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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Dienstzeit weit nachhaltiger einwirken wird, als die bisherige einjährige mit
ihren achtwöchigen Übungen. Man wird deshalb den um fertigen Reserve¬
offizier getrost eine Reihe von Jahren unbehelligt lassen dürfen; er erhält also
Zeit, sich vollständig in seinen Beruf einzuarbeiten. Ist sein Ehrgeiz wach,
seine militärische Tüchtigkeit anhaltend, seine Zivilstellung entsprechend, und
verlangen es militärische Umstände, wie die Einführung eines neuen Gewehrs,
eiuer veränderten Exerzier- oder Felddienstordnung, die Beförderung zum
Hauptmann und ähnliches, so wird mit einer kürzern Übung der gewünschte
Zweck erreicht werden, wenn man nicht beispielsweise eine Beförderung
überhaupt von der freiwilligen Ableistung einer längern Übung abhängig
machen will.

Sollte auf diese Weise uicht auch vom militärische" Standpnktc ans ein
großer Vorteil erreicht werden gegen die bisherige Einrichtung? Bedenken wir
mir, um wie viel einheitlicher sich die gesamte Ausbildung der Truppe ge¬
stalten würde! Bedenken wir ferner, um wie viel sich die Thätigkeit der Be¬
zirkskommandeure einschränken und vereinfachen ließe, wie sehr viel richtiger
das Urteil des Regimentskommandeurs auch über die "Reserveoffiziere" seines
Regiments sich gestalten müßte! Dabei würde die peinliche Lage, in der sich
so mancher brave Kompagniechef alljährlich befindet, einen einjährigen, im
übrigen tüchtigen Soldaten aus "gesellschaftlichen" Gründen zur Beförderung
nicht vorschlagen zu können, mindestens sehr gemildert werden, und da auch
die zukünftige Schulbildung nach andern Gesichtspunkten geordnet und beurteilt
werden würde, wäre die Freiheit der Offizierswahl ganz in die Hände des
Regimentskommandeurs und der Bernfsvffiziere gelegt, wodurch alle der bis¬
herigen Einrichtung anhaftenden großen Mängel und Ungleichheiten wegfielen.
Der Soldat aber, der nicht Offizier werden will oder es nach der Ansicht
der Vorgesetzten nicht werden kann, genügt eben seiner Pflicht als einfacher
Soldat oder Unteroffizier für zwei Jahre, und kein ungeschmückter Halskragen
wird mit den Einjährigenschnüren in Widerspruch trete".

Führt mau diese allgemeinen Gedanken weiter ans, so wird man sich
leicht ein Bild davon machen können, wie sich die Kompagme der allgemeinen
zweijährