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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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weiser Rußlands gewesen. Das hat sich seitdem noch ganz anders verwirklicht,
als es damals gemeint sein konnte. Frankreich ließ selbst seine dreihundert¬
jährigen Rechte auf den Schutz der Katholiken der Türkei schädigen, um sich
an Rußlands Arbeit zu beteiligen. Als Mittelmeermacht kann es aber nicht
über eine gewisse Linie zurückgehen und wird alles thun, um eine Einigung
zwischen Nußland und England über das türkische Reich zu verhindern.

Das ist die Lage, in der Deutschland die orientalischen Angelegenheiten
vor sich sieht. Ohne so nahe davon berührt zu sein lvie Osterreich oder Italien,
teilt es mit ihnen das Interesse an der langsamen und gewaltsame Eingriffe
möglichst fernhaltenden Lösung der Schwierigkeiten der Türkei. Es macht eine
ähnliche Orientpolitik, aber glücklicherweise ruhiger und ohne Effekthascherei,
wie Frankreich in der besten Zeit Napoleons III.: es vertritt zwischen Nu߬
land und England das Interesse der nichtasiatischen Mächte Europas an der
Offenhaltung der Levante als eines Gebiets, wo sich die Kräfte der Kultur¬
völker einstweilen noch im friedlichen Wettkampf messen. Im übrigen weiß es,
daß, wer sich in diesem Kampfe stählt, einst auch nicht ohne Anteil ausgehen
wird, wenn das türkische Reich von seinem Schicksal ereilt werden sollte.

(Schluß folgt)




Das Petroleum
Theodor Duimchen von
3. Legitimes Geschäft und Spekulation

as Wort Spekulation wird immer mehr zu einem Schimpfwort,
seitdem es aus den Lehrbüchern der Weltweisen in die Markt¬
berichte der Börsenblätter hinabgestiegen ist. Mir liegt aber ob,
zu zeigen, daß Spekulation und Spekulanten unentbehrlich sind,
so lange man, auch bei heutigen Verkehrsverhältnissen, noch einen
Handel mit großen Stapelartikeln überhaupt zulassen und so lange man diesem
Handel noch ein wenig von dein berühmten freien Spiel der Kräfte be¬
wahren will.

Die Völker leiden unter dem Drucke des in immer weniger Händen sich
zusammenballender Fvrderungskapitals, immer mehr wird ihnen die Luft ab¬
geschnürt, und wenn man eine fremde Faust an der Kehle fühlt, wenn die
Funken vor den Augen zu tanzen beginnen, Pflegt man selten ganz logisch
zu denken. Aber für die immer schwerer zu ertragenden Scheußlichkeiten unsers


T>as Petroleum

weiser Rußlands gewesen. Das hat sich seitdem noch ganz anders verwirklicht,
als es damals gemeint sein konnte. Frankreich ließ selbst seine dreihundert¬
jährigen Rechte auf den Schutz der Katholiken der Türkei schädigen, um sich
an Rußlands Arbeit zu beteiligen. Als Mittelmeermacht kann es aber nicht
über eine gewisse Linie zurückgehen und wird alles thun, um eine Einigung
zwischen Nußland und England über das türkische Reich zu verhindern.

Das ist die Lage, in der Deutschland die orientalischen Angelegenheiten
vor sich sieht. Ohne so nahe davon berührt zu sein lvie Osterreich oder Italien,
teilt es mit ihnen das Interesse an der langsamen und gewaltsame Eingriffe
möglichst fernhaltenden Lösung der Schwierigkeiten der Türkei. Es macht eine
ähnliche Orientpolitik, aber glücklicherweise ruhiger und ohne Effekthascherei,
wie Frankreich in der besten Zeit Napoleons III.: es vertritt zwischen Nu߬
land und England das Interesse der nichtasiatischen Mächte Europas an der
Offenhaltung der Levante als eines Gebiets, wo sich die Kräfte der Kultur¬
völker einstweilen noch im friedlichen Wettkampf messen. Im übrigen weiß es,
daß, wer sich in diesem Kampfe stählt, einst auch nicht ohne Anteil ausgehen
wird, wenn das türkische Reich von seinem Schicksal ereilt werden sollte.

