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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Die Genossenschaft Pan und die allermoderiiste Kunst

haben. Daß unter den kunsthistorischen Würdigungen, den Berichten, Kritiken
n. s. w. manches tüchtige und interessante ist -- ich weise nur auf Seidlitzens
Bemerkungen über das Herbe in der Kunst, auf Lichtwarks Abhandlung
aber die Medaille, auf Halbes Artikel über das intime Theater hin --,
soll nicht verkannt werden. Aber gerade in dein, was sich der "Pan"
als Hauptaufgabe gestellt hat, in der Darstellung selbständiger künstlerischer
Produktionen, bleibt er, wie wir gesehen haben, weit hinter den Erwar¬
tungen zurück.

Es erhebt sich nun für alle Mitglieder der Genossenschaft, die es gut mit
der modernen Kunst meinen, die Frage: Was nun? Soll der "Pan" fort¬
fahren, in der bisherigen Weise seinen Lesern vorwiegend die schwachen Pro¬
dukte der modernen Kunst vor Augen zu führen, nur für die Ausländerei, das
Modefexentnm, die ungesunde Nachahmung alter Stilarten Interesse zu zeige",
das Gute, Tüchtige, Ernste und Selbständige dagegen, das wir doch in Menge
haben, andern Zeitschriften überlassen? Soll auf diese Weise der Riß zwischen
der modernen Kunst und dem Publikum, der so wie so schon groß genug ist,
gewaltsam immer mehr vergrößert und eine gesunde Weiterentwicklung unsrer
Kunst geradezu unmöglich gemacht werden? Eine Zeitschrift von dieser Be¬
schaffenheit, in dieser Ausstattung darf nur das allerbeste bringen und darf es
ihren Lesern nur in der denkbar besten Form bieten. Ich zweifle nicht daran,
daß viele Mitglieder der Genossenschaft ebenso wie ich über diese ersten Hefte
empört sind, wenn sie es auch nicht öffentlich aussprechen. Ich fühle nur die
Verpflichtung, mich zum Sprachrohr dieser Gefühle zu machen, weil ich weder
durch persönliche Beziehungen noch durch Rücksichten meiner Stellung gehindert
werde, das, was ich denke, auch offen zu sagen. Wir wünschen entschieden, daß
die Zeitschrift weiter besteht, denn der Gedanke, der ihrer Herausgabe zu Grunde
liegt, ist gesund und fruchtbar. Wir wünschen aber ebenso entschieden, daß bei
der Aufnahme der künstlerischen Beiträge eine strengere Kritik als bisher geübt,
vor allen Dingen nicht einer kleinern extremen Klique nachgegeben werde, deren
Leistungen nach den hier gegebnen Proben vorläufig noch durchaus minder¬
wertig sind. Der "Pan" kann auf die Dauer nicht von den Beiträgen seiner
Mitglieder leben, sondern ist auf das Interesse weiterer Kreise angewiesen.
Nach dem Fiasko, das die ersten beiden Hefte gemacht haben, wird sich die
Schriftleitung wohl schwerlich der Illusion hingeben, daß viele Leute aus eine
Zeitschrift cibonniren werden, die ihnen nur Gelegenheit giebt, sich jährlich
viermal über die moderne Kunst zu ärgern und ihren Gästen abends Stoff
zu spaßhafter Unterhaltung zu bieten. Unsers Trachtens sollten die Mitglieder
des Aufsichtsrats oder des Redaktionsausschusses, von denen wir wissen, daß
sie nicht mit allen Beitrügen der ersten Hefte einverstanden sind, einen stärkern
Einfluß auf die Redaktion zu gewinnen suchen und sich an die Spitze einer
Bewegung stelle,!, durch die ein an sich gesundes und aussichtsreiches Unter-


Die Genossenschaft Pan und die allermoderiiste Kunst

haben. Daß unter den kunsthistorischen Würdigungen, den Berichten, Kritiken
n. s. w. manches tüchtige und interessante ist — ich weise nur auf Seidlitzens
Bemerkungen über das Herbe in der Kunst, auf Lichtwarks Abhandlung
aber die Medaille, auf Halbes Artikel über das intime Theater hin —,
soll nicht verkannt werden. Aber gerade in dein, was sich der „Pan"
als Hauptaufgabe gestellt hat, in der Darstellung selbständiger künstlerischer
Produktionen, bleibt er, wie wir gesehen haben, weit hinter den Erwar¬
tungen zurück.

