Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zum lvÄhrungskampfe

hören nüchtern denkende freilich mit Erstaunen von dem allgemeinen Segen
des Bimetallismus; bringt es doch der wirtschaftliche Kampf im kleinen und
großen, die sogenannte Konkurrenz und der Wettbewerb der Nationen unter
einander mit sich, daß keine Vorteile errungen werden, die nicht andern Nach¬
teile brächten, setzt doch auch der Vorteil einer allgemeinen Preissteigerung
Leute voraus, die die höhern Preise zu zahlen habe". Dennoch bleibt es
Thatsache, daß unsre Parlamente alle wirklichen oder vermeintlichen Schäden
durch den Bimetallismus heilen wollen, und wir von diesem Glück anscheinend
nur durch die Einsichtslosigkeit Englands, das noch immer nicht reif genug
ist, seine eignen Interessen zu verstehen, bewahrt bleiben. Das letzte Wort
ist aber in England noch nicht gesprochen, und unsre Bimetallisten werden
sicherlich nicht freiwillig von einem Kampfe ablassen, in den sie sich mit sport¬
mäßiger Leidenschaft gestürzt haben, und dem sie so große Erfolge in der öffent¬
lichen Meinung verdanken. Sie werden natürlich erst dann zum Schweigen
gebracht werden, wenn sie für ihre Verheißungen keine Gläubigen mehr finden.
Wir müssen aber offen bekennen, daß, wenn bei der Art des Widerstandes
gegen die Bimetallisten, wie sie bisher beliebt gewesen ist, beharrt wird, vou
der Zukunft nichts zu hoffen ist. Eine selbsttrügerische Beschönigung nützt
nichts; entweder steht die Wahrheit auf feiten der Bimetallisten, oder die
Agitation der Gegner, die in dem Bimetallismus eine Erschütterung unsers
Volkswohlstandes erblicken, taugt nichts. Wer die wirtschaftlichen Schäden,
über die der Agrarier klagt, so unumwunden anerkennen muß und so wenig
zu versprechen hat wie die Partei, die unsre bestehende Währung erhalten will,
der muß eine sehr einleuchtende Sprache führen, wenn er nicht unterliegen
soll. In parlamentarischen Staaten mit dem allgemeinen gleichen Wahlrecht
hängt die Entscheidung eher von den Elementarlehrern ab, als von den Spitzen
der Bankwelt oder den Professoren. Vor der Verführung durch verlockende
Verheißungen können keine angreifbaren Theorien schützen, auch wenn sie besser
sind als die der Gegner, Theorien, die wirken sollen, müssen unbedingt und
offenbar zutreffend sein, oder sie sind ganz zu vermeiden. Bei der Erörterung
der praktischen Folgen der ungeheuern Hartgeldvcrmehrung, wie sie der Bi¬
metallismus mit sich bringen würde, kommt es weiter darauf an, nur das Nächst-
liegende und Unvermeidliche in Betracht zu ziehen und sich aller Spekulationen
zu enthalten, da sie doch nur einen sehr zweifelhaften Wert haben. Als die
Eisenbahnen aufkamen, sollen auch die einsichtigsten Menschen der Überzeugung
gewesen sein, das Eisen müsse im Preise steigen und das Pferd im Preise
fallen. Die Verhältnisse haben sich ganz anders gestaltet, und es läßt sich
wohl sagen, daß die menschliche Voraussicht den Spekulationen über verwickelte
zukünftige Verhältnisse nicht gewachsen ist. Die Hineinziehung solcher Speku¬
lationen giebt dem Gegner ein breites Angriffsfeld und die erwünschte Ge¬
legenheit, im Trüben zu fischen.


Zum lvÄhrungskampfe

hören nüchtern denkende freilich mit Erstaunen von dem allgemeinen Segen
des Bimetallismus; bringt es doch der wirtschaftliche Kampf im kleinen und
großen, die sogenannte Konkurrenz und der Wettbewerb der Nationen unter
einander mit sich, daß keine Vorteile errungen werden, die nicht andern Nach¬
teile brächten, setzt doch auch der Vorteil einer allgemeinen Preissteigerung
Leute voraus, die die höhern Preise zu zahlen habe». Dennoch bleibt es
Thatsache, daß unsre Parlamente alle wirklichen oder vermeintlichen Schäden
durch den Bimetallismus heilen wollen, und wir von diesem Glück anscheinend
nur durch die Einsichtslosigkeit Englands, das noch immer nicht reif genug
ist, seine eignen Interessen zu verstehen, bewahrt bleiben. Das letzte Wort
ist aber in England noch nicht gesprochen, und unsre Bimetallisten werden
sicherlich nicht freiwillig von einem Kampfe ablassen, in den sie sich mit sport¬
mäßiger Leidenschaft gestürzt haben, und dem sie so große Erfolge in der öffent¬
lichen Meinung verdanken. Sie werden natürlich erst dann zum Schweigen
gebracht werden, wenn sie für ihre Verheißungen keine Gläubigen mehr finden.
