Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.Sind wir Socialdemokraten!' gesehen, so wüßte er "och lauge nicht alles Notwendige. Nein, die Büreaukratie Das also ist unsre Stellung zur Sozialdemokratie. Anstatt in das Ge¬ Sind wir Socialdemokraten!' gesehen, so wüßte er »och lauge nicht alles Notwendige. Nein, die Büreaukratie Das also ist unsre Stellung zur Sozialdemokratie. Anstatt in das Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0423" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221397"/> <fw type="header" place="top"> Sind wir Socialdemokraten!'</fw><lb/> <p xml:id="ID_1407" prev="#ID_1406"> gesehen, so wüßte er »och lauge nicht alles Notwendige. Nein, die Büreaukratie<lb/> ist ihrer Natur nach unfähig, sich selbst und die höchsten Vorgesetzten zu in-<lb/> formiren. Diese bedürfen der Information durch das Volk selbst, durch seine<lb/> Vertreter und durch seine Presse. Und wenn man fortfährt, die freie Mei¬<lb/> nungsäußerung zu unterdrücken und die Herrschenden vom Volke abzusperren,<lb/> dann werden alle unsre Prinzen in solcher Unkenntnis der wirklichen Welt<lb/> aufwachsen wie Siddhartha, der Thronerbe von Kapilnvastu, der, als er end¬<lb/> lich einmal durch Zufall ein Stück Wirklichkeit kennen gelernt hatte, zum<lb/> Buddha wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1408"> Das also ist unsre Stellung zur Sozialdemokratie. Anstatt in das Ge¬<lb/> schrei einzustimmen: schlagt sie tot! sagen wir: nein, laßt euch von ihr in-<lb/> formiren und lernt, was ihr zu thun habt, um sie durch gründliche Änderung<lb/> der Lage unsers Volkes verschwinden zu machen. Aber, meint man, wir<lb/> könnten doch wenigstens, um nicht in den Verdacht der Gesinnungsvcrwandt-<lb/> schaft mit ihr zu geraten, fleißig ihre Unarten rügen, wie andre artige Blätter<lb/> thun. Wir fragen: wozu? Um den Sozialdemokraten bessere Manieren bei¬<lb/> zubringen, sie dadurch der guten Gesellschaft angenehmer und vielleicht sogar<lb/> hoffähig zu machen? Damit würden wir bei der Schlesischen Zeitung und<lb/> den Hamburger Nachrichten verdammt schlechten Dank ernten; sie würden<lb/> finden, daß wir noch gefährlicher seien als die Sozialdemokraten. Eine Arbeiter¬<lb/> partei, die man als revolutionär, vaterlaudslvs, undeutsch, von verbohrten<lb/> blindem Hasse gegen alles Bestehende, auch das vernünftigste, erfüllt und als<lb/> proletarisch rüpelhaft der Polizei und dem Staatsanwalt denunziren kann, eine<lb/> solche Arbeiterpartei ist den Herren weit lieber, als ihnen eine hoffähig feine<lb/> sein würde, die etwa den Kaiser als den zur Verwirklichung des monarchisch-<lb/> sozialen Zuknnftsstaates berufnen Heros einer neuen bessern Zeit umschmeicheln<lb/> würde. Übrigens würde es uns auch nichts nützen, wen» wir den Sozial-<lb/> demokraten predigen wollten; sie lassen sich nicht bekehren. Sie sind jn gar<lb/> nicht unser Publikum. Wir haben staatserhaltende Männer zum Publikum,<lb/> die schon hinlänglich wissen, daß die Sozialdemokraten die schlechtesten aller<lb/> Menschen sind, sie erfahren es ja täglich aus ihrer Zeitung; aber was man bei<lb/> und von diesen schlechten Menschen lernen kann, das erfahren sie nicht ans<lb/> ihrer Zeitung, und das ihnen von Zeit zu Zeit zu sagen, halten wir für<lb/> unsre Pflicht.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0423]
Sind wir Socialdemokraten!'
gesehen, so wüßte er »och lauge nicht alles Notwendige. Nein, die Büreaukratie
ist ihrer Natur nach unfähig, sich selbst und die höchsten Vorgesetzten zu in-
formiren. Diese bedürfen der Information durch das Volk selbst, durch seine
Vertreter und durch seine Presse. Und wenn man fortfährt, die freie Mei¬
nungsäußerung zu unterdrücken und die Herrschenden vom Volke abzusperren,
dann werden alle unsre Prinzen in solcher Unkenntnis der wirklichen Welt
aufwachsen wie Siddhartha, der Thronerbe von Kapilnvastu, der, als er end¬
lich einmal durch Zufall ein Stück Wirklichkeit kennen gelernt hatte, zum
Buddha wurde.
Das also ist unsre Stellung zur Sozialdemokratie. Anstatt in das Ge¬
schrei einzustimmen: schlagt sie tot! sagen wir: nein, laßt euch von ihr in-
formiren und lernt, was ihr zu thun habt, um sie durch gründliche Änderung
der Lage unsers Volkes verschwinden zu machen. Aber, meint man, wir
könnten doch wenigstens, um nicht in den Verdacht der Gesinnungsvcrwandt-
schaft mit ihr zu geraten, fleißig ihre Unarten rügen, wie andre artige Blätter
thun. Wir fragen: wozu? Um den Sozialdemokraten bessere Manieren bei¬
zubringen, sie dadurch der guten Gesellschaft angenehmer und vielleicht sogar
hoffähig zu machen? Damit würden wir bei der Schlesischen Zeitung und
den Hamburger Nachrichten verdammt schlechten Dank ernten; sie würden
finden, daß wir noch gefährlicher seien als die Sozialdemokraten. Eine Arbeiter¬
partei, die man als revolutionär, vaterlaudslvs, undeutsch, von verbohrten
blindem Hasse gegen alles Bestehende, auch das vernünftigste, erfüllt und als
proletarisch rüpelhaft der Polizei und dem Staatsanwalt denunziren kann, eine
solche Arbeiterpartei ist den Herren weit lieber, als ihnen eine hoffähig feine
sein würde, die etwa den Kaiser als den zur Verwirklichung des monarchisch-
sozialen Zuknnftsstaates berufnen Heros einer neuen bessern Zeit umschmeicheln
würde. Übrigens würde es uns auch nichts nützen, wen» wir den Sozial-
demokraten predigen wollten; sie lassen sich nicht bekehren. Sie sind jn gar
nicht unser Publikum. Wir haben staatserhaltende Männer zum Publikum,
die schon hinlänglich wissen, daß die Sozialdemokraten die schlechtesten aller
Menschen sind, sie erfahren es ja täglich aus ihrer Zeitung; aber was man bei
und von diesen schlechten Menschen lernen kann, das erfahren sie nicht ans
ihrer Zeitung, und das ihnen von Zeit zu Zeit zu sagen, halten wir für
unsre Pflicht.
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