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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Hebung des gesamten Volkswohlstands zu versprechen. Wäre es anders, so
würde man nur aller paar Jahre zu dem bewährten Mittel der Wührungs-
ünderung mit Geldentwertung zu greifen haben, um ohne andre Mühe als
die Bekehrung der einfach und redlich denkenden Leute die Blüte von Handel
und Gewerbe und die Mehrung des Nationalreichtums herbeizuführen.

Schließlich mag auch noch die Prophezeiung des Dr. Arendt erwähnt
werden, daß in Zukunft die Goldgewinnung sehr abnehmen werde. Diese
Prophezeiung ist wohl ebenso ungerechtfertigt, als die Behauptung der an¬
geblichen gegenwärtigen Verteuerung des Geldes. Die mögliche zukünftige
Verteuerung jetzt schon in Rechnung zu ziehen, um dem Bimetallismus Ein¬
gang zu verschaffen, wäre aber jedenfalls ebenso verkehrt, als wenn ein ge¬
sunder Mensch eine Kur gegen eine Krankheit vornehmen wollte, die ihn in
Zukunft möglicherweise einmal treffen könnte.

Der durch den Bimetallismus drohenden ungerechten und nachteiligen
Geldentwertung würde die Hebung des Silberpreises einigermaßen entgegen¬
wirken, und diese scheint selbst für die Monometallisten etwas verlockendes zu
haben. Wir haben in Deutschland Silberminen, und wenn unsre Silber¬
erzeugung wertvoller würde, so wäre das unzweifelhaft ein Vorteil, und es
bleibt nur die Frage offen, ob nicht die wirtschaftlichen Nachteile eines kon-
kurrirenden Silbergeldes größer sein müßten, als die durch die Hebung des
Silberpreises erzielten Vorteile. Gold hat bei geringerm Gewicht einen viel
höhern Wert als Silber und ist schon deshalb als Geld für den Welthandel
unsrer Zeit, der mit bedeutend größern Werten als früher zu rechnen hat, ge¬
eigneter. Gold ist seltner als Silber und bietet deshalb eine größere Gewähr
für eine annähernde Wertbcstündigkeit als das Silber, und das ist für Handel
und Wandel unentbehrlich. Der größte Vorteil aber, den Europa der immer
mehr um sich greifenden Goldwährung verdankt, ist der, daß es dem an Hilfs¬
quellen so reichen Amerika gegenüber seine wirtschaftliche Selbständigkeit er¬
halten kann. Unsre Silbergewinnung ist viel zu gering, um uus, wenn das
Silber Wührungsgeld würde und dadurch eine Zwangskcmfkraft erhielte,
Amerika gegenüber konkurrenzfähig zu erhalten. Unser Anteil beträgt noch
nicht den zehnten Teil der Gesamterzeugung. Im Jahre 1892 wurden bei
uns 490000 Kilo gewonnen, während die Vereinigten Staaten von Amerika
allein 1 Million 800000 Kilo und Mexiko 1 Million 400000 Kilo erzeugten.
Eine Gegenüberstellung dieser Zahlen muß uns davon überzeugen, daß wir
mit der Hebung des Silberpreiscs durch den Bimetallismus recht eigentlich
die Geschäfte Amerikas betreiben und diesen Zukunftslanden ermöglichen würden,
uns vorzeitig auszulaufen. Die Bimetcillisten leben in dem Wahne, wir
wären gleichsam nur aus Laune zur Goldwährung übergegangen und würden
heute ebenso wirtschaftlich entwickelt dastehen, wenn wir die Silberwährung
behalten hätten. Richtig ist aber nur, daß wir zur Zeit der Einführung der


Grenzboten III 1895 75

Hebung des gesamten Volkswohlstands zu versprechen. Wäre es anders, so
würde man nur aller paar Jahre zu dem bewährten Mittel der Wührungs-
ünderung mit Geldentwertung zu greifen haben, um ohne andre Mühe als
die Bekehrung der einfach und redlich denkenden Leute die Blüte von Handel
und Gewerbe und die Mehrung des Nationalreichtums herbeizuführen.

Schließlich mag auch noch die Prophezeiung des Dr. Arendt erwähnt
werden, daß in Zukunft die Goldgewinnung sehr abnehmen werde. Diese
Prophezeiung ist wohl ebenso ungerechtfertigt, als die Behauptung der an¬
geblichen gegenwärtigen Verteuerung des Geldes. Die mögliche zukünftige
Verteuerung jetzt schon in Rechnung zu ziehen, um dem Bimetallismus Ein¬
gang zu verschaffen, wäre aber jedenfalls ebenso verkehrt, als wenn ein ge¬
sunder Mensch eine Kur gegen eine Krankheit vornehmen wollte, die ihn in
Zukunft möglicherweise einmal treffen könnte.

