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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Gin Hollandgänger

Hoffs Taufe des nachgebornen, Vautiers Tanzstunde, Menzels Tafelrunde
König Friedrichs II., Matthias Schmidts Aus den Freiheitskriegen, Kirbergs
Ein Opfer der See, Sinns Duett, Böcklius Geigenden Einsiedler. Hoffmanns
Jesusknaben unter den Schriftgelehrten, desselben Ehebrecherin und Christus
predigt am See (in einfachem und in Doppelformat), Plockhorsts Johannes und
Maria. Aber wo sollen wir anfangen und aufhören, vollends den Land¬
schaften gegenüber! Da können wir wirklich nur aus die Namen und die
Katalvgbilder verweisen, es mag sich jeder "Sujet" und "Stimmung" selbst
heraussuchen nach seinem Herzen.

Eins werden die angeführten Namen gezeigt haben: in der Sammlung
sind nur wirkliche Bilder; Sezessionisten, Impressionisten und wie die Isten
der jüngsten Kunstentwicklung alle heißen, fehlen; es braucht sich also niemand
zu fürchten, sondern kann ruhig zugreifen.

Dem Unternehmen wünschen wir rüstigen Fortgang, es wird durch tausende
von dankbaren Käufern getragen werden und -- des sind wir nach dem bisher
geleisteten sicher -- immer schöneres und vollkommeneres leisten.

Was wir noch möchten, wäre, daß auch Meisterwerke der ältern Malerei
in dieser Weise geboten würden. Vielleicht entschließt sich die Vereinigung
der Kunstfreunde, auch das noch in die Hand zu nehmen. Der Erfolg würde
nicht ausbleiben.




Ein Hollandgänger

s ging mir, wie es unzähligen Tausenden geht. Sechs Monate
war ich stellenlos und fristete kümmerlich mein Dasein in einem
billigen Hamburger Logirhause. Da nahte der Winter, und ich
hatte, trotz der erdenklichsten Bemühungen, nicht die geringste
Aussicht, einen Erwerb zu finden. Daß ich dabei nicht die ge¬
ringsten Ansprüche machte, brauche ich wohl kaum zu versichern.
Meine Barmittel waren ziemlich erschöpft, und ich hatte die Aussicht, elend zu ver¬
kommen. Da faßte ich den Entschluß, in die holländische Kolouialarmee als Le¬
gionär (Aspirant) einzutreten. Irgend welche Illusionen machte ich mir nicht,
wurde ich doch von den in dem genannten Logirhause wohnenden Seeleuten aufs
dringendste gewarnt. Als sich aber ein Leidensgeuosse fand, dem der hollän¬
dische Dienst besser schien als ein elendes Verkommen in Deutschland, begab
ich mich mit diesem in das holländische Konsulat, um genaueres über die
holländische Kolonialarmee, deren Besoldung und unsern etwaigen spätern Auf¬
enthalt zu erfahren. Der Attache verwies uns auf die aufgehängten Be-


Gin Hollandgänger

Hoffs Taufe des nachgebornen, Vautiers Tanzstunde, Menzels Tafelrunde
König Friedrichs II., Matthias Schmidts Aus den Freiheitskriegen, Kirbergs
Ein Opfer der See, Sinns Duett, Böcklius Geigenden Einsiedler. Hoffmanns
Jesusknaben unter den Schriftgelehrten, desselben Ehebrecherin und Christus
predigt am See (in einfachem und in Doppelformat), Plockhorsts Johannes und
Maria. Aber wo sollen wir anfangen und aufhören, vollends den Land¬
schaften gegenüber! Da können wir wirklich nur aus die Namen und die
Katalvgbilder verweisen, es mag sich jeder „Sujet" und „Stimmung" selbst
heraussuchen nach seinem Herzen.

Eins werden die angeführten Namen gezeigt haben: in der Sammlung
sind nur wirkliche Bilder; Sezessionisten, Impressionisten und wie die Isten
der jüngsten Kunstentwicklung alle heißen, fehlen; es braucht sich also niemand
zu fürchten, sondern kann ruhig zugreifen.

Dem Unternehmen wünschen wir rüstigen Fortgang, es wird durch tausende
von dankbaren Käufern getragen werden und — des sind wir nach dem bisher
geleisteten sicher — immer schöneres und vollkommeneres leisten.

