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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Aonrad Liedler

von Arthur Volkmann. Ein Genius leitet die Jdealgestalt des Verklärten zu
einer Göttin, die ihm den Kranz reicht, nach dem der Künstler im Leben ver¬
geblich gestrebt hatte. Daß aber auch die Ergebnisse dieses Strebens selbst
nicht der Vergessenheit anheimfallen und noch nach des Meisters Tode segens¬
reich wirken sollten, war Fiedlers andre Sorge, die er in der rührendsten und
großartigsten Weise bethätigte. Nachdem er nach langen und peinlichen Unter¬
handlungen mit den Erben des Malers dessen gesamten Nachlaß an sich ge¬
bracht hatte, veranstaltete er noch einmal eine Ausstellung und schenkte ihn
dann dem bairischen Staate. Die vorzüglichsten Werke ließ er photographisch
vervielfältigen und die gesammelten Exemplare an Akademien und einzelne
Kunstverständige verteilen. Als Kommentar zu dieser Sammlung verfaßte er
selbst eine größere Schrift, in der die Persönlichkeit und das Wirken Marves
in der liebevollsten und eindringendsten Weise charakterisirt sind.

Und zu alledem kam, daß ihm die Erfüllung seiner Freundespflichten,
die er sich selbst auferlegte, manchmal recht erschwert wurde, und zwar meistens
von denen selbst, denen er seine Fürsorge widmete. Es wurden an seine
Opferwilligkeit von der Naivität einzelner seiner Künstlerfrennde, die den Wert
äußerer Mittel um so weniger zu schätzen wußten, je weniger sie sich um
deren Beschaffung zu kümmern brauchten, oft unerhörte Anforderungen gestellt.
Es bereitete ihm Schmerz, das Geforderte nicht gewähren zu können. Sagte
^ sich doch, daß ein solches Zurückweisen, je gerechtfertigter es war, die Be¬
troffnen verstimmen müsse und vielleicht den segensreichen Einklang stören würde,
der zwischen ihm und ihnen bestand. Er that alles, was er nur thun konnte,
UM einer solchen Störung vorzubeugen oder sie wieder zu beseitigen, wenn
sie nicht zu beseitigen gewesen war. Mit wahrhaft erhabner Selbstverleugnung
zog er die wieder an sich, die sich in Selbstverblendung von ihm losreißen
wollten. "Was soll denn ohne mich aus ihnen werden?" sagte er dann. Und
sie mochten wollen oder nicht, er sorgte und mühte sich weiter für sie.

Zum Schluß will ich nur noch flüchtig darauf hinweisen, wie mancherlei
Verdienste sich Fiedler auch um die Förderung des Kunstinteresses und Kunst¬
verständnisses im allgemeinen erworben hat. Namentlich sei hier hervorgehoben,
daß ihm auch das Leipziger Museum wertvolle Zuwendungen verdankt; wie
er denn überhaupt stets regen und sich in Rat und That mannigfach be¬
thätigenden Anteil an dem Kunstleben unsrer Stadt nahm. Ehrgeiz lag ihm
auch bei diesen Bestrebungen ganz sern. Es ist ihm wiederholt nahe gelegt
worden, Ehrenbezeigungen anzunehmen. Er lehnte es ub -- nicht aus falscher
Bescheidenheit. Er wußte, was sein Thun wert war. Aber äußere Ehren
schienen ihm kein angemessenes Entgelt für das, was er that. Wenn er dafür
einen andern Lohn im Auge hatte, als den, den das eigne Bewußtsein gewährt,
so war es nur der, daß sein Wirken auch von andern in richtiger Weise ge¬
würdigt würde. Offenbarer Undank, ein geflissentliches Verschweigen seiner


Aonrad Liedler

von Arthur Volkmann. Ein Genius leitet die Jdealgestalt des Verklärten zu
einer Göttin, die ihm den Kranz reicht, nach dem der Künstler im Leben ver¬
geblich gestrebt hatte. Daß aber auch die Ergebnisse dieses Strebens selbst
nicht der Vergessenheit anheimfallen und noch nach des Meisters Tode segens¬
reich wirken sollten, war Fiedlers andre Sorge, die er in der rührendsten und
großartigsten Weise bethätigte. Nachdem er nach langen und peinlichen Unter¬
handlungen mit den Erben des Malers dessen gesamten Nachlaß an sich ge¬
bracht hatte, veranstaltete er noch einmal eine Ausstellung und schenkte ihn
dann dem bairischen Staate. Die vorzüglichsten Werke ließ er photographisch
vervielfältigen und die gesammelten Exemplare an Akademien und einzelne
Kunstverständige verteilen. Als Kommentar zu dieser Sammlung verfaßte er
selbst eine größere Schrift, in der die Persönlichkeit und das Wirken Marves
in der liebevollsten und eindringendsten Weise charakterisirt sind.

Und zu alledem kam, daß ihm die Erfüllung seiner Freundespflichten,
die er sich selbst auferlegte, manchmal recht erschwert wurde, und zwar meistens
von denen selbst, denen er seine Fürsorge widmete. Es wurden an seine
Opferwilligkeit von der Naivität einzelner seiner Künstlerfrennde, die den Wert
äußerer Mittel um so weniger zu schätzen wußten, je weniger sie sich um
deren Beschaffung zu kümmern brauchten, oft unerhörte Anforderungen gestellt.
Es bereitete ihm Schmerz, das Geforderte nicht gewähren zu können. Sagte
^ sich doch, daß ein solches Zurückweisen, je gerechtfertigter es war, die Be¬
troffnen verstimmen müsse und vielleicht den segensreichen Einklang stören würde,
der zwischen ihm und ihnen bestand. Er that alles, was er nur thun konnte,
UM einer solchen Störung vorzubeugen oder sie wieder zu beseitigen, wenn
sie nicht zu beseitigen gewesen war. Mit wahrhaft erhabner Selbstverleugnung
zog er die wieder an sich, die sich in Selbstverblendung von ihm losreißen
wollten. „Was soll denn ohne mich aus ihnen werden?" sagte er dann. Und
sie mochten wollen oder nicht, er sorgte und mühte sich weiter für sie.

