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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Aourcid Fiedler

den rechten Glanz verlieh, so hatte man eben doch immer das Gefühl, daß
er es eigentlich sei, von dem der Glanz ausging. Wer einer Einladung zu
ihm folgte, der wollte sich vor allem an ihm erfreuen, wie er selbst sich an
seinen Gästen erfreute. Ja, das war das eigentliche Geheimnis seiner An¬
ziehungskraft. Fiedlers Gastlichkeit war nur wie die heitern, lichtdnrchfluteten
Prvphläen eines Frcundschaftstempels ohne gleichen, und in jedem, der diese
Vorhallen betreten hatte, regte sich, so gut sichs auch darin weilte, der Wunsch,
auch in das Heiligtum selbst zu gelangen; es ahnte ihm, daß er dort ein
Glück finden würde, das nur wenigen beschieden ist, das Glück, verstanden zu
werden.

Wie bei Fiedlers Wirken als Mäcen das tiefe Interesse, das er für die
Persönlichkeit hegte, die Grundlage bildete, so verhielt er sich auch in seinen
Beziehungen zu Menschen überhaupt. Er respektirte die Natur, er wollte sie
nicht anders haben, als sie ist, weil er ihre geheimsten Absichten begriff, weil
er wußte, daß sie das Gute nie ohne das Böse schafft, und zum Licht sich
der Schatten gesellen muß, wenn es unser sterbliches Auge erfreuen soll. Er
verlangte nie etwas andres von seinen Freunden, als so zu sein, wie sie waren.
Ihre Natur, sie selbst forderte er von ihnen, das genügte ihm, ja es konnte
ihn entzücken, selbst wenn er unter dem Mangelhaften, was dabei mit zu Tage
gefördert wurde, litt. Wie er ein abgesagter Feind alles Gespreizten, Ge¬
zierten, Gemachtem, aller Prätension und Ostentation war, so konnte er der
Natur gegenüber sogar seine eigne aristokratische Art und Erziehung verleugnen,
die ihn wohl sonst manchmal zu Klagen über die täglich fortschreitende Ver-
pvbelung der Welt brachten. Und wie seine Freunde sicher waren, für alle
Ausbrüche ihrer wahren Natur, selbst wenn sie sich in schroffer, ja roher Weise
äußerten, Nachsicht bei ihm zu finden, so konnten sie erst recht darauf zählen,
für alles Gute, das von ihnen ausging, von ihm anerkannt zu werden. Das
Gute am Menschen wagt sich sonst noch weniger zu Tage als das Schlechte.
Der Edle fürchtet dafür die Verkennung, den Spott, besonders da er im
mündlichen Verkehr uur selten in der Lage ist, für das Gute einen angemessenen,
nicht mißverstehenden Ausdruck zu finden. Er fürchtet, daß ihm sein Heilig¬
tum entweiht werde, daß ihm die Quelle, aus der er den Mut zu leben schöpft,
getrübt werde. Alles das war Fiedler gegenüber nicht zu besorgen. Wie
Frivolität vielleicht das einzige war, was ihm einen andern Menschen unerträg¬
lich machte, so war auch in seinem eignen Wesen keine Spur davon. Der
Ernst und die Tiefe seines Innern verbreiteten über seine Person und über die
ganze Atmosphäre, in der er lebte, eine weihevolle Stimmung, die alles Triviale,
alles Gemeine ausschloß. Ein Freund von ihm sagte einmal: Wenn Fiedler
kommt, so ist es immer wie Sonntag. So war es auch. Und jeder, der mit
ihm zusammen war, hatte dieses Gefühl des Besondern, des Feierlicher und
suchte sein Denken und Reden demgemäß einzurichten. "Es giebt edle Seelen,


Aourcid Fiedler

den rechten Glanz verlieh, so hatte man eben doch immer das Gefühl, daß
er es eigentlich sei, von dem der Glanz ausging. Wer einer Einladung zu
ihm folgte, der wollte sich vor allem an ihm erfreuen, wie er selbst sich an
seinen Gästen erfreute. Ja, das war das eigentliche Geheimnis seiner An¬
ziehungskraft. Fiedlers Gastlichkeit war nur wie die heitern, lichtdnrchfluteten
Prvphläen eines Frcundschaftstempels ohne gleichen, und in jedem, der diese
Vorhallen betreten hatte, regte sich, so gut sichs auch darin weilte, der Wunsch,
auch in das Heiligtum selbst zu gelangen; es ahnte ihm, daß er dort ein
Glück finden würde, das nur wenigen beschieden ist, das Glück, verstanden zu
werden.