Was wir noch möchten, wäre, daß auch Meisterwerke der ältern Malerei
in dieser Weise geboten würden. Vielleicht entschließt sich die Vereinigung
der Kunstfreunde, auch das noch in die Hand zu nehmen. Der Erfolg würde
nicht ausbleiben.




Ein Hollandgänger

s ging mir, wie es unzähligen Tausenden geht. Sechs Monate
war ich stellenlos und fristete kümmerlich mein Dasein in einem
billigen Hamburger Logirhause. Da nahte der Winter, und ich
hatte, trotz der erdenklichsten Bemühungen, nicht die geringste
Aussicht, einen Erwerb zu finden. Daß ich dabei nicht die ge¬
ringsten Ansprüche machte, brauche ich wohl kaum zu versichern.
Meine Barmittel waren ziemlich erschöpft, und ich hatte die Aussicht, elend zu ver¬
kommen. Da faßte ich den Entschluß, in die holländische Kolouialarmee als Le¬
gionär (Aspirant) einzutreten. Irgend welche Illusionen machte ich mir nicht,
wurde ich doch von den in dem genannten Logirhause wohnenden Seeleuten aufs
dringendste gewarnt. Als sich aber ein Leidensgeuosse fand, dem der hollän¬
dische Dienst besser schien als ein elendes Verkommen in Deutschland, begab
ich mich mit diesem in das holländische Konsulat, um genaueres über die
holländische Kolonialarmee, deren Besoldung und unsern etwaigen spätern Auf¬
enthalt zu erfahren. Der Attache verwies uns auf die aufgehängten Be-


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[0338] Gin Hollandgänger Hoffs Taufe des nachgebornen, Vautiers Tanzstunde, Menzels Tafelrunde König Friedrichs II., Matthias Schmidts Aus den Freiheitskriegen, Kirbergs Ein Opfer der See, Sinns Duett, Böcklius Geigenden Einsiedler. Hoffmanns Jesusknaben unter den Schriftgelehrten, desselben Ehebrecherin und Christus predigt am See (in einfachem und in Doppelformat), Plockhorsts Johannes und Maria. Aber wo sollen wir anfangen und aufhören, vollends den Land¬ schaften gegenüber! Da können wir wirklich nur aus die Namen und die Katalvgbilder verweisen, es mag sich jeder „Sujet" und „Stimmung" selbst heraussuchen nach seinem Herzen. Eins werden die angeführten Namen gezeigt haben: in der Sammlung sind nur wirkliche Bilder; Sezessionisten, Impressionisten und wie die Isten der jüngsten Kunstentwicklung alle heißen, fehlen; es braucht sich also niemand zu fürchten, sondern kann ruhig zugreifen. Dem Unternehmen wünschen wir rüstigen Fortgang, es wird durch tausende von dankbaren Käufern getragen werden und — des sind wir nach dem bisher geleisteten sicher — immer schöneres und vollkommeneres leisten. Was wir noch möchten, wäre, daß auch Meisterwerke der ältern Malerei in dieser Weise geboten würden. Vielleicht entschließt sich die Vereinigung der Kunstfreunde, auch das noch in die Hand zu nehmen. Der Erfolg würde nicht ausbleiben. Ein Hollandgänger s ging mir, wie es unzähligen Tausenden geht. Sechs Monate war ich stellenlos und fristete kümmerlich mein Dasein in einem billigen Hamburger Logirhause. Da nahte der Winter, und ich hatte, trotz der erdenklichsten Bemühungen, nicht die geringste Aussicht, einen Erwerb zu finden. Daß ich dabei nicht die ge¬ ringsten Ansprüche machte, brauche ich wohl kaum zu versichern. Meine Barmittel waren ziemlich erschöpft, und ich hatte die Aussicht, elend zu ver¬ kommen. Da faßte ich den Entschluß, in die holländische Kolouialarmee als Le¬ gionär (Aspirant) einzutreten. Irgend welche Illusionen machte ich mir nicht, wurde ich doch von den in dem genannten Logirhause wohnenden Seeleuten aufs dringendste gewarnt. Als sich aber ein Leidensgeuosse fand, dem der hollän¬ dische Dienst besser schien als ein elendes Verkommen in Deutschland, begab ich mich mit diesem in das holländische Konsulat, um genaueres über die holländische Kolonialarmee, deren Besoldung und unsern etwaigen spätern Auf¬ enthalt zu erfahren. Der Attache verwies uns auf die aufgehängten Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/338>, abgerufen am 04.07.2024.