Wir müssen aber offen bekennen, daß, wenn bei der Art des Widerstandes
gegen die Bimetallisten, wie sie bisher beliebt gewesen ist, beharrt wird, vou
der Zukunft nichts zu hoffen ist. Eine selbsttrügerische Beschönigung nützt
nichts; entweder steht die Wahrheit auf feiten der Bimetallisten, oder die
Agitation der Gegner, die in dem Bimetallismus eine Erschütterung unsers
Volkswohlstandes erblicken, taugt nichts. Wer die wirtschaftlichen Schäden,
über die der Agrarier klagt, so unumwunden anerkennen muß und so wenig
zu versprechen hat wie die Partei, die unsre bestehende Währung erhalten will,
der muß eine sehr einleuchtende Sprache führen, wenn er nicht unterliegen
soll. In parlamentarischen Staaten mit dem allgemeinen gleichen Wahlrecht
hängt die Entscheidung eher von den Elementarlehrern ab, als von den Spitzen
der Bankwelt oder den Professoren. Vor der Verführung durch verlockende
Verheißungen können keine angreifbaren Theorien schützen, auch wenn sie besser
sind als die der Gegner, Theorien, die wirken sollen, müssen unbedingt und
offenbar zutreffend sein, oder sie sind ganz zu vermeiden. Bei der Erörterung
der praktischen Folgen der ungeheuern Hartgeldvcrmehrung, wie sie der Bi¬
metallismus mit sich bringen würde, kommt es weiter darauf an, nur das Nächst-
liegende und Unvermeidliche in Betracht zu ziehen und sich aller Spekulationen
zu enthalten, da sie doch nur einen sehr zweifelhaften Wert haben. Als die
Eisenbahnen aufkamen, sollen auch die einsichtigsten Menschen der Überzeugung
gewesen sein, das Eisen müsse im Preise steigen und das Pferd im Preise
fallen. Die Verhältnisse haben sich ganz anders gestaltet, und es läßt sich
wohl sagen, daß die menschliche Voraussicht den Spekulationen über verwickelte
zukünftige Verhältnisse nicht gewachsen ist. Die Hineinziehung solcher Speku¬
lationen giebt dem Gegner ein breites Angriffsfeld und die erwünschte Ge¬
legenheit, im Trüben zu fischen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0594" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220920"/>
          <fw type="header" place="top"> Zum lvÄhrungskampfe</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2240" prev="#ID_2239"> hören nüchtern denkende freilich mit Erstaunen von dem allgemeinen Segen<lb/>
des Bimetallismus; bringt es doch der wirtschaftliche Kampf im kleinen und<lb/>
großen, die sogenannte Konkurrenz und der Wettbewerb der Nationen unter<lb/>
einander mit sich, daß keine Vorteile errungen werden, die nicht andern Nach¬<lb/>
teile brächten, setzt doch auch der Vorteil einer allgemeinen Preissteigerung<lb/>
Leute voraus, die die höhern Preise zu zahlen habe». Dennoch bleibt es<lb/>
Thatsache, daß unsre Parlamente alle wirklichen oder vermeintlichen Schäden<lb/>
durch den Bimetallismus heilen wollen, und wir von diesem Glück anscheinend<lb/>
nur durch die Einsichtslosigkeit Englands, das noch immer nicht reif genug<lb/>
ist, seine eignen Interessen zu verstehen, bewahrt bleiben. Das letzte Wort<lb/>
ist aber in England noch nicht gesprochen, und unsre Bimetallisten werden<lb/>
sicherlich nicht freiwillig von einem Kampfe ablassen, in den sie sich mit sport¬<lb/>
mäßiger Leidenschaft gestürzt haben, und dem sie so große Erfolge in der öffent¬<lb/>
lichen Meinung verdanken. Sie werden natürlich erst dann zum Schweigen<lb/>
gebracht werden, wenn sie für ihre Verheißungen keine Gläubigen mehr finden.<lb/>
Wir müssen aber offen bekennen, daß, wenn bei der Art des Widerstandes<lb/>
gegen die Bimetallisten, wie sie bisher beliebt gewesen ist, beharrt wird, vou<lb/>
der Zukunft nichts zu hoffen ist. Eine selbsttrügerische Beschönigung nützt<lb/>
nichts; entweder steht die Wahrheit auf feiten der Bimetallisten, oder die<lb/>
Agitation der Gegner, die in dem Bimetallismus eine Erschütterung unsers<lb/>
Volkswohlstandes erblicken, taugt nichts. Wer die wirtschaftlichen Schäden,<lb/>
über die der Agrarier klagt, so unumwunden anerkennen muß und so wenig<lb/>
zu versprechen hat wie die Partei, die unsre bestehende Währung erhalten will,<lb/>
der muß eine sehr einleuchtende Sprache führen, wenn er nicht unterliegen<lb/>
soll. In parlamentarischen Staaten mit dem allgemeinen gleichen Wahlrecht<lb/>
hängt die Entscheidung eher von den Elementarlehrern ab, als von den Spitzen<lb/>
der Bankwelt oder den Professoren. Vor der Verführung durch verlockende<lb/>
