Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.Ist die jetzige preußische Regierung national? krüften gespart. Also doch eine geringere Nachfrage nach Landarbeitcrn. Und bei diesen Thatsachen tritt die preußische Negierung mit der Behaup¬ Ist die jetzige preußische Regierung national? krüften gespart. Also doch eine geringere Nachfrage nach Landarbeitcrn. Und bei diesen Thatsachen tritt die preußische Negierung mit der Behaup¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0404" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/220730"/> <fw type="header" place="top"> Ist die jetzige preußische Regierung national?</fw><lb/> <p xml:id="ID_1664" prev="#ID_1663"> krüften gespart. Also doch eine geringere Nachfrage nach Landarbeitcrn.<lb/> Dabei hat die Industrie mehr darniedergelegen denn je. Also auch hier eine<lb/> geringere Nachfrage nach Arbeitern. Außerdem aber hat die Auswanderung<lb/> aus Deutschland nach Amerika bedeutend ab- und die Rückwanderung dorther<lb/> bedeutend zugenommen. Während im Jahre 1892 noch 107 803 Personen<lb/> nach den Vereinigten Staaten ausgewandert sind, waren es ihrer 1894 nur<lb/> noch 38 827. Dabei sind 24852 Personen 1894 aus Amerika zurückgekommen.<lb/> Und im laufenden Jahre wird die Auswanderung wahrscheinlich noch weiter<lb/> herabgehen. Also in den letzten Jahren ein größeres Angebot von inländischen<lb/> Arbeitern. Trotz alledem ist im Jahre 1894 die Zahl der eingewanderten<lb/> Arbeiter gegen 1893 bedeutend gewachsen. Während sie im Jahre 1893<lb/> 23352 Personen betrug, belief sie sich 1894 auf 27 645. Ein beträchtlicher<lb/> Zuwachs, wenn man bedenkt, daß bisher die Eingewanderten lauter erwachsene<lb/> Arbeiter waren und jeder von ihnen eine inländische Familie in der Stärke<lb/> von mindestens vier Köpfen verdrängt. Und in diesem Jahre ist die Ein¬<lb/> wanderung größer denn je zuvor. In Massen, wie es bisher noch nicht da¬<lb/> gewesen ist — so berichtet die Deutsche Tageszeitung —, kommen die Land¬<lb/> arbeiter bis aus dem Innern Rußlands heraus über unsre Grenze, um bei<lb/> uns Arbeit zu suchen. Die inländischen Arbeiter, die jetzt aus Mitteldeutsch¬<lb/> land nach dem Osten zurückkehren, da sie dort keine Arbeit gefunden haben,<lb/> müssen arbeitslos umherlungern, denn die Russen haben ihre Plätze besetzt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1665" next="#ID_1666"> Und bei diesen Thatsachen tritt die preußische Negierung mit der Behaup¬<lb/> tung auf, aus der Zulassung ausländischer Arbeiter Hütten sich bisher keine<lb/> großen Nachteile in nationaler Beziehung geltend gemacht! Begreife das, wer<lb/> kann! Anstatt die Einwanderung allmählich zu beschränken, wie von nationaler<lb/> Seite wiederholt und dringend gefordert worden ist, wird sie durch die neuere<lb/> Maßregel bedeutend erleichtert. Der ausländische Arbeiter wird von jetzt ab<lb/> mit Genehmigung des Oberprüsidenten der Provinz in dieser nicht bloß vorüber¬<lb/> gehend, sondern auch dauernd zugelassen. Und das gefährlichste: auch ganzen<lb/> Arbeiterfamilien kann der Aufenthalt gewährt werden. Diese Bestimmung<lb/> muß, wenn sie nicht bald aufgehoben wird, dem Deutschtum des Ostens den<lb/> Todesstoß versetzen. Bis jetzt hatte der Großgrundbesitzer des Ostens wenigstens<lb/> ein Interesse, sich den deutschen Arbeiter zu erhalten: nämlich die billige Ar¬<lb/> beitskraft seiner Kinder ausnutzen zu können. Mußte er auch vielleicht dem<lb/> inländischen erwachsenen Arbeiter einen höhern Lohn zahlen als dem auslän¬<lb/> dischen, so wurde das dadurch aufgewogen, daß ihm die billigere Arbeitskraft<lb/> der Familienglieder des Irländers zur Verfügung stand. Dies wird in Zu¬<lb/> kunft anders werde». Die Familie des Ausländers tritt nun mit der inlän¬<lb/> dischen in Wettbewerb. Sie wird die des deutschen Arbeiters unterbieten. Und<lb/> da das letzte Interesse deS Großgrundbesitzers für den deutschen Arbeiter<lb/> weggefallen ist, so wird er nun mit rasender Schnelligkeit von der Bild-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0404]
Ist die jetzige preußische Regierung national?
krüften gespart. Also doch eine geringere Nachfrage nach Landarbeitcrn.
