern Küsten, d. h. auf höher
See, anzugreifen und zurückzuschlagen; eine solche taktische Offensive ist auch
bei der strategischen Defensive nötig.

Bisher ist im Ausbau der Flotte viel versäumt worden, weil man im
großen Binnenlande unser Heranwachsen zur Weltmacht nicht verfolgt hat.
Mit dem Schlngwort vom Küstenschutze suchte man daran festzuhalten, daß
Deutschland nur eine kleine Flotte nötig habe. Diesen Irrtum, der für uns
alle verhängnisvoll werden kann, sollte jeder nach besten Kräften beseitigen
helfen. Um im Kampfe ums Dasein mit andern Völkern, um im Wettbewerb
unsrer fleißigen Arbeit auf dem Weltmarkte bestehen zu können, müssen wir
denen, die uns daran hindern wollen, die Zähne zeigen können. Dazu dient
die Flotte.

Die verantwortlichen Fachleute versuche» seit Jahren unsre Kriegsflotte
auf den Stand zu bringen, der der Weltmachtstellung Deutschlands einiger¬
maßen entspräche; sie kämpfen dabei seit Jahren einen schweren Kampf, weil
sie kämpfen müssen mit unkundigen, oft noch dazu in alten Vorurteilen be¬
fangnen Neichsboteu, die von der neuen Zeit mit ihren neuen Forderungen
nichts fühlen, nichts sehen oder, wie es leider ja auch vorkommt, nichts sehen
wollen. In England, in Frankreich und wohl auch in Italien, da drängt zu¬
weilen das Volk selbst oder doch die einsichtige führende Minderheit mit starkem
Druck auf die Regierung, um die Flotte zu vermehren; bei uns ist das noch
nie dagewesen, weil man im Lande immer noch zu wenig Verständnis für die
Bedeutung der Flotte hat. Deutschland hat noch keine Seegeschichte, weil es
meist zerrisse» und uneinig war. Das muß anders werden, wenn wir nicht
verkümmern wollen; daß die Arbeitskraft des Volks gelähmt werde, kann doch
kein Deutscher wünschen, welcher Partei er auch angehöre. Ohne starke Flotte
droht uns aber die Verdrängung vom Weltverkehr, worunter jeder Deutsche
leiden müßte.


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[0219] Unser Aschenbrödel Wassern. Es ist ein gefährlicher Trugschluß, zum Küstenschutz sei keine Schlacht- flvtte nötig. Im Gegenteil, je stärker die Schlachtflotte ist, desto weniger lokale Verteidigungskräfte siud nötig, wozu außer den Küstenbefestigungen auf dem Lande die Panzerkanonenboote und Torpedoboote usw. gehören. Ohne Schlachtflotte würden die heimischen Küsten an allen Punkten, die uicht sehr stark durch Küstenforts und Küstenpanzerschiffe geschützt wären, den feindlichen Angriffen und Brandschatzungen, den Laudnngcu großer Heeresteilc ausgesetzt sein; auch würden alle Zugänge zu Seehäfen gesperrt werden. Damit wäre also auch die Seeschiffahrt der neutralen Handelsschiffe für uns abgeschnitten, und unser ganzer Welthandel würde ins Stocken geraten, ja unter Umständen ganz unterbunden werden können. Schließlich würden alle deutschen Schiffe außerhalb der Hufen gekapert werden und alle Kolonien verloren gehen. Also auch der wirksame Küstenschutz fordert dringend eine Schlachtflvtte, die stark genug ist, die feindlichen Angriffsgeschwader von unsern Küsten, d. h. auf höher See, anzugreifen und zurückzuschlagen; eine solche taktische Offensive ist auch bei der strategischen Defensive nötig. Bisher ist im Ausbau der Flotte viel versäumt worden, weil man im großen Binnenlande unser Heranwachsen zur Weltmacht nicht verfolgt hat. Mit dem Schlngwort vom Küstenschutze suchte man daran festzuhalten, daß Deutschland nur eine kleine Flotte nötig habe. Diesen Irrtum, der für uns alle verhängnisvoll werden kann, sollte jeder nach besten Kräften beseitigen helfen. Um im Kampfe ums Dasein mit andern Völkern, um im Wettbewerb unsrer fleißigen Arbeit auf dem Weltmarkte bestehen zu können, müssen wir denen, die uns daran hindern wollen, die Zähne zeigen können. Dazu dient die Flotte. Die verantwortlichen Fachleute versuche» seit Jahren unsre Kriegsflotte auf den Stand zu bringen, der der Weltmachtstellung Deutschlands einiger¬ maßen entspräche; sie kämpfen dabei seit Jahren einen schweren Kampf, weil sie kämpfen müssen mit unkundigen, oft noch dazu in alten Vorurteilen be¬ fangnen Neichsboteu, die von der neuen Zeit mit ihren neuen Forderungen nichts fühlen, nichts sehen oder, wie es leider ja auch vorkommt, nichts sehen wollen. In England, in Frankreich und wohl auch in Italien, da drängt zu¬ weilen das Volk selbst oder doch die einsichtige führende Minderheit mit starkem Druck auf die Regierung, um die Flotte zu vermehren; bei uns ist das noch nie dagewesen, weil man im Lande immer noch zu wenig Verständnis für die Bedeutung der Flotte hat. Deutschland hat noch keine Seegeschichte, weil es meist zerrisse» und uneinig war. Das muß anders werden, wenn wir nicht verkümmern wollen; daß die Arbeitskraft des Volks gelähmt werde, kann doch kein Deutscher wünschen, welcher Partei er auch angehöre. Ohne starke Flotte droht uns aber die Verdrängung vom Weltverkehr, worunter jeder Deutsche leiden müßte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/219>, abgerufen am 24.11.2024.