Verheißungen können keine angreifbaren Theorien schützen, auch wenn sie besser<lb/>
sind als die der Gegner, Theorien, die wirken sollen, müssen unbedingt und<lb/>
offenbar zutreffend sein, oder sie sind ganz zu vermeiden. Bei der Erörterung<lb/>
der praktischen Folgen der ungeheuern Hartgeldvcrmehrung, wie sie der Bi¬<lb/>
metallismus mit sich bringen würde, kommt es weiter darauf an, nur das Nächst-<lb/>
liegende und Unvermeidliche in Betracht zu ziehen und sich aller Spekulationen<lb/>
zu enthalten, da sie doch nur einen sehr zweifelhaften Wert haben. Als die<lb/>
Eisenbahnen aufkamen, sollen auch die einsichtigsten Menschen der Überzeugung<lb/>
gewesen sein, das Eisen müsse im Preise steigen und das Pferd im Preise<lb/>
fallen. Die Verhältnisse haben sich ganz anders gestaltet, und es läßt sich<lb/>
wohl sagen, daß die menschliche Voraussicht den Spekulationen über verwickelte<lb/>
zukünftige Verhältnisse nicht gewachsen ist. Die Hineinziehung solcher Speku¬<lb/>
lationen giebt dem Gegner ein breites Angriffsfeld und die erwünschte Ge¬<lb/>
legenheit, im Trüben zu fischen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0594] Zum lvÄhrungskampfe hören nüchtern denkende freilich mit Erstaunen von dem allgemeinen Segen des Bimetallismus; bringt es doch der wirtschaftliche Kampf im kleinen und großen, die sogenannte Konkurrenz und der Wettbewerb der Nationen unter einander mit sich, daß keine Vorteile errungen werden, die nicht andern Nach¬ teile brächten, setzt doch auch der Vorteil einer allgemeinen Preissteigerung Leute voraus, die die höhern Preise zu zahlen habe». Dennoch bleibt es Thatsache, daß unsre Parlamente alle wirklichen oder vermeintlichen Schäden durch den Bimetallismus heilen wollen, und wir von diesem Glück anscheinend nur durch die Einsichtslosigkeit Englands, das noch immer nicht reif genug ist, seine eignen Interessen zu verstehen, bewahrt bleiben. Das letzte Wort ist aber in England noch nicht gesprochen, und unsre Bimetallisten werden sicherlich nicht freiwillig von einem Kampfe ablassen, in den sie sich mit sport¬ mäßiger Leidenschaft gestürzt haben, und dem sie so große Erfolge in der öffent¬ lichen Meinung verdanken. Sie werden natürlich erst dann zum Schweigen gebracht werden, wenn sie für ihre Verheißungen keine Gläubigen mehr finden. Wir müssen aber offen bekennen, daß, wenn bei der Art des Widerstandes gegen die Bimetallisten, wie sie bisher beliebt gewesen ist, beharrt wird, vou der Zukunft nichts zu hoffen ist. Eine selbsttrügerische Beschönigung nützt nichts; entweder steht die Wahrheit auf feiten der Bimetallisten, oder die Agitation der Gegner, die in dem Bimetallismus eine Erschütterung unsers Volkswohlstandes erblicken, taugt nichts. Wer die wirtschaftlichen Schäden, über die der Agrarier klagt, so unumwunden anerkennen muß und so wenig zu versprechen hat wie die Partei, die unsre bestehende Währung erhalten will, der muß eine sehr einleuchtende Sprache führen, wenn er nicht unterliegen soll. In parlamentarischen Staaten mit dem allgemeinen gleichen Wahlrecht hängt die Entscheidung eher von den Elementarlehrern ab, als von den Spitzen der Bankwelt oder den Professoren. Vor der Verführung durch verlockende Verheißungen können keine angreifbaren Theorien schützen, auch wenn sie besser sind als die der Gegner, Theorien, die wirken sollen, müssen unbedingt und offenbar zutreffend sein, oder sie sind ganz zu vermeiden. Bei der Erörterung der praktischen Folgen der ungeheuern Hartgeldvcrmehrung, wie sie der Bi¬ metallismus mit sich bringen würde, kommt es weiter darauf an, nur das Nächst- liegende und Unvermeidliche in Betracht zu ziehen und sich aller Spekulationen zu enthalten, da sie doch nur einen sehr zweifelhaften Wert haben. Als die Eisenbahnen aufkamen, sollen auch die einsichtigsten Menschen der Überzeugung gewesen sein, das Eisen müsse im Preise steigen und das Pferd im Preise fallen. Die Verhältnisse haben sich ganz anders gestaltet, und es läßt sich wohl sagen, daß die menschliche Voraussicht den Spekulationen über verwickelte zukünftige Verhältnisse nicht gewachsen ist. Die Hineinziehung solcher Speku¬ lationen giebt dem Gegner ein breites Angriffsfeld und die erwünschte Ge¬ legenheit, im Trüben zu fischen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/594
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/594>, abgerufen am 27.07.2024.