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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr.

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Lukas Cranachs Holzschnitte und Kupferstiche

nicht von ihm, denn -- es ist später als 1521? Bedenken wir doch folgendes.
Unmittelbar nach Luthers Rückkehr von der Wartburg begann der Druck der
Bibelübersetzung. Ausgegeben wurde sie bekanntlich nach und nach, in fünf
Teilen. Zuerst erschien, im September 1522, das Neue Testament (mit
21 große" Holzschnitten zur Offenbarung), 1523 folgte der erste Teil des
Alten Testaments, die fünf Bücher Mosis (mit 11 großen.Holzschnitten), 1524
der zweite Teil, die Geschichtsbücher von Josua bis Esra und Nehemia (mit
3 großen und 21 kleinern Holzschnitten) und der dritte Teil, Hiob, der
Psalter, die Sprüche, der Prediger und das Hohe Lied (mit zwei großen
Holzschnitten). Von den Propheten erschienen dann einige zunächst einzeln,
1532 die erste Gesamtausgabe: "Die Propheten alle deutsch" (ohne Bilder)
und 1534 die erste Gesamtausgabe der Bibel. Die ersten vier Teile druckte
und verlegte Melchior Lotter aus Leipzig, damals der beste Leipziger Drucker,
der auf Luthers Betrieb Ende 1519 eine Zweigdruckerei in Wittenberg er¬
richtet hatte, die seine beiden Söhne Melchior und Michael leiteten. Lotter
war mit Luther und Crancich befreundet, er hatte sogar seine Druckerei eine
Zeit lang in Crmmchs Hause. Später kam es zum Bruch. Lotter fiel bei
dem Kurfürsten in Ungnade, der weitere Verlag der Bibel wurde ihm ent¬
zogen und ging in die Hände Crcmachs und des Goldschmieds Christian
Dornig über, die sich dazu einen andern, einen Wittenberger Drucker nahmen:
Hans Luft, der wahrscheinlich der Geschäftsnachfolgcr Grünbergs war. Dieser
druckte für Cranachs und Dvrings Rechnung die Propheten und dann auch die
ganze Bibel.") In solchem Verhältnis stand Cranach zu dem Druck und dem Ver¬
triebe der Lutherscheu Bibelübersetzung. Und da soll er an den Illustrationen des
Werkes unbeteiligt gewesen sein? Es ist wahr, die Bilder zur Offenbarung
lehnen sich eng an Dürer an, aber thun das nicht auch andre, unzweifelhaft
Cranachsche Blätter? Es ist ferner wahr, nicht ein einziges dieser Bilder trägt
seinen Namen oder seine Marke, die bekannte geflügelte Schlange, aber sind
nicht auch andre, unzweifelhaft Cranachsche Blätter uubezeichnet? Auf dem
Schlußbild der Offenbarung sind unten die Buchstaben HL und daneben ein
.Schnitzmesser wie ausgewischt in den Sand gezeichnet; aber das ist nicht
der Name des Zeichners, sondern unzweifelhaft der des Holzschneiders, der
sich hier am Ende seiner Arbeit in aller Bescheidenheit seinen Anteil gewahrt
hat. Von den Bildern zu den Bücher" Mosis sagt Mulder: "Von wem diese
herrühren, ist ganz unsicher. In ihnen ist gar nichts, was an die Art Cranachs
erinnerte. Im Schnitt sind sie sehr verschieden"; ähnlich urteilt er über die
Bilder zu den Geschichtsbüchern. Ich nimm dein nicht beistimmen. Diese Bilder
sind rasch gemacht, manche sind im Schnitt verdorben -- es galt Eile beim



*) Vergl. meinen Anfscch: Luthers Bibeldrmker (in den Grenzlwten 1878, III, S.881
l'is 301). .....
Grenzlwten IV 1895 "7
Lukas Cranachs Holzschnitte und Kupferstiche

nicht von ihm, denn — es ist später als 1521? Bedenken wir doch folgendes.
Unmittelbar nach Luthers Rückkehr von der Wartburg begann der Druck der
Bibelübersetzung. Ausgegeben wurde sie bekanntlich nach und nach, in fünf
Teilen. Zuerst erschien, im September 1522, das Neue Testament (mit
21 große» Holzschnitten zur Offenbarung), 1523 folgte der erste Teil des
Alten Testaments, die fünf Bücher Mosis (mit 11 großen.Holzschnitten), 1524
der zweite Teil, die Geschichtsbücher von Josua bis Esra und Nehemia (mit
3 großen und 21 kleinern Holzschnitten) und der dritte Teil, Hiob, der
Psalter, die Sprüche, der Prediger und das Hohe Lied (mit zwei großen
Holzschnitten). Von den Propheten erschienen dann einige zunächst einzeln,
1532 die erste Gesamtausgabe: „Die Propheten alle deutsch" (ohne Bilder)
und 1534 die erste Gesamtausgabe der Bibel. Die ersten vier Teile druckte
und verlegte Melchior Lotter aus Leipzig, damals der beste Leipziger Drucker,
der auf Luthers Betrieb Ende 1519 eine Zweigdruckerei in Wittenberg er¬
richtet hatte, die seine beiden Söhne Melchior und Michael leiteten. Lotter
war mit Luther und Crancich befreundet, er hatte sogar seine Druckerei eine
Zeit lang in Crmmchs Hause. Später kam es zum Bruch. Lotter fiel bei
dem Kurfürsten in Ungnade, der weitere Verlag der Bibel wurde ihm ent¬
zogen und ging in die Hände Crcmachs und des Goldschmieds Christian
Dornig über, die sich dazu einen andern, einen Wittenberger Drucker nahmen:
Hans Luft, der wahrscheinlich der Geschäftsnachfolgcr Grünbergs war. Dieser
druckte für Cranachs und Dvrings Rechnung die Propheten und dann auch die
ganze Bibel.") In solchem Verhältnis stand Cranach zu dem Druck und dem Ver¬
triebe der Lutherscheu Bibelübersetzung. Und da soll er an den Illustrationen des
Werkes unbeteiligt gewesen sein? Es ist wahr, die Bilder zur Offenbarung
lehnen sich eng an Dürer an, aber thun das nicht auch andre, unzweifelhaft
Cranachsche Blätter? Es ist ferner wahr, nicht ein einziges dieser Bilder trägt
seinen Namen oder seine Marke, die bekannte geflügelte Schlange, aber sind
nicht auch andre, unzweifelhaft Cranachsche Blätter uubezeichnet? Auf dem
Schlußbild der Offenbarung sind unten die Buchstaben HL und daneben ein
.Schnitzmesser wie ausgewischt in den Sand gezeichnet; aber das ist nicht
der Name des Zeichners, sondern unzweifelhaft der des Holzschneiders, der
sich hier am Ende seiner Arbeit in aller Bescheidenheit seinen Anteil gewahrt
hat. Von den Bildern zu den Bücher» Mosis sagt Mulder: „Von wem diese
herrühren, ist ganz unsicher. In ihnen ist gar nichts, was an die Art Cranachs
erinnerte. Im Schnitt sind sie sehr verschieden"; ähnlich urteilt er über die
Bilder zu den Geschichtsbüchern. Ich nimm dein nicht beistimmen. Diese Bilder
sind rasch gemacht, manche sind im Schnitt verdorben — es galt Eile beim