Zum Schluß will ich nur noch flüchtig darauf hinweisen, wie mancherlei
Verdienste sich Fiedler auch um die Förderung des Kunstinteresses und Kunst¬
verständnisses im allgemeinen erworben hat. Namentlich sei hier hervorgehoben,
daß ihm auch das Leipziger Museum wertvolle Zuwendungen verdankt; wie
er denn überhaupt stets regen und sich in Rat und That mannigfach be¬
thätigenden Anteil an dem Kunstleben unsrer Stadt nahm. Ehrgeiz lag ihm
auch bei diesen Bestrebungen ganz sern. Es ist ihm wiederholt nahe gelegt
worden, Ehrenbezeigungen anzunehmen. Er lehnte es ub — nicht aus falscher
Bescheidenheit. Er wußte, was sein Thun wert war. Aber äußere Ehren
schienen ihm kein angemessenes Entgelt für das, was er that. Wenn er dafür
einen andern Lohn im Auge hatte, als den, den das eigne Bewußtsein gewährt,
so war es nur der, daß sein Wirken auch von andern in richtiger Weise ge¬
würdigt würde. Offenbarer Undank, ein geflissentliches Verschweigen seiner


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[0285] Aonrad Liedler von Arthur Volkmann. Ein Genius leitet die Jdealgestalt des Verklärten zu einer Göttin, die ihm den Kranz reicht, nach dem der Künstler im Leben ver¬ geblich gestrebt hatte. Daß aber auch die Ergebnisse dieses Strebens selbst nicht der Vergessenheit anheimfallen und noch nach des Meisters Tode segens¬ reich wirken sollten, war Fiedlers andre Sorge, die er in der rührendsten und großartigsten Weise bethätigte. Nachdem er nach langen und peinlichen Unter¬ handlungen mit den Erben des Malers dessen gesamten Nachlaß an sich ge¬ bracht hatte, veranstaltete er noch einmal eine Ausstellung und schenkte ihn dann dem bairischen Staate. Die vorzüglichsten Werke ließ er photographisch vervielfältigen und die gesammelten Exemplare an Akademien und einzelne Kunstverständige verteilen. Als Kommentar zu dieser Sammlung verfaßte er selbst eine größere Schrift, in der die Persönlichkeit und das Wirken Marves in der liebevollsten und eindringendsten Weise charakterisirt sind. Und zu alledem kam, daß ihm die Erfüllung seiner Freundespflichten, die er sich selbst auferlegte, manchmal recht erschwert wurde, und zwar meistens von denen selbst, denen er seine Fürsorge widmete. Es wurden an seine Opferwilligkeit von der Naivität einzelner seiner Künstlerfrennde, die den Wert äußerer Mittel um so weniger zu schätzen wußten, je weniger sie sich um deren Beschaffung zu kümmern brauchten, oft unerhörte Anforderungen gestellt. Es bereitete ihm Schmerz, das Geforderte nicht gewähren zu können. Sagte ^ sich doch, daß ein solches Zurückweisen, je gerechtfertigter es war, die Be¬ troffnen verstimmen müsse und vielleicht den segensreichen Einklang stören würde, der zwischen ihm und ihnen bestand. Er that alles, was er nur thun konnte, UM einer solchen Störung vorzubeugen oder sie wieder zu beseitigen, wenn sie nicht zu beseitigen gewesen war. Mit wahrhaft erhabner Selbstverleugnung zog er die wieder an sich, die sich in Selbstverblendung von ihm losreißen wollten. „Was soll denn ohne mich aus ihnen werden?" sagte er dann. Und sie mochten wollen oder nicht, er sorgte und mühte sich weiter für sie. Zum Schluß will ich nur noch flüchtig darauf hinweisen, wie mancherlei Verdienste sich Fiedler auch um die Förderung des Kunstinteresses und Kunst¬ verständnisses im allgemeinen erworben hat. Namentlich sei hier hervorgehoben, daß ihm auch das Leipziger Museum wertvolle Zuwendungen verdankt; wie er denn überhaupt stets regen und sich in Rat und That mannigfach be¬ thätigenden Anteil an dem Kunstleben unsrer Stadt nahm. Ehrgeiz lag ihm auch bei diesen Bestrebungen ganz sern. Es ist ihm wiederholt nahe gelegt worden, Ehrenbezeigungen anzunehmen. Er lehnte es ub — nicht aus falscher Bescheidenheit. Er wußte, was sein Thun wert war. Aber äußere Ehren schienen ihm kein angemessenes Entgelt für das, was er that. Wenn er dafür einen andern Lohn im Auge hatte, als den, den das eigne Bewußtsein gewährt, so war es nur der, daß sein Wirken auch von andern in richtiger Weise ge¬ würdigt würde. Offenbarer Undank, ein geflissentliches Verschweigen seiner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/285>, abgerufen am 23.06.2024.