Es erhebt sich nun für alle Mitglieder der Genossenschaft, die es gut mit
der modernen Kunst meinen, die Frage: Was nun? Soll der „Pan" fort¬
fahren, in der bisherigen Weise seinen Lesern vorwiegend die schwachen Pro¬
dukte der modernen Kunst vor Augen zu führen, nur für die Ausländerei, das
Modefexentnm, die ungesunde Nachahmung alter Stilarten Interesse zu zeige»,
das Gute, Tüchtige, Ernste und Selbständige dagegen, das wir doch in Menge
haben, andern Zeitschriften überlassen? Soll auf diese Weise der Riß zwischen
der modernen Kunst und dem Publikum, der so wie so schon groß genug ist,
gewaltsam immer mehr vergrößert und eine gesunde Weiterentwicklung unsrer
Kunst geradezu unmöglich gemacht werden? Eine Zeitschrift von dieser Be¬
schaffenheit, in dieser Ausstattung darf nur das allerbeste bringen und darf es
ihren Lesern nur in der denkbar besten Form bieten. Ich zweifle nicht daran,
daß viele Mitglieder der Genossenschaft ebenso wie ich über diese ersten Hefte
empört sind, wenn sie es auch nicht öffentlich aussprechen. Ich fühle nur die
Verpflichtung, mich zum Sprachrohr dieser Gefühle zu machen, weil ich weder
durch persönliche Beziehungen noch durch Rücksichten meiner Stellung gehindert
werde, das, was ich denke, auch offen zu sagen. Wir wünschen entschieden, daß
die Zeitschrift weiter besteht, denn der Gedanke, der ihrer Herausgabe zu Grunde
liegt, ist gesund und fruchtbar. Wir wünschen aber ebenso entschieden, daß bei
der Aufnahme der künstlerischen Beiträge eine strengere Kritik als bisher geübt,
vor allen Dingen nicht einer kleinern extremen Klique nachgegeben werde, deren
Leistungen nach den hier gegebnen Proben vorläufig noch durchaus minder¬
wertig sind. Der „Pan" kann auf die Dauer nicht von den Beiträgen seiner
Mitglieder leben, sondern ist auf das Interesse weiterer Kreise angewiesen.
Nach dem Fiasko, das die ersten beiden Hefte gemacht haben, wird sich die
Schriftleitung wohl schwerlich der Illusion hingeben, daß viele Leute aus eine
Zeitschrift cibonniren werden, die ihnen nur Gelegenheit giebt, sich jährlich
viermal über die moderne Kunst zu ärgern und ihren Gästen abends Stoff
zu spaßhafter Unterhaltung zu bieten. Unsers Trachtens sollten die Mitglieder
des Aufsichtsrats oder des Redaktionsausschusses, von denen wir wissen, daß
sie nicht mit allen Beitrügen der ersten Hefte einverstanden sind, einen stärkern
Einfluß auf die Redaktion zu gewinnen suchen und sich an die Spitze einer
Bewegung stelle,!, durch die ein an sich gesundes und aussichtsreiches Unter-


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[0237] Die Genossenschaft Pan und die allermoderiiste Kunst haben. Daß unter den kunsthistorischen Würdigungen, den Berichten, Kritiken n. s. w. manches tüchtige und interessante ist — ich weise nur auf Seidlitzens Bemerkungen über das Herbe in der Kunst, auf Lichtwarks Abhandlung aber die Medaille, auf Halbes Artikel über das intime Theater hin —, soll nicht verkannt werden. Aber gerade in dein, was sich der „Pan" als Hauptaufgabe gestellt hat, in der Darstellung selbständiger künstlerischer Produktionen, bleibt er, wie wir gesehen haben, weit hinter den Erwar¬ tungen zurück. Es erhebt sich nun für alle Mitglieder der Genossenschaft, die es gut mit der modernen Kunst meinen, die Frage: Was nun? Soll der „Pan" fort¬ fahren, in der bisherigen Weise seinen Lesern vorwiegend die schwachen Pro¬ dukte der modernen Kunst vor Augen zu führen, nur für die Ausländerei, das Modefexentnm, die ungesunde Nachahmung alter Stilarten Interesse zu zeige», das Gute, Tüchtige, Ernste und Selbständige dagegen, das wir doch in Menge haben, andern Zeitschriften überlassen? Soll auf diese Weise der Riß zwischen der modernen Kunst und dem Publikum, der so wie so schon groß genug ist, gewaltsam immer mehr vergrößert und eine gesunde Weiterentwicklung unsrer Kunst geradezu unmöglich gemacht werden? Eine Zeitschrift von dieser Be¬ schaffenheit, in dieser Ausstattung darf nur das allerbeste bringen und darf es ihren Lesern nur in der denkbar besten Form bieten. Ich zweifle nicht daran, daß viele Mitglieder der Genossenschaft ebenso wie ich über diese ersten Hefte empört sind, wenn sie es auch nicht öffentlich aussprechen. Ich fühle nur die Verpflichtung, mich zum Sprachrohr dieser Gefühle zu machen, weil ich weder durch persönliche Beziehungen noch durch Rücksichten meiner Stellung gehindert werde, das, was ich denke, auch offen zu sagen. Wir wünschen entschieden, daß die Zeitschrift weiter besteht, denn der Gedanke, der ihrer Herausgabe zu Grunde liegt, ist gesund und fruchtbar. Wir wünschen aber ebenso entschieden, daß bei der Aufnahme der künstlerischen Beiträge eine strengere Kritik als bisher geübt, vor allen Dingen nicht einer kleinern extremen Klique nachgegeben werde, deren Leistungen nach den hier gegebnen Proben vorläufig noch durchaus minder¬ wertig sind. Der „Pan" kann auf die Dauer nicht von den Beiträgen seiner Mitglieder leben, sondern ist auf das Interesse weiterer Kreise angewiesen. Nach dem Fiasko, das die ersten beiden Hefte gemacht haben, wird sich die Schriftleitung wohl schwerlich der Illusion hingeben, daß viele Leute aus eine Zeitschrift cibonniren werden, die ihnen nur Gelegenheit giebt, sich jährlich viermal über die moderne Kunst zu ärgern und ihren Gästen abends Stoff zu spaßhafter Unterhaltung zu bieten. Unsers Trachtens sollten die Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Redaktionsausschusses, von denen wir wissen, daß sie nicht mit allen Beitrügen der ersten Hefte einverstanden sind, einen stärkern Einfluß auf die Redaktion zu gewinnen suchen und sich an die Spitze einer Bewegung stelle,!, durch die ein an sich gesundes und aussichtsreiches Unter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/237>, abgerufen am 27.07.2024.