Der durch den Bimetallismus drohenden ungerechten und nachteiligen
Geldentwertung würde die Hebung des Silberpreises einigermaßen entgegen¬
wirken, und diese scheint selbst für die Monometallisten etwas verlockendes zu
haben. Wir haben in Deutschland Silberminen, und wenn unsre Silber¬
erzeugung wertvoller würde, so wäre das unzweifelhaft ein Vorteil, und es
bleibt nur die Frage offen, ob nicht die wirtschaftlichen Nachteile eines kon-
kurrirenden Silbergeldes größer sein müßten, als die durch die Hebung des
Silberpreises erzielten Vorteile. Gold hat bei geringerm Gewicht einen viel
höhern Wert als Silber und ist schon deshalb als Geld für den Welthandel
unsrer Zeit, der mit bedeutend größern Werten als früher zu rechnen hat, ge¬
eigneter. Gold ist seltner als Silber und bietet deshalb eine größere Gewähr
für eine annähernde Wertbcstündigkeit als das Silber, und das ist für Handel
und Wandel unentbehrlich. Der größte Vorteil aber, den Europa der immer
mehr um sich greifenden Goldwährung verdankt, ist der, daß es dem an Hilfs¬
quellen so reichen Amerika gegenüber seine wirtschaftliche Selbständigkeit er¬
halten kann. Unsre Silbergewinnung ist viel zu gering, um uus, wenn das
Silber Wührungsgeld würde und dadurch eine Zwangskcmfkraft erhielte,
Amerika gegenüber konkurrenzfähig zu erhalten. Unser Anteil beträgt noch
nicht den zehnten Teil der Gesamterzeugung. Im Jahre 1892 wurden bei
uns 490000 Kilo gewonnen, während die Vereinigten Staaten von Amerika
allein 1 Million 800000 Kilo und Mexiko 1 Million 400000 Kilo erzeugten.
Eine Gegenüberstellung dieser Zahlen muß uns davon überzeugen, daß wir
mit der Hebung des Silberpreiscs durch den Bimetallismus recht eigentlich
die Geschäfte Amerikas betreiben und diesen Zukunftslanden ermöglichen würden,
uns vorzeitig auszulaufen. Die Bimetcillisten leben in dem Wahne, wir
wären gleichsam nur aus Laune zur Goldwährung übergegangen und würden
heute ebenso wirtschaftlich entwickelt dastehen, wenn wir die Silberwährung
behalten hätten. Richtig ist aber nur, daß wir zur Zeit der Einführung der


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[0601] Hebung des gesamten Volkswohlstands zu versprechen. Wäre es anders, so würde man nur aller paar Jahre zu dem bewährten Mittel der Wührungs- ünderung mit Geldentwertung zu greifen haben, um ohne andre Mühe als die Bekehrung der einfach und redlich denkenden Leute die Blüte von Handel und Gewerbe und die Mehrung des Nationalreichtums herbeizuführen. Schließlich mag auch noch die Prophezeiung des Dr. Arendt erwähnt werden, daß in Zukunft die Goldgewinnung sehr abnehmen werde. Diese Prophezeiung ist wohl ebenso ungerechtfertigt, als die Behauptung der an¬ geblichen gegenwärtigen Verteuerung des Geldes. Die mögliche zukünftige Verteuerung jetzt schon in Rechnung zu ziehen, um dem Bimetallismus Ein¬ gang zu verschaffen, wäre aber jedenfalls ebenso verkehrt, als wenn ein ge¬ sunder Mensch eine Kur gegen eine Krankheit vornehmen wollte, die ihn in Zukunft möglicherweise einmal treffen könnte. Der durch den Bimetallismus drohenden ungerechten und nachteiligen Geldentwertung würde die Hebung des Silberpreises einigermaßen entgegen¬ wirken, und diese scheint selbst für die Monometallisten etwas verlockendes zu haben. Wir haben in Deutschland Silberminen, und wenn unsre Silber¬ erzeugung wertvoller würde, so wäre das unzweifelhaft ein Vorteil, und es bleibt nur die Frage offen, ob nicht die wirtschaftlichen Nachteile eines kon- kurrirenden Silbergeldes größer sein müßten, als die durch die Hebung des Silberpreises erzielten Vorteile. Gold hat bei geringerm Gewicht einen viel höhern Wert als Silber und ist schon deshalb als Geld für den Welthandel unsrer Zeit, der mit bedeutend größern Werten als früher zu rechnen hat, ge¬ eigneter. Gold ist seltner als Silber und bietet deshalb eine größere Gewähr für eine annähernde Wertbcstündigkeit als das Silber, und das ist für Handel und Wandel unentbehrlich. Der größte Vorteil aber, den Europa der immer mehr um sich greifenden Goldwährung verdankt, ist der, daß es dem an Hilfs¬ quellen so reichen Amerika gegenüber seine wirtschaftliche Selbständigkeit er¬ halten kann. Unsre Silbergewinnung ist viel zu gering, um uus, wenn das Silber Wührungsgeld würde und dadurch eine Zwangskcmfkraft erhielte, Amerika gegenüber konkurrenzfähig zu erhalten. Unser Anteil beträgt noch nicht den zehnten Teil der Gesamterzeugung. Im Jahre 1892 wurden bei uns 490000 Kilo gewonnen, während die Vereinigten Staaten von Amerika allein 1 Million 800000 Kilo und Mexiko 1 Million 400000 Kilo erzeugten. Eine Gegenüberstellung dieser Zahlen muß uns davon überzeugen, daß wir mit der Hebung des Silberpreiscs durch den Bimetallismus recht eigentlich die Geschäfte Amerikas betreiben und diesen Zukunftslanden ermöglichen würden, uns vorzeitig auszulaufen. Die Bimetcillisten leben in dem Wahne, wir wären gleichsam nur aus Laune zur Goldwährung übergegangen und würden heute ebenso wirtschaftlich entwickelt dastehen, wenn wir die Silberwährung behalten hätten. Richtig ist aber nur, daß wir zur Zeit der Einführung der Grenzboten III 1895 75

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/601>, abgerufen am 28.07.2024.