Wie bei Fiedlers Wirken als Mäcen das tiefe Interesse, das er für die
Persönlichkeit hegte, die Grundlage bildete, so verhielt er sich auch in seinen
Beziehungen zu Menschen überhaupt. Er respektirte die Natur, er wollte sie
nicht anders haben, als sie ist, weil er ihre geheimsten Absichten begriff, weil
er wußte, daß sie das Gute nie ohne das Böse schafft, und zum Licht sich
der Schatten gesellen muß, wenn es unser sterbliches Auge erfreuen soll. Er
verlangte nie etwas andres von seinen Freunden, als so zu sein, wie sie waren.
Ihre Natur, sie selbst forderte er von ihnen, das genügte ihm, ja es konnte
ihn entzücken, selbst wenn er unter dem Mangelhaften, was dabei mit zu Tage
gefördert wurde, litt. Wie er ein abgesagter Feind alles Gespreizten, Ge¬
zierten, Gemachtem, aller Prätension und Ostentation war, so konnte er der
Natur gegenüber sogar seine eigne aristokratische Art und Erziehung verleugnen,
die ihn wohl sonst manchmal zu Klagen über die täglich fortschreitende Ver-
pvbelung der Welt brachten. Und wie seine Freunde sicher waren, für alle
Ausbrüche ihrer wahren Natur, selbst wenn sie sich in schroffer, ja roher Weise
äußerten, Nachsicht bei ihm zu finden, so konnten sie erst recht darauf zählen,
für alles Gute, das von ihnen ausging, von ihm anerkannt zu werden. Das
Gute am Menschen wagt sich sonst noch weniger zu Tage als das Schlechte.
Der Edle fürchtet dafür die Verkennung, den Spott, besonders da er im
mündlichen Verkehr uur selten in der Lage ist, für das Gute einen angemessenen,
nicht mißverstehenden Ausdruck zu finden. Er fürchtet, daß ihm sein Heilig¬
tum entweiht werde, daß ihm die Quelle, aus der er den Mut zu leben schöpft,
getrübt werde. Alles das war Fiedler gegenüber nicht zu besorgen. Wie
Frivolität vielleicht das einzige war, was ihm einen andern Menschen unerträg¬
lich machte, so war auch in seinem eignen Wesen keine Spur davon. Der
Ernst und die Tiefe seines Innern verbreiteten über seine Person und über die
ganze Atmosphäre, in der er lebte, eine weihevolle Stimmung, die alles Triviale,
alles Gemeine ausschloß. Ein Freund von ihm sagte einmal: Wenn Fiedler
kommt, so ist es immer wie Sonntag. So war es auch. Und jeder, der mit
ihm zusammen war, hatte dieses Gefühl des Besondern, des Feierlicher und
suchte sein Denken und Reden demgemäß einzurichten. „Es giebt edle Seelen,


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[0327] Aourcid Fiedler den rechten Glanz verlieh, so hatte man eben doch immer das Gefühl, daß er es eigentlich sei, von dem der Glanz ausging. Wer einer Einladung zu ihm folgte, der wollte sich vor allem an ihm erfreuen, wie er selbst sich an seinen Gästen erfreute. Ja, das war das eigentliche Geheimnis seiner An¬ ziehungskraft. Fiedlers Gastlichkeit war nur wie die heitern, lichtdnrchfluteten Prvphläen eines Frcundschaftstempels ohne gleichen, und in jedem, der diese Vorhallen betreten hatte, regte sich, so gut sichs auch darin weilte, der Wunsch, auch in das Heiligtum selbst zu gelangen; es ahnte ihm, daß er dort ein Glück finden würde, das nur wenigen beschieden ist, das Glück, verstanden zu werden. Wie bei Fiedlers Wirken als Mäcen das tiefe Interesse, das er für die Persönlichkeit hegte, die Grundlage bildete, so verhielt er sich auch in seinen Beziehungen zu Menschen überhaupt. Er respektirte die Natur, er wollte sie nicht anders haben, als sie ist, weil er ihre geheimsten Absichten begriff, weil er wußte, daß sie das Gute nie ohne das Böse schafft, und zum Licht sich der Schatten gesellen muß, wenn es unser sterbliches Auge erfreuen soll. Er verlangte nie etwas andres von seinen Freunden, als so zu sein, wie sie waren. Ihre Natur, sie selbst forderte er von ihnen, das genügte ihm, ja es konnte ihn entzücken, selbst wenn er unter dem Mangelhaften, was dabei mit zu Tage gefördert wurde, litt. Wie er ein abgesagter Feind alles Gespreizten, Ge¬ zierten, Gemachtem, aller Prätension und Ostentation war, so konnte er der Natur gegenüber sogar seine eigne aristokratische Art und Erziehung verleugnen, die ihn wohl sonst manchmal zu Klagen über die täglich fortschreitende Ver- pvbelung der Welt brachten. Und wie seine Freunde sicher waren, für alle Ausbrüche ihrer wahren Natur, selbst wenn sie sich in schroffer, ja roher Weise äußerten, Nachsicht bei ihm zu finden, so konnten sie erst recht darauf zählen, für alles Gute, das von ihnen ausging, von ihm anerkannt zu werden. Das Gute am Menschen wagt sich sonst noch weniger zu Tage als das Schlechte. Der Edle fürchtet dafür die Verkennung, den Spott, besonders da er im mündlichen Verkehr uur selten in der Lage ist, für das Gute einen angemessenen, nicht mißverstehenden Ausdruck zu finden. Er fürchtet, daß ihm sein Heilig¬ tum entweiht werde, daß ihm die Quelle, aus der er den Mut zu leben schöpft, getrübt werde. Alles das war Fiedler gegenüber nicht zu besorgen. Wie Frivolität vielleicht das einzige war, was ihm einen andern Menschen unerträg¬ lich machte, so war auch in seinem eignen Wesen keine Spur davon. Der Ernst und die Tiefe seines Innern verbreiteten über seine Person und über die ganze Atmosphäre, in der er lebte, eine weihevolle Stimmung, die alles Triviale, alles Gemeine ausschloß. Ein Freund von ihm sagte einmal: Wenn Fiedler kommt, so ist es immer wie Sonntag. So war es auch. Und jeder, der mit ihm zusammen war, hatte dieses Gefühl des Besondern, des Feierlicher und suchte sein Denken und Reden demgemäß einzurichten. „Es giebt edle Seelen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/327>, abgerufen am 24.06.2024.