Dabei hat die Industrie mehr darniedergelegen denn je. Also auch hier eine
geringere Nachfrage nach Arbeitern. Außerdem aber hat die Auswanderung
aus Deutschland nach Amerika bedeutend ab- und die Rückwanderung dorther
bedeutend zugenommen. Während im Jahre 1892 noch 107 803 Personen
nach den Vereinigten Staaten ausgewandert sind, waren es ihrer 1894 nur
noch 38 827. Dabei sind 24852 Personen 1894 aus Amerika zurückgekommen.
Und im laufenden Jahre wird die Auswanderung wahrscheinlich noch weiter
herabgehen. Also in den letzten Jahren ein größeres Angebot von inländischen
Arbeitern. Trotz alledem ist im Jahre 1894 die Zahl der eingewanderten
Arbeiter gegen 1893 bedeutend gewachsen. Während sie im Jahre 1893
23352 Personen betrug, belief sie sich 1894 auf 27 645. Ein beträchtlicher
Zuwachs, wenn man bedenkt, daß bisher die Eingewanderten lauter erwachsene
Arbeiter waren und jeder von ihnen eine inländische Familie in der Stärke
von mindestens vier Köpfen verdrängt. Und in diesem Jahre ist die Ein¬
wanderung größer denn je zuvor. In Massen, wie es bisher noch nicht da¬
gewesen ist — so berichtet die Deutsche Tageszeitung —, kommen die Land¬
arbeiter bis aus dem Innern Rußlands heraus über unsre Grenze, um bei
uns Arbeit zu suchen. Die inländischen Arbeiter, die jetzt aus Mitteldeutsch¬
land nach dem Osten zurückkehren, da sie dort keine Arbeit gefunden haben,
müssen arbeitslos umherlungern, denn die Russen haben ihre Plätze besetzt.
Und bei diesen Thatsachen tritt die preußische Negierung mit der Behaup¬
tung auf, aus der Zulassung ausländischer Arbeiter Hütten sich bisher keine
großen Nachteile in nationaler Beziehung geltend gemacht! Begreife das, wer
kann! Anstatt die Einwanderung allmählich zu beschränken, wie von nationaler
Seite wiederholt und dringend gefordert worden ist, wird sie durch die neuere
Maßregel bedeutend erleichtert. Der ausländische Arbeiter wird von jetzt ab
mit Genehmigung des Oberprüsidenten der Provinz in dieser nicht bloß vorüber¬
gehend, sondern auch dauernd zugelassen. Und das gefährlichste: auch ganzen
Arbeiterfamilien kann der Aufenthalt gewährt werden. Diese Bestimmung
muß, wenn sie nicht bald aufgehoben wird, dem Deutschtum des Ostens den
Todesstoß versetzen. Bis jetzt hatte der Großgrundbesitzer des Ostens wenigstens
ein Interesse, sich den deutschen Arbeiter zu erhalten: nämlich die billige Ar¬
beitskraft seiner Kinder ausnutzen zu können. Mußte er auch vielleicht dem
inländischen erwachsenen Arbeiter einen höhern Lohn zahlen als dem auslän¬
dischen, so wurde das dadurch aufgewogen, daß ihm die billigere Arbeitskraft
der Familienglieder des Irländers zur Verfügung stand. Dies wird in Zu¬
kunft anders werde». Die Familie des Ausländers tritt nun mit der inlän¬
dischen in Wettbewerb. Sie wird die des deutschen Arbeiters unterbieten. Und
da das letzte Interesse deS Großgrundbesitzers für den deutschen Arbeiter
weggefallen ist, so wird er nun mit rasender Schnelligkeit von der Bild-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |