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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Das Petroleum

das in der Sache durchaus nichts andres, er machte das Geschäft durchaus
nicht um der Freude willen, die er beim Anblick der schönen Muskatnüsse em¬
pfand, oder in dem sittlichen Bewußtsein, daß ohne ihn die Leute keine Muskat¬
nuß auf ihre Suppe reiben könnten, sondern er kaufte Muskatnüsse, weil er
eine Differenz daran zu verdienen hoffte, und er that es auf die Gefahr hin,
gelegentlich auch einmal eine Differenz daran zu verlieren. Wenn ich Muskat¬
nüsse kaufe, ehe ich sie verkauft habe, bin ich Spekulant, und wenn ich einen
Reisenden nach dem Inlande schicke, der mir Aufträge überschreibt, auf die hin
ich dann kaufe, so bin ich auch Spekulant. Ich muß immer Haussier oder
Baisster sein, wenn ich nicht Ein- und Verkauf gleichzeitig vornehmen kann,
und das ist eben nur noch in ganz kleinen Artikeln, bei ganz unbedeutenden
Mengen, in ganz stillen Seitengäßchen des Handels möglich. Zwischen Hauffe
und Baisse ist auch kein, wie soll ich sagen? handelsphilosophischer Unter¬
schied: der Baissier ist keineswegs verworfner als der Haussier.

Man wendet weiter ein, der Terminhandel sei deshalb so verderblich,
weil er verführerisch sei, und weil selbst Kaufleute aus ganz abliegenden Ge¬
schäftszweigen, ja Privatleute in das Spiel hineingezogen würden. Zugegeben.
Aber mit Börsengesetzen, formalen Vorschriften, läßt sich nur nichts erreichen.
Man müßte dann alle Leute, die Geld haben oder die Geld verdienen wollen,
unter Kuratel stellen. Es läßt sich kein Kennzeichen ausfinden zwischen einem
notwendigen Termingeschäft und einem Termingeschäft, das man allenfalls ent¬
behren könnte. Man hat vorgeschlagen, man solle dann, wenn Käufer und
Verkäufer nicht die Ware, sondern statt ihrer nur Zettel oder Scheine gesehen
oder wenn der Verkäufer die Ware nicht besessen und der Käufer sie nicht em¬
pfangen habe, oder wenn nicht der Wert, sondern nur die Differenz zwischen
einem jetzigen und einem frühern Preise bezahlt worden sei, annehmen, daß es
sich nur um die Differenz gehandelt habe, und aus solchen Abschlüssen ent-
standne Forderungen als aus Wette hervorgegangen unklagbar machen. Ein
Beispiel wird alle diese drei Fälle erledigen. Der Importeur Meyer in Ham¬
burg kauft im Mai eine Ladung von dreitausend Barrels Petroleum, "Juli-
segelung, Helsingör für Ordre, zum Preise von 8 Mark 75 Pfennig, on' deut¬
schen Ostseehäfen." Im Mai schickt also der Newyorker Verschiffet den Segler
mit den dreitausend Faß und der Bestimmung im Frachtvertrag auf die Reise,
daß ihm erst beim Ansegeln von Helsingör werde vorgeschrieben werden, nach
welchem deutschen Ostseehäfen er schließlich die Ware zu bringen habe. Die
Konnossemente: die Seefrachtbriefe über die Ware, die Charter: der Mietvertrag
mit dem Schiffsführer, die amtlichen Gewichtsnoten, die Jnspektionsatteste und
so weiter werden dem Bankier in Newyork ausgeliefert, der die Tratte kauft,
die gegen die Ladung auf Herrn Meyer oder dessen Bank gezogen wird: der
Newyorker "zieht cicxminsnts gtraouLcl." Diese Dokumente geben die Ver¬
fügung über die Ladung. Der Newyorker Bankier schickt sie seinem Hamburger


Grenzboten IV 189S 67
Das Petroleum

das in der Sache durchaus nichts andres, er machte das Geschäft durchaus
nicht um der Freude willen, die er beim Anblick der schönen Muskatnüsse em¬
pfand, oder in dem sittlichen Bewußtsein, daß ohne ihn die Leute keine Muskat¬
nuß auf ihre Suppe reiben könnten, sondern er kaufte Muskatnüsse, weil er
eine Differenz daran zu verdienen hoffte, und er that es auf die Gefahr hin,
gelegentlich auch einmal eine Differenz daran zu verlieren. Wenn ich Muskat¬
nüsse kaufe, ehe ich sie verkauft habe, bin ich Spekulant, und wenn ich einen
Reisenden nach dem Inlande schicke, der mir Aufträge überschreibt, auf die hin
ich dann kaufe, so bin ich auch Spekulant. Ich muß immer Haussier oder
Baisster sein, wenn ich nicht Ein- und Verkauf gleichzeitig vornehmen kann,
und das ist eben nur noch in ganz kleinen Artikeln, bei ganz unbedeutenden
Mengen, in ganz stillen Seitengäßchen des Handels möglich. Zwischen Hauffe
und Baisse ist auch kein, wie soll ich sagen? handelsphilosophischer Unter¬
schied: der Baissier ist keineswegs verworfner als der Haussier.

Man wendet weiter ein, der Terminhandel sei deshalb so verderblich,
weil er verführerisch sei, und weil selbst Kaufleute aus ganz abliegenden Ge¬
schäftszweigen, ja Privatleute in das Spiel hineingezogen würden. Zugegeben.
Aber mit Börsengesetzen, formalen Vorschriften, läßt sich nur nichts erreichen.
Man müßte dann alle Leute, die Geld haben oder die Geld verdienen wollen,
unter Kuratel stellen. Es läßt sich kein Kennzeichen ausfinden zwischen einem
notwendigen Termingeschäft und einem Termingeschäft, das man allenfalls ent¬
behren könnte. Man hat vorgeschlagen, man solle dann, wenn Käufer und
Verkäufer nicht die Ware, sondern statt ihrer nur Zettel oder Scheine gesehen
oder wenn der Verkäufer die Ware nicht besessen und der Käufer sie nicht em¬
pfangen habe, oder wenn nicht der Wert, sondern nur die Differenz zwischen
einem jetzigen und einem frühern Preise bezahlt worden sei, annehmen, daß es
sich nur um die Differenz gehandelt habe, und aus solchen Abschlüssen ent-
standne Forderungen als aus Wette hervorgegangen unklagbar machen. Ein
Beispiel wird alle diese drei Fälle erledigen. Der Importeur Meyer in Ham¬
burg kauft im Mai eine Ladung von dreitausend Barrels Petroleum, „Juli-
segelung, Helsingör für Ordre, zum Preise von 8 Mark 75 Pfennig, on' deut¬
schen Ostseehäfen." Im Mai schickt also der Newyorker Verschiffet den Segler
mit den dreitausend Faß und der Bestimmung im Frachtvertrag auf die Reise,
daß ihm erst beim Ansegeln von Helsingör werde vorgeschrieben werden, nach
welchem deutschen Ostseehäfen er schließlich die Ware zu bringen habe. Die
Konnossemente: die Seefrachtbriefe über die Ware, die Charter: der Mietvertrag
mit dem Schiffsführer, die amtlichen Gewichtsnoten, die Jnspektionsatteste und
so weiter werden dem Bankier in Newyork ausgeliefert, der die Tratte kauft,
die gegen die Ladung auf Herrn Meyer oder dessen Bank gezogen wird: der
Newyorker „zieht cicxminsnts gtraouLcl." Diese Dokumente geben die Ver¬
fügung über die Ladung. Der Newyorker Bankier schickt sie seinem Hamburger


Grenzboten IV 189S 67
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[0531] Das Petroleum das in der Sache durchaus nichts andres, er machte das Geschäft durchaus nicht um der Freude willen, die er beim Anblick der schönen Muskatnüsse em¬ pfand, oder in dem sittlichen Bewußtsein, daß ohne ihn die Leute keine Muskat¬ nuß auf ihre Suppe reiben könnten, sondern er kaufte Muskatnüsse, weil er eine Differenz daran zu verdienen hoffte, und er that es auf die Gefahr hin, gelegentlich auch einmal eine Differenz daran zu verlieren. Wenn ich Muskat¬ nüsse kaufe, ehe ich sie verkauft habe, bin ich Spekulant, und wenn ich einen Reisenden nach dem Inlande schicke, der mir Aufträge überschreibt, auf die hin ich dann kaufe, so bin ich auch Spekulant. Ich muß immer Haussier oder Baisster sein, wenn ich nicht Ein- und Verkauf gleichzeitig vornehmen kann, und das ist eben nur noch in ganz kleinen Artikeln, bei ganz unbedeutenden Mengen, in ganz stillen Seitengäßchen des Handels möglich. Zwischen Hauffe und Baisse ist auch kein, wie soll ich sagen? handelsphilosophischer Unter¬ schied: der Baissier ist keineswegs verworfner als der Haussier. Man wendet weiter ein, der Terminhandel sei deshalb so verderblich, weil er verführerisch sei, und weil selbst Kaufleute aus ganz abliegenden Ge¬ schäftszweigen, ja Privatleute in das Spiel hineingezogen würden. Zugegeben. Aber mit Börsengesetzen, formalen Vorschriften, läßt sich nur nichts erreichen. Man müßte dann alle Leute, die Geld haben oder die Geld verdienen wollen, unter Kuratel stellen. Es läßt sich kein Kennzeichen ausfinden zwischen einem notwendigen Termingeschäft und einem Termingeschäft, das man allenfalls ent¬ behren könnte. Man hat vorgeschlagen, man solle dann, wenn Käufer und Verkäufer nicht die Ware, sondern statt ihrer nur Zettel oder Scheine gesehen oder wenn der Verkäufer die Ware nicht besessen und der Käufer sie nicht em¬ pfangen habe, oder wenn nicht der Wert, sondern nur die Differenz zwischen einem jetzigen und einem frühern Preise bezahlt worden sei, annehmen, daß es sich nur um die Differenz gehandelt habe, und aus solchen Abschlüssen ent- standne Forderungen als aus Wette hervorgegangen unklagbar machen. Ein Beispiel wird alle diese drei Fälle erledigen. Der Importeur Meyer in Ham¬ burg kauft im Mai eine Ladung von dreitausend Barrels Petroleum, „Juli- segelung, Helsingör für Ordre, zum Preise von 8 Mark 75 Pfennig, on' deut¬ schen Ostseehäfen." Im Mai schickt also der Newyorker Verschiffet den Segler mit den dreitausend Faß und der Bestimmung im Frachtvertrag auf die Reise, daß ihm erst beim Ansegeln von Helsingör werde vorgeschrieben werden, nach welchem deutschen Ostseehäfen er schließlich die Ware zu bringen habe. Die Konnossemente: die Seefrachtbriefe über die Ware, die Charter: der Mietvertrag mit dem Schiffsführer, die amtlichen Gewichtsnoten, die Jnspektionsatteste und so weiter werden dem Bankier in Newyork ausgeliefert, der die Tratte kauft, die gegen die Ladung auf Herrn Meyer oder dessen Bank gezogen wird: der Newyorker „zieht cicxminsnts gtraouLcl." Diese Dokumente geben die Ver¬ fügung über die Ladung. Der Newyorker Bankier schickt sie seinem Hamburger Grenzboten IV 189S 67

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/531>, abgerufen am 25.08.2024.