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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Das Land ist fruchtbar und trägt nicht nur freiwillig, ohne Düngung,
alle tropischen Früchte, Wurzelgewächse, Gewürze, Faserpflanzen, Stärkepflanzen,
Ölpflanzen, Farbpflanzen, Gerbstoff liefernde Pflanzen, Arzneipflanzen und
viele andre Gewächse in großer Menge, sondern infolge der stets wehenden
kühlenden Seewinde auch Pflanzen, die man sonst aus den Gegenden bezog,
wo der Wärmegrad nicht beständig die hiesige Höhe erreicht, wie Bohnen,
Erbsen, Kohl, Gurken, Melonen, Kürbisse, Salat, Redliche und Radieschen,
mitunter sogar Spargel, der aber, da er hier das ganze Jahr hindurch schießt,
nur dann gleichmäßigen Ertrag liefert, wenn das alte Kraut von Zeit zu Zeit
abgeschnitten wird.

Der Urwald liefert die kostbarsten Werk- und Bauhölzer, gutes Brenn¬
holz, wilde Schweine, wildes Rindvieh (in früherer Zeit wild geworden), wilde
Hühner und sehr fette Tauben einer großen Art, das Meer liefert Fische,
und Trinkwasser sprudelt in krhstallklaren Quellen am Meeresstrande hervor.

Der Grund und Boden gehörte ursprünglich den Ureinwohnern des Landes,
einem schön gebauten, gut beanlagten, heitern, aber unzivilisirten und trügen
Völkchen, dem noch vielfach in seinen Anschauungen die Überbleibsel eines
alten heidnischen Monotheismus anhängen, der früher in Menschenopfern, Viel¬
weiberei u. dergl. seine Befriedigung suchte.

Da das Land fruchtbar ist und einige Morgen bequem eine Familie er¬
nähren, so liegt der größte Teil des Landes unbenutzt, und der benutzte Teil
wird nur einen Tag in der Woche, nämlich -- seit englische Missionare hier
Einfluß erlangt haben -- an jedem Freitag auf einige Stunden bearbeitet.
Diese Arbeit von zwei bis drei Stunden an einem einzigen Tage in der Woche
genügt den Eingebornen meist, um die Lebensmittel für eine ganze Woche zu
pflanzen oder zu ernten. Dabei sind die Eingebornen tüchtige Esser, groß,
wohlgenährt und stark. Sie leben meist von ihren Feldfrüchten, und was sie
von Fleischnahrung nötig haben, schaffen sie sich durch Fischfang im Meere,
durch Schweinejagd (die Schweine werden mit Hunden gehetzt) und durch ihre
eigne Hühner- und Schweinezucht. Man sieht: die Leute überarbeiten sich nicht,
leben genügsam, befriedigen alle ihre Bedürfnisse, sind dabei gesund, kräftig
und zufrieden.

Auch ich lebe also hier, arbeite allerdings jeden Tag -- infolge alter
Gewohnheit mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage -- einige Stunden,
habe genug Felderzeugnisse zu meinem Leben und kann über einen Teil davon
noch anderweit verfügen. Einige Kühe liefern mir Milch und Kälber, meine
Schweine liefern mir das Fett für die Speisen, Eier liefern meine Hühner
und Enten, Fische liefert mein Fischkcmoe, das ein Eingeborner für die Hälfte
des Ertrags zum Fischfang führt, Honig liefern meine Bienen, und den Sonn-
tagstaubenbraten liefert die Jagd.

Nachdem ich so ausführlich meine Lage als Kolonist geschildert habe,


Das Land ist fruchtbar und trägt nicht nur freiwillig, ohne Düngung,
alle tropischen Früchte, Wurzelgewächse, Gewürze, Faserpflanzen, Stärkepflanzen,
Ölpflanzen, Farbpflanzen, Gerbstoff liefernde Pflanzen, Arzneipflanzen und
viele andre Gewächse in großer Menge, sondern infolge der stets wehenden
kühlenden Seewinde auch Pflanzen, die man sonst aus den Gegenden bezog,
wo der Wärmegrad nicht beständig die hiesige Höhe erreicht, wie Bohnen,
Erbsen, Kohl, Gurken, Melonen, Kürbisse, Salat, Redliche und Radieschen,
mitunter sogar Spargel, der aber, da er hier das ganze Jahr hindurch schießt,
nur dann gleichmäßigen Ertrag liefert, wenn das alte Kraut von Zeit zu Zeit
abgeschnitten wird.

Der Urwald liefert die kostbarsten Werk- und Bauhölzer, gutes Brenn¬
holz, wilde Schweine, wildes Rindvieh (in früherer Zeit wild geworden), wilde
Hühner und sehr fette Tauben einer großen Art, das Meer liefert Fische,
und Trinkwasser sprudelt in krhstallklaren Quellen am Meeresstrande hervor.

Der Grund und Boden gehörte ursprünglich den Ureinwohnern des Landes,
einem schön gebauten, gut beanlagten, heitern, aber unzivilisirten und trügen
Völkchen, dem noch vielfach in seinen Anschauungen die Überbleibsel eines
alten heidnischen Monotheismus anhängen, der früher in Menschenopfern, Viel¬
weiberei u. dergl. seine Befriedigung suchte.

