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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb

Daß bei der Strafverfolgung durch Privatklage die Schöffengerichte, für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aber neben den Amtsgerichten die Kammern für
Handelssachen bei den Landgerichten zuständig sein sollen, entspricht ebenfalls
dem praktischen Bedürfnis, denn gerade auf dem Gebiete des unlautern Wett¬
bewerbs ist die Mitwirkung von Laien, die meist selbst Gewerbtreibende sind
und den Gerichtshof dadurch geradezu zu einem Gewerbegericht machen, in
hohem Grade erwünscht. Ob überhaupt ein Strafschutz gegen den unlautern
Wettbewerb geboten ist, wird freilich noch eingehend zu erwägen sein. Wir
gestehen, daß wir ihn nicht ganz glauben entbehren zu können. Warum er
vom Entwurf aber gerade bei der Anmaßung fremder Unterscheidungszeichen
in § 8 versagt wird, vermögen wir nicht recht einzusehen. Viel zur Ver¬
meidung von Strafanzeigen würde es beitragen, wenn nicht nur den Straf¬
gerichten, sondern auch den Zivilgerichten die Befugnis zugesprochen würde,
auf eine Buße zu erkennen. Wer da weiß, wie schwer es unter Umstünden
ist, die Entstehung eines Schadens und seine Höhe unanfechtbar zu beweisen,
wird zugeben, daß dieser Umstand leicht dazu verleiten kann, sich an den
Strafrichter statt an den Zivilrichter zu wenden, nnr um in der Buße eine
Entschädigung zu erhalten. Kann aber auch der Zivilrichter uach freiem Er¬
messen eine Buße gewähren, wo der strenge Beweis für die bestimmte Höhe
eines Schadens nicht ausreicht, so wird der Weg der Strafklage seltner be¬
schnitten werden. Wir würden dies für einen Vorteil halten. Es wird im
deutschen Vaterlande schon genug gestraft.

Möchte der Entwurf mit den vorgeschlagnen Verbesserungen Gesetz werden!

Zum Schluß möchten wir noch auf eine Merkwürdigkeit hinweisen. Der
Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs enthält in 8 749 und § 748
Bestimmungen, die das von uns geforderte allgemeine Verbot eines unlautern
Wettbewerbs durchaus enthalten und nach der ausdrücklichen Erklärung in der
Begründung jenes Entwurfs auch enthalten wollen. Sie lauten:

8 749. Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zu¬
stehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise
einem andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem andern zum Ersatze des Schadens
verpflichtet.
Z 748. Wer der Wahrheit zuwider eine Thatsache behauptet oder verbreitet,
die geeignet ist, den Kredit eines andern zu gefährden oder sonstige Nachteile für
dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat demselben den dadurch ver¬
ursachten Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kannte,
aber hätte kennen müssen.

Werden diese Bestimmungen Gesetz, so sind damit die zivilrechtlichen
Vorschriften des Gesetzes über den unlautern Wettbewerb überholt. Es muß
Wunder nehmen, daß in zwei Gesetzentwürfen, die beinahe gleichzeitig vorgelegt
werden, keines auf die Bestimmungen des andern, die doch den gleichen Stoff


Grenzboten I 1896 22
Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb

Daß bei der Strafverfolgung durch Privatklage die Schöffengerichte, für
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aber neben den Amtsgerichten die Kammern für
Handelssachen bei den Landgerichten zuständig sein sollen, entspricht ebenfalls
dem praktischen Bedürfnis, denn gerade auf dem Gebiete des unlautern Wett¬
bewerbs ist die Mitwirkung von Laien, die meist selbst Gewerbtreibende sind
und den Gerichtshof dadurch geradezu zu einem Gewerbegericht machen, in
hohem Grade erwünscht. Ob überhaupt ein Strafschutz gegen den unlautern
Wettbewerb geboten ist, wird freilich noch eingehend zu erwägen sein. Wir
gestehen, daß wir ihn nicht ganz glauben entbehren zu können. Warum er
vom Entwurf aber gerade bei der Anmaßung fremder Unterscheidungszeichen
in § 8 versagt wird, vermögen wir nicht recht einzusehen. Viel zur Ver¬
meidung von Strafanzeigen würde es beitragen, wenn nicht nur den Straf¬
gerichten, sondern auch den Zivilgerichten die Befugnis zugesprochen würde,
auf eine Buße zu erkennen. Wer da weiß, wie schwer es unter Umstünden
ist, die Entstehung eines Schadens und seine Höhe unanfechtbar zu beweisen,
wird zugeben, daß dieser Umstand leicht dazu verleiten kann, sich an den
Strafrichter statt an den Zivilrichter zu wenden, nnr um in der Buße eine
Entschädigung zu erhalten. Kann aber auch der Zivilrichter uach freiem Er¬
messen eine Buße gewähren, wo der strenge Beweis für die bestimmte Höhe
eines Schadens nicht ausreicht, so wird der Weg der Strafklage seltner be¬
schnitten werden. Wir würden dies für einen Vorteil halten. Es wird im
deutschen Vaterlande schon genug gestraft.

Möchte der Entwurf mit den vorgeschlagnen Verbesserungen Gesetz werden!

Zum Schluß möchten wir noch auf eine Merkwürdigkeit hinweisen. Der
Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs enthält in 8 749 und § 748
Bestimmungen, die das von uns geforderte allgemeine Verbot eines unlautern
Wettbewerbs durchaus enthalten und nach der ausdrücklichen Erklärung in der
Begründung jenes Entwurfs auch enthalten wollen. Sie lauten:

8 749. Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zu¬
stehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise
einem andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem andern zum Ersatze des Schadens
verpflichtet.
Z 748. Wer der Wahrheit zuwider eine Thatsache behauptet oder verbreitet,
die geeignet ist, den Kredit eines andern zu gefährden oder sonstige Nachteile für
dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat demselben den dadurch ver¬
ursachten Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kannte,
aber hätte kennen müssen.

Werden diese Bestimmungen Gesetz, so sind damit die zivilrechtlichen
Vorschriften des Gesetzes über den unlautern Wettbewerb überholt. Es muß
Wunder nehmen, daß in zwei Gesetzentwürfen, die beinahe gleichzeitig vorgelegt
werden, keines auf die Bestimmungen des andern, die doch den gleichen Stoff


Grenzboten I 1896 22
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[0177] Der Gesetzentwurf gegen unlautern Wettbewerb Daß bei der Strafverfolgung durch Privatklage die Schöffengerichte, für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aber neben den Amtsgerichten die Kammern für Handelssachen bei den Landgerichten zuständig sein sollen, entspricht ebenfalls dem praktischen Bedürfnis, denn gerade auf dem Gebiete des unlautern Wett¬ bewerbs ist die Mitwirkung von Laien, die meist selbst Gewerbtreibende sind und den Gerichtshof dadurch geradezu zu einem Gewerbegericht machen, in hohem Grade erwünscht. Ob überhaupt ein Strafschutz gegen den unlautern Wettbewerb geboten ist, wird freilich noch eingehend zu erwägen sein. Wir gestehen, daß wir ihn nicht ganz glauben entbehren zu können. Warum er vom Entwurf aber gerade bei der Anmaßung fremder Unterscheidungszeichen in § 8 versagt wird, vermögen wir nicht recht einzusehen. Viel zur Ver¬ meidung von Strafanzeigen würde es beitragen, wenn nicht nur den Straf¬ gerichten, sondern auch den Zivilgerichten die Befugnis zugesprochen würde, auf eine Buße zu erkennen. Wer da weiß, wie schwer es unter Umstünden ist, die Entstehung eines Schadens und seine Höhe unanfechtbar zu beweisen, wird zugeben, daß dieser Umstand leicht dazu verleiten kann, sich an den Strafrichter statt an den Zivilrichter zu wenden, nnr um in der Buße eine Entschädigung zu erhalten. Kann aber auch der Zivilrichter uach freiem Er¬ messen eine Buße gewähren, wo der strenge Beweis für die bestimmte Höhe eines Schadens nicht ausreicht, so wird der Weg der Strafklage seltner be¬ schnitten werden. Wir würden dies für einen Vorteil halten. Es wird im deutschen Vaterlande schon genug gestraft. Möchte der Entwurf mit den vorgeschlagnen Verbesserungen Gesetz werden! Zum Schluß möchten wir noch auf eine Merkwürdigkeit hinweisen. Der Entwurf eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs enthält in 8 749 und § 748 Bestimmungen, die das von uns geforderte allgemeine Verbot eines unlautern Wettbewerbs durchaus enthalten und nach der ausdrücklichen Erklärung in der Begründung jenes Entwurfs auch enthalten wollen. Sie lauten: 8 749. Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zu¬ stehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem andern vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem andern zum Ersatze des Schadens verpflichtet. Z 748. Wer der Wahrheit zuwider eine Thatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines andern zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat demselben den dadurch ver¬ ursachten Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kannte, aber hätte kennen müssen. Werden diese Bestimmungen Gesetz, so sind damit die zivilrechtlichen Vorschriften des Gesetzes über den unlautern Wettbewerb überholt. Es muß Wunder nehmen, daß in zwei Gesetzentwürfen, die beinahe gleichzeitig vorgelegt werden, keines auf die Bestimmungen des andern, die doch den gleichen Stoff Grenzboten I 1896 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/177>, abgerufen am 01.09.2024.