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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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fluß auf China abnehmen. Dann wird sich China nicht von Hongkong aus,
sondern von Norden aus erschließen; dann machen nicht die Handelshäuser
von Hongkong das Geschäft, deutsche und englische, sondern die von Wladi¬
wostok, und das sind nur Hamburger, gute Deutsche, solange es ein mächtiges
deutsches Reich giebt. Die Russen können den Engländern auch Indien nehmen,
aber doch eigentlich nicht Indien, sondern nur die Regierung über Indien.
Oder können sie etwa diese Milliarden englischen Privatkapitals verdrängen,
ihnen den Besitz des Bodens, des Handels und der Fabriken nehmen? Nicht
ohne daß sie das Land verwüsten. Dagegen können die Deutschen sehr wohl
den Engländern z. B. Hongkong nehmen. Angenommen, der deutsche Handel
in Hongkong mache jetzt ein Zehntel des englischen aus, so kann er in einigen
Jahrzehnten sechs Zehntel ausmachen. Dann ist eben Hongkong deutsch mit
oder ohne deutsche Flagge, und es ist eine Leichtigkeit, die deutsche Flagge
nicht nur aufzupflanzen, sondern auch zu halten. Unser Handel wächst schneller
als der englische, der französische aber geht zurück.

Da es zunächst nur zwei Völker giebt, die zugleich Kapital- und Menschen¬
überschuß haben, so giebt es auch nur zwei Völker, die sich um die freie Erde
und um die Herrschaft über die Meere streiten müssen: die Deutschen und die
Engländer. Die Deutschen scheinen das nicht zu wissen, sonst hätten sie doch
eine größere Flotte. Also mehr Geld für die Marine, weiter will er nichts!
sagen der Fortschrittsmann und der Sozialdemokrat. Jawohl! sage ich dem
Fortschrittsmann. Aber das wird sich bezahlt machen, zwar nicht gleich, aber
später, und nicht nur für den Fiskus, fondern auch für den Einzelnen. Das
gehört zu den eaux trzis der heutigen Weltwirtschaft. Die Marine gehört zu
den Mitteln, die jeder deutsche Produzent heutzutage gegen den auswärtigen
Konkurrenten nötig hat; haben wir erst eine Flotte, und treiben wir Kolonial-
politik, dann wird das deutsche Volk nicht mehr Hunderte von Millionen an
Portugiesen und Argentinier verlieren, sondern wird sein Geld deutschen Unter¬
nehmern anvertrauen, und je mehr deutsche Unternehmungen es im Auslande
giebt, umso weniger drückend wird die Überproduktion im Inlande sein.

Den Arbeitern aber sage ich: tua. rss ag'lor, um eure Zukunft handelt
es sich. Hier in dem überfüllten Deutschland mag das Kapital euer Feind
sein. Rücksichtslos drückt es euern Lohn auf das niedrigste Maß, um seineu
Mehrwert zu haben, versucht euch zu Parias zu machen, mit denen der Ge¬
bildete nichts mehr gemein hat (wogegen wir jn Gott sei Dank zwei gute
Schutzmittel haben: Volksschule und Heer). Das mag hier so sein, aber
draußen ist es anders. Dort ist der einfachste deutsche Arbeiter mindestens
ein gelernter Arbeiter. Arbeitsmittel und Arbeiter sind dort keine Feinde,
sondern dort sucht das Kapital Arbeiter, lohnt reichlich und giebt Gewinn¬
anteil. Aus dem Dienenden wird dort leicht ein Herr. Wo könnte ein
deutscher Handwerker leichter in die Höhe kommen als bei einem deutschen


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fluß auf China abnehmen. Dann wird sich China nicht von Hongkong aus,
sondern von Norden aus erschließen; dann machen nicht die Handelshäuser
von Hongkong das Geschäft, deutsche und englische, sondern die von Wladi¬
wostok, und das sind nur Hamburger, gute Deutsche, solange es ein mächtiges
deutsches Reich giebt. Die Russen können den Engländern auch Indien nehmen,
aber doch eigentlich nicht Indien, sondern nur die Regierung über Indien.
Oder können sie etwa diese Milliarden englischen Privatkapitals verdrängen,
ihnen den Besitz des Bodens, des Handels und der Fabriken nehmen? Nicht
ohne daß sie das Land verwüsten. Dagegen können die Deutschen sehr wohl
den Engländern z. B. Hongkong nehmen. Angenommen, der deutsche Handel
in Hongkong mache jetzt ein Zehntel des englischen aus, so kann er in einigen
Jahrzehnten sechs Zehntel ausmachen. Dann ist eben Hongkong deutsch mit
oder ohne deutsche Flagge, und es ist eine Leichtigkeit, die deutsche Flagge
nicht nur aufzupflanzen, sondern auch zu halten. Unser Handel wächst schneller
als der englische, der französische aber geht zurück.