Da das Land fruchtbar ist und einige Morgen bequem eine Familie er¬
nähren, so liegt der größte Teil des Landes unbenutzt, und der benutzte Teil
wird nur einen Tag in der Woche, nämlich — seit englische Missionare hier
Einfluß erlangt haben — an jedem Freitag auf einige Stunden bearbeitet.
Diese Arbeit von zwei bis drei Stunden an einem einzigen Tage in der Woche
genügt den Eingebornen meist, um die Lebensmittel für eine ganze Woche zu
pflanzen oder zu ernten. Dabei sind die Eingebornen tüchtige Esser, groß,
wohlgenährt und stark. Sie leben meist von ihren Feldfrüchten, und was sie
von Fleischnahrung nötig haben, schaffen sie sich durch Fischfang im Meere,
durch Schweinejagd (die Schweine werden mit Hunden gehetzt) und durch ihre
eigne Hühner- und Schweinezucht. Man sieht: die Leute überarbeiten sich nicht,
leben genügsam, befriedigen alle ihre Bedürfnisse, sind dabei gesund, kräftig
und zufrieden.

Auch ich lebe also hier, arbeite allerdings jeden Tag — infolge alter
Gewohnheit mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage — einige Stunden,
habe genug Felderzeugnisse zu meinem Leben und kann über einen Teil davon
noch anderweit verfügen. Einige Kühe liefern mir Milch und Kälber, meine
Schweine liefern mir das Fett für die Speisen, Eier liefern meine Hühner
und Enten, Fische liefert mein Fischkcmoe, das ein Eingeborner für die Hälfte
des Ertrags zum Fischfang führt, Honig liefern meine Bienen, und den Sonn-
tagstaubenbraten liefert die Jagd.

Nachdem ich so ausführlich meine Lage als Kolonist geschildert habe,


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[0258] Das Land ist fruchtbar und trägt nicht nur freiwillig, ohne Düngung, alle tropischen Früchte, Wurzelgewächse, Gewürze, Faserpflanzen, Stärkepflanzen, Ölpflanzen, Farbpflanzen, Gerbstoff liefernde Pflanzen, Arzneipflanzen und viele andre Gewächse in großer Menge, sondern infolge der stets wehenden kühlenden Seewinde auch Pflanzen, die man sonst aus den Gegenden bezog, wo der Wärmegrad nicht beständig die hiesige Höhe erreicht, wie Bohnen, Erbsen, Kohl, Gurken, Melonen, Kürbisse, Salat, Redliche und Radieschen, mitunter sogar Spargel, der aber, da er hier das ganze Jahr hindurch schießt, nur dann gleichmäßigen Ertrag liefert, wenn das alte Kraut von Zeit zu Zeit abgeschnitten wird. Der Urwald liefert die kostbarsten Werk- und Bauhölzer, gutes Brenn¬ holz, wilde Schweine, wildes Rindvieh (in früherer Zeit wild geworden), wilde Hühner und sehr fette Tauben einer großen Art, das Meer liefert Fische, und Trinkwasser sprudelt in krhstallklaren Quellen am Meeresstrande hervor. Der Grund und Boden gehörte ursprünglich den Ureinwohnern des Landes, einem schön gebauten, gut beanlagten, heitern, aber unzivilisirten und trügen Völkchen, dem noch vielfach in seinen Anschauungen die Überbleibsel eines alten heidnischen Monotheismus anhängen, der früher in Menschenopfern, Viel¬ weiberei u. dergl. seine Befriedigung suchte. Da das Land fruchtbar ist und einige Morgen bequem eine Familie er¬ nähren, so liegt der größte Teil des Landes unbenutzt, und der benutzte Teil wird nur einen Tag in der Woche, nämlich — seit englische Missionare hier Einfluß erlangt haben — an jedem Freitag auf einige Stunden bearbeitet. Diese Arbeit von zwei bis drei Stunden an einem einzigen Tage in der Woche genügt den Eingebornen meist, um die Lebensmittel für eine ganze Woche zu pflanzen oder zu ernten. Dabei sind die Eingebornen tüchtige Esser, groß, wohlgenährt und stark. Sie leben meist von ihren Feldfrüchten, und was sie von Fleischnahrung nötig haben, schaffen sie sich durch Fischfang im Meere, durch Schweinejagd (die Schweine werden mit Hunden gehetzt) und durch ihre eigne Hühner- und Schweinezucht. Man sieht: die Leute überarbeiten sich nicht, leben genügsam, befriedigen alle ihre Bedürfnisse, sind dabei gesund, kräftig und zufrieden. Auch ich lebe also hier, arbeite allerdings jeden Tag — infolge alter Gewohnheit mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage — einige Stunden, habe genug Felderzeugnisse zu meinem Leben und kann über einen Teil davon noch anderweit verfügen. Einige Kühe liefern mir Milch und Kälber, meine Schweine liefern mir das Fett für die Speisen, Eier liefern meine Hühner und Enten, Fische liefert mein Fischkcmoe, das ein Eingeborner für die Hälfte des Ertrags zum Fischfang führt, Honig liefern meine Bienen, und den Sonn- tagstaubenbraten liefert die Jagd. Nachdem ich so ausführlich meine Lage als Kolonist geschildert habe,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/258>, abgerufen am 27.07.2024.