*) Vergl. meinen Anfscch: Luthers Bibeldrmker (in den Grenzlwten 1878, III, S.881
l'is 301). .....
Grenzlwten IV 1895 »7
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[0297] Lukas Cranachs Holzschnitte und Kupferstiche nicht von ihm, denn — es ist später als 1521? Bedenken wir doch folgendes. Unmittelbar nach Luthers Rückkehr von der Wartburg begann der Druck der Bibelübersetzung. Ausgegeben wurde sie bekanntlich nach und nach, in fünf Teilen. Zuerst erschien, im September 1522, das Neue Testament (mit 21 große» Holzschnitten zur Offenbarung), 1523 folgte der erste Teil des Alten Testaments, die fünf Bücher Mosis (mit 11 großen.Holzschnitten), 1524 der zweite Teil, die Geschichtsbücher von Josua bis Esra und Nehemia (mit 3 großen und 21 kleinern Holzschnitten) und der dritte Teil, Hiob, der Psalter, die Sprüche, der Prediger und das Hohe Lied (mit zwei großen Holzschnitten). Von den Propheten erschienen dann einige zunächst einzeln, 1532 die erste Gesamtausgabe: „Die Propheten alle deutsch" (ohne Bilder) und 1534 die erste Gesamtausgabe der Bibel. Die ersten vier Teile druckte und verlegte Melchior Lotter aus Leipzig, damals der beste Leipziger Drucker, der auf Luthers Betrieb Ende 1519 eine Zweigdruckerei in Wittenberg er¬ richtet hatte, die seine beiden Söhne Melchior und Michael leiteten. Lotter war mit Luther und Crancich befreundet, er hatte sogar seine Druckerei eine Zeit lang in Crmmchs Hause. Später kam es zum Bruch. Lotter fiel bei dem Kurfürsten in Ungnade, der weitere Verlag der Bibel wurde ihm ent¬ zogen und ging in die Hände Crcmachs und des Goldschmieds Christian Dornig über, die sich dazu einen andern, einen Wittenberger Drucker nahmen: Hans Luft, der wahrscheinlich der Geschäftsnachfolgcr Grünbergs war. Dieser druckte für Cranachs und Dvrings Rechnung die Propheten und dann auch die ganze Bibel.") In solchem Verhältnis stand Cranach zu dem Druck und dem Ver¬ triebe der Lutherscheu Bibelübersetzung. Und da soll er an den Illustrationen des Werkes unbeteiligt gewesen sein? Es ist wahr, die Bilder zur Offenbarung lehnen sich eng an Dürer an, aber thun das nicht auch andre, unzweifelhaft Cranachsche Blätter? Es ist ferner wahr, nicht ein einziges dieser Bilder trägt seinen Namen oder seine Marke, die bekannte geflügelte Schlange, aber sind nicht auch andre, unzweifelhaft Cranachsche Blätter uubezeichnet? Auf dem Schlußbild der Offenbarung sind unten die Buchstaben HL und daneben ein .Schnitzmesser wie ausgewischt in den Sand gezeichnet; aber das ist nicht der Name des Zeichners, sondern unzweifelhaft der des Holzschneiders, der sich hier am Ende seiner Arbeit in aller Bescheidenheit seinen Anteil gewahrt hat. Von den Bildern zu den Bücher» Mosis sagt Mulder: „Von wem diese herrühren, ist ganz unsicher. In ihnen ist gar nichts, was an die Art Cranachs erinnerte. Im Schnitt sind sie sehr verschieden"; ähnlich urteilt er über die Bilder zu den Geschichtsbüchern. Ich nimm dein nicht beistimmen. Diese Bilder sind rasch gemacht, manche sind im Schnitt verdorben — es galt Eile beim *) Vergl. meinen Anfscch: Luthers Bibeldrmker (in den Grenzlwten 1878, III, S.881 l'is 301). ..... Grenzlwten IV 1895 »7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220975/297>, abgerufen am 06.02.2025.