Da es zunächst nur zwei Völker giebt, die zugleich Kapital- und Menschen¬
überschuß haben, so giebt es auch nur zwei Völker, die sich um die freie Erde
und um die Herrschaft über die Meere streiten müssen: die Deutschen und die
Engländer. Die Deutschen scheinen das nicht zu wissen, sonst hätten sie doch
eine größere Flotte. Also mehr Geld für die Marine, weiter will er nichts!
sagen der Fortschrittsmann und der Sozialdemokrat. Jawohl! sage ich dem
Fortschrittsmann. Aber das wird sich bezahlt machen, zwar nicht gleich, aber
später, und nicht nur für den Fiskus, fondern auch für den Einzelnen. Das
gehört zu den eaux trzis der heutigen Weltwirtschaft. Die Marine gehört zu
den Mitteln, die jeder deutsche Produzent heutzutage gegen den auswärtigen
Konkurrenten nötig hat; haben wir erst eine Flotte, und treiben wir Kolonial-
politik, dann wird das deutsche Volk nicht mehr Hunderte von Millionen an
Portugiesen und Argentinier verlieren, sondern wird sein Geld deutschen Unter¬
nehmern anvertrauen, und je mehr deutsche Unternehmungen es im Auslande
giebt, umso weniger drückend wird die Überproduktion im Inlande sein.

Den Arbeitern aber sage ich: tua. rss ag'lor, um eure Zukunft handelt
es sich. Hier in dem überfüllten Deutschland mag das Kapital euer Feind
sein. Rücksichtslos drückt es euern Lohn auf das niedrigste Maß, um seineu
Mehrwert zu haben, versucht euch zu Parias zu machen, mit denen der Ge¬
bildete nichts mehr gemein hat (wogegen wir jn Gott sei Dank zwei gute
Schutzmittel haben: Volksschule und Heer). Das mag hier so sein, aber
draußen ist es anders. Dort ist der einfachste deutsche Arbeiter mindestens
ein gelernter Arbeiter. Arbeitsmittel und Arbeiter sind dort keine Feinde,
sondern dort sucht das Kapital Arbeiter, lohnt reichlich und giebt Gewinn¬
anteil. Aus dem Dienenden wird dort leicht ein Herr. Wo könnte ein
deutscher Handwerker leichter in die Höhe kommen als bei einem deutschen


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[0122] Meltpolitikl fluß auf China abnehmen. Dann wird sich China nicht von Hongkong aus, sondern von Norden aus erschließen; dann machen nicht die Handelshäuser von Hongkong das Geschäft, deutsche und englische, sondern die von Wladi¬ wostok, und das sind nur Hamburger, gute Deutsche, solange es ein mächtiges deutsches Reich giebt. Die Russen können den Engländern auch Indien nehmen, aber doch eigentlich nicht Indien, sondern nur die Regierung über Indien. Oder können sie etwa diese Milliarden englischen Privatkapitals verdrängen, ihnen den Besitz des Bodens, des Handels und der Fabriken nehmen? Nicht ohne daß sie das Land verwüsten. Dagegen können die Deutschen sehr wohl den Engländern z. B. Hongkong nehmen. Angenommen, der deutsche Handel in Hongkong mache jetzt ein Zehntel des englischen aus, so kann er in einigen Jahrzehnten sechs Zehntel ausmachen. Dann ist eben Hongkong deutsch mit oder ohne deutsche Flagge, und es ist eine Leichtigkeit, die deutsche Flagge nicht nur aufzupflanzen, sondern auch zu halten. Unser Handel wächst schneller als der englische, der französische aber geht zurück. Da es zunächst nur zwei Völker giebt, die zugleich Kapital- und Menschen¬ überschuß haben, so giebt es auch nur zwei Völker, die sich um die freie Erde und um die Herrschaft über die Meere streiten müssen: die Deutschen und die Engländer. Die Deutschen scheinen das nicht zu wissen, sonst hätten sie doch eine größere Flotte. Also mehr Geld für die Marine, weiter will er nichts! sagen der Fortschrittsmann und der Sozialdemokrat. Jawohl! sage ich dem Fortschrittsmann. Aber das wird sich bezahlt machen, zwar nicht gleich, aber später, und nicht nur für den Fiskus, fondern auch für den Einzelnen. Das gehört zu den eaux trzis der heutigen Weltwirtschaft. Die Marine gehört zu den Mitteln, die jeder deutsche Produzent heutzutage gegen den auswärtigen Konkurrenten nötig hat; haben wir erst eine Flotte, und treiben wir Kolonial- politik, dann wird das deutsche Volk nicht mehr Hunderte von Millionen an Portugiesen und Argentinier verlieren, sondern wird sein Geld deutschen Unter¬ nehmern anvertrauen, und je mehr deutsche Unternehmungen es im Auslande giebt, umso weniger drückend wird die Überproduktion im Inlande sein. Den Arbeitern aber sage ich: tua. rss ag'lor, um eure Zukunft handelt es sich. Hier in dem überfüllten Deutschland mag das Kapital euer Feind sein. Rücksichtslos drückt es euern Lohn auf das niedrigste Maß, um seineu Mehrwert zu haben, versucht euch zu Parias zu machen, mit denen der Ge¬ bildete nichts mehr gemein hat (wogegen wir jn Gott sei Dank zwei gute Schutzmittel haben: Volksschule und Heer). Das mag hier so sein, aber draußen ist es anders. Dort ist der einfachste deutsche Arbeiter mindestens ein gelernter Arbeiter. Arbeitsmittel und Arbeiter sind dort keine Feinde, sondern dort sucht das Kapital Arbeiter, lohnt reichlich und giebt Gewinn¬ anteil. Aus dem Dienenden wird dort leicht ein Herr. Wo könnte ein deutscher Handwerker leichter in die Höhe kommen als bei einem deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/122>, abgerufen am 01.09.2024.