(Schluß folgt)




Das Petroleum
Theodor Duimchen von
3. Legitimes Geschäft und Spekulation

as Wort Spekulation wird immer mehr zu einem Schimpfwort,
seitdem es aus den Lehrbüchern der Weltweisen in die Markt¬
berichte der Börsenblätter hinabgestiegen ist. Mir liegt aber ob,
zu zeigen, daß Spekulation und Spekulanten unentbehrlich sind,
so lange man, auch bei heutigen Verkehrsverhältnissen, noch einen
Handel mit großen Stapelartikeln überhaupt zulassen und so lange man diesem
Handel noch ein wenig von dein berühmten freien Spiel der Kräfte be¬
wahren will.

Die Völker leiden unter dem Drucke des in immer weniger Händen sich
zusammenballender Fvrderungskapitals, immer mehr wird ihnen die Luft ab¬
geschnürt, und wenn man eine fremde Faust an der Kehle fühlt, wenn die
Funken vor den Augen zu tanzen beginnen, Pflegt man selten ganz logisch
zu denken. Aber für die immer schwerer zu ertragenden Scheußlichkeiten unsers


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[0524] T>as Petroleum weiser Rußlands gewesen. Das hat sich seitdem noch ganz anders verwirklicht, als es damals gemeint sein konnte. Frankreich ließ selbst seine dreihundert¬ jährigen Rechte auf den Schutz der Katholiken der Türkei schädigen, um sich an Rußlands Arbeit zu beteiligen. Als Mittelmeermacht kann es aber nicht über eine gewisse Linie zurückgehen und wird alles thun, um eine Einigung zwischen Nußland und England über das türkische Reich zu verhindern. Das ist die Lage, in der Deutschland die orientalischen Angelegenheiten vor sich sieht. Ohne so nahe davon berührt zu sein lvie Osterreich oder Italien, teilt es mit ihnen das Interesse an der langsamen und gewaltsame Eingriffe möglichst fernhaltenden Lösung der Schwierigkeiten der Türkei. Es macht eine ähnliche Orientpolitik, aber glücklicherweise ruhiger und ohne Effekthascherei, wie Frankreich in der besten Zeit Napoleons III.: es vertritt zwischen Nu߬ land und England das Interesse der nichtasiatischen Mächte Europas an der Offenhaltung der Levante als eines Gebiets, wo sich die Kräfte der Kultur¬ völker einstweilen noch im friedlichen Wettkampf messen. Im übrigen weiß es, daß, wer sich in diesem Kampfe stählt, einst auch nicht ohne Anteil ausgehen wird, wenn das türkische Reich von seinem Schicksal ereilt werden sollte. (Schluß folgt) Das Petroleum Theodor Duimchen von 3. Legitimes Geschäft und Spekulation as Wort Spekulation wird immer mehr zu einem Schimpfwort, seitdem es aus den Lehrbüchern der Weltweisen in die Markt¬ berichte der Börsenblätter hinabgestiegen ist. Mir liegt aber ob, zu zeigen, daß Spekulation und Spekulanten unentbehrlich sind, so lange man, auch bei heutigen Verkehrsverhältnissen, noch einen Handel mit großen Stapelartikeln überhaupt zulassen und so lange man diesem Handel noch ein wenig von dein berühmten freien Spiel der Kräfte be¬ wahren will. Die Völker leiden unter dem Drucke des in immer weniger Händen sich zusammenballender Fvrderungskapitals, immer mehr wird ihnen die Luft ab¬ geschnürt, und wenn man eine fremde Faust an der Kehle fühlt, wenn die Funken vor den Augen zu tanzen beginnen, Pflegt man selten ganz logisch zu denken. Aber für die immer schwerer zu ertragenden Scheußlichkeiten unsers

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/524>, abgerufen am 26.08.2024.