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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Englische Ausfälle gegen den deutschen Kriegsschiffbau

Engländer folgten ihnen mit dem viel unzweckmäßiger gebauten Warrior nach.
In den drei Jahrzehnten, die seit dem Stapellaufe des ersten gepanzerten
Schlachtschiffs verflossen sind, haben nicht die die See beherrschenden Eng¬
länder, sondern die geschickten Schiffbauer der Franzosen beim Bau der schwim¬
menden Festen die Führung gehabt. Das sieht man, wenn man aufmerksam
die Listen der Panzerflotten durchgeht. Man sieht dann, daß die Franzosen
früher als die Engländer die Batterieschiffsgattung mit der unpraktischen Ge¬
schützaufstellung aufgaben und statt dessen Kasemattschiffe bauten, deren Pforten
größere Bestreichungswinkel boten; auch die Brustwehr-(dö-rböttö) Turmschiffe
findet man viel früher in der französischen Flotte. Erst mehrere Jahre nach
den Italienern sind die Engländer darauf gekommen, ebenfalls riesige Panzer¬
schiffe von mehr als 14000 Tonnen Wasserverdrängung zu bauen. In keiner
andern Panzerflotte findet man so wenig einander gleiche Schiffe wie in der
englischen; erst seit der letzten großen Flottenvermehrung hat man es in Eng¬
land den Franzosen und uns Deutschen nachgemacht und baut stets ein großes
Geschwader gleichartiger Schiffe, was aus taktischen Gründen wichtig ist.
Ohne auf mehr Einzelheiten einzugehen, läßt sich schon aus dem angeführten
schließen, daß die englischen Panzerschiffe keinen eigentümlichen Charakter
zeigen können; die Engländer sind also auch nicht befugt, ihre Schiffe als die
giltigen Muster des Panzerschisfbaus hinzustellen, um unsre Schiffe deshalb
ungünstig zu beurteilen, weil sie nicht nach englischen Plänen gebaut sind.

Von uusern ersten Panzerschiffen war Friedrich Karl in Frankreich, Kron¬
prinz in England erbaut; später sind noch König Wilhelm, Kaiser und Deutsch¬
land in England und die Turmschiffe der Preußenklasse in Deutschland nach
englischen Vorbildern erbaut worden, weil unsre Erfahrungen im Kriegsschiffbau
damals, vor drei und zweieinhalb Jahrzehnten, noch nicht für den selbstän¬
digen Bau von Panzerschiffen ausreichten. Doch schon die Schiffe der Sachsen¬
klasse, die in den Jahren 1877 bis 1880 vom Stapel liefen, zeigen, wie gut
es unsre Schiffbaumeister verstanden, sich vom englischen Einfluß freizumachen.
Bei der Sachsen erinnert nur noch die Anordnung des Panzers in dem mittlern
Teile des Schiffs an englische Bauten, während die Geschützaufstellung schon
ganz eigentümlich ist. In vollem Maße aber kann man bei unsern neuesten
Panzerschiffsgattungen, deren Muster Brandenburg und Siegfried sind, eine
selbständige deutsche Art, deutschen Charakter in allen Plänen wahrnehmen.
Und das will der Gewährsmann der Times nicht einsehen, er legt an unsre
Schiffe und auch an andre, z. B. an die französischen, den englischen Maßstab
an und tadelt deshalb meist das, was in der englischen Flotte nicht ge¬
bräuchlich ist.

Aus dem Aufsatz, der in der Times nicht weniger als sechs lange Spalten
einnimmt, foll hier nur das Wichtigste herausgegriffen werden, also vor allem
das Urteil über unsre Panzerschiffe. Von den Schiffen der Sachsenklasse wird


Englische Ausfälle gegen den deutschen Kriegsschiffbau

Engländer folgten ihnen mit dem viel unzweckmäßiger gebauten Warrior nach.
In den drei Jahrzehnten, die seit dem Stapellaufe des ersten gepanzerten
Schlachtschiffs verflossen sind, haben nicht die die See beherrschenden Eng¬
länder, sondern die geschickten Schiffbauer der Franzosen beim Bau der schwim¬
menden Festen die Führung gehabt. Das sieht man, wenn man aufmerksam
die Listen der Panzerflotten durchgeht. Man sieht dann, daß die Franzosen
früher als die Engländer die Batterieschiffsgattung mit der unpraktischen Ge¬
schützaufstellung aufgaben und statt dessen Kasemattschiffe bauten, deren Pforten
größere Bestreichungswinkel boten; auch die Brustwehr-(dö-rböttö) Turmschiffe
findet man viel früher in der französischen Flotte. Erst mehrere Jahre nach
den Italienern sind die Engländer darauf gekommen, ebenfalls riesige Panzer¬
schiffe von mehr als 14000 Tonnen Wasserverdrängung zu bauen. In keiner
andern Panzerflotte findet man so wenig einander gleiche Schiffe wie in der
englischen; erst seit der letzten großen Flottenvermehrung hat man es in Eng¬
land den Franzosen und uns Deutschen nachgemacht und baut stets ein großes
Geschwader gleichartiger Schiffe, was aus taktischen Gründen wichtig ist.
Ohne auf mehr Einzelheiten einzugehen, läßt sich schon aus dem angeführten
schließen, daß die englischen Panzerschiffe keinen eigentümlichen Charakter
zeigen können; die Engländer sind also auch nicht befugt, ihre Schiffe als die
giltigen Muster des Panzerschisfbaus hinzustellen, um unsre Schiffe deshalb
ungünstig zu beurteilen, weil sie nicht nach englischen Plänen gebaut sind.

Von uusern ersten Panzerschiffen war Friedrich Karl in Frankreich, Kron¬
prinz in England erbaut; später sind noch König Wilhelm, Kaiser und Deutsch¬
land in England und die Turmschiffe der Preußenklasse in Deutschland nach
englischen Vorbildern erbaut worden, weil unsre Erfahrungen im Kriegsschiffbau
damals, vor drei und zweieinhalb Jahrzehnten, noch nicht für den selbstän¬
digen Bau von Panzerschiffen ausreichten. Doch schon die Schiffe der Sachsen¬
klasse, die in den Jahren 1877 bis 1880 vom Stapel liefen, zeigen, wie gut
es unsre Schiffbaumeister verstanden, sich vom englischen Einfluß freizumachen.
Bei der Sachsen erinnert nur noch die Anordnung des Panzers in dem mittlern
Teile des Schiffs an englische Bauten, während die Geschützaufstellung schon
ganz eigentümlich ist. In vollem Maße aber kann man bei unsern neuesten
Panzerschiffsgattungen, deren Muster Brandenburg und Siegfried sind, eine
selbständige deutsche Art, deutschen Charakter in allen Plänen wahrnehmen.
Und das will der Gewährsmann der Times nicht einsehen, er legt an unsre
Schiffe und auch an andre, z. B. an die französischen, den englischen Maßstab
an und tadelt deshalb meist das, was in der englischen Flotte nicht ge¬
bräuchlich ist.

Aus dem Aufsatz, der in der Times nicht weniger als sechs lange Spalten
einnimmt, foll hier nur das Wichtigste herausgegriffen werden, also vor allem
das Urteil über unsre Panzerschiffe. Von den Schiffen der Sachsenklasse wird


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[0354] Englische Ausfälle gegen den deutschen Kriegsschiffbau Engländer folgten ihnen mit dem viel unzweckmäßiger gebauten Warrior nach. In den drei Jahrzehnten, die seit dem Stapellaufe des ersten gepanzerten Schlachtschiffs verflossen sind, haben nicht die die See beherrschenden Eng¬ länder, sondern die geschickten Schiffbauer der Franzosen beim Bau der schwim¬ menden Festen die Führung gehabt. Das sieht man, wenn man aufmerksam die Listen der Panzerflotten durchgeht. Man sieht dann, daß die Franzosen früher als die Engländer die Batterieschiffsgattung mit der unpraktischen Ge¬ schützaufstellung aufgaben und statt dessen Kasemattschiffe bauten, deren Pforten größere Bestreichungswinkel boten; auch die Brustwehr-(dö-rböttö) Turmschiffe findet man viel früher in der französischen Flotte. Erst mehrere Jahre nach den Italienern sind die Engländer darauf gekommen, ebenfalls riesige Panzer¬ schiffe von mehr als 14000 Tonnen Wasserverdrängung zu bauen. In keiner andern Panzerflotte findet man so wenig einander gleiche Schiffe wie in der englischen; erst seit der letzten großen Flottenvermehrung hat man es in Eng¬ land den Franzosen und uns Deutschen nachgemacht und baut stets ein großes Geschwader gleichartiger Schiffe, was aus taktischen Gründen wichtig ist. Ohne auf mehr Einzelheiten einzugehen, läßt sich schon aus dem angeführten schließen, daß die englischen Panzerschiffe keinen eigentümlichen Charakter zeigen können; die Engländer sind also auch nicht befugt, ihre Schiffe als die giltigen Muster des Panzerschisfbaus hinzustellen, um unsre Schiffe deshalb ungünstig zu beurteilen, weil sie nicht nach englischen Plänen gebaut sind. Von uusern ersten Panzerschiffen war Friedrich Karl in Frankreich, Kron¬ prinz in England erbaut; später sind noch König Wilhelm, Kaiser und Deutsch¬ land in England und die Turmschiffe der Preußenklasse in Deutschland nach englischen Vorbildern erbaut worden, weil unsre Erfahrungen im Kriegsschiffbau damals, vor drei und zweieinhalb Jahrzehnten, noch nicht für den selbstän¬ digen Bau von Panzerschiffen ausreichten. Doch schon die Schiffe der Sachsen¬ klasse, die in den Jahren 1877 bis 1880 vom Stapel liefen, zeigen, wie gut es unsre Schiffbaumeister verstanden, sich vom englischen Einfluß freizumachen. Bei der Sachsen erinnert nur noch die Anordnung des Panzers in dem mittlern Teile des Schiffs an englische Bauten, während die Geschützaufstellung schon ganz eigentümlich ist. In vollem Maße aber kann man bei unsern neuesten Panzerschiffsgattungen, deren Muster Brandenburg und Siegfried sind, eine selbständige deutsche Art, deutschen Charakter in allen Plänen wahrnehmen. Und das will der Gewährsmann der Times nicht einsehen, er legt an unsre Schiffe und auch an andre, z. B. an die französischen, den englischen Maßstab an und tadelt deshalb meist das, was in der englischen Flotte nicht ge¬ bräuchlich ist. Aus dem Aufsatz, der in der Times nicht weniger als sechs lange Spalten einnimmt, foll hier nur das Wichtigste herausgegriffen werden, also vor allem das Urteil über unsre Panzerschiffe. Von den Schiffen der Sachsenklasse wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/354>, abgerufen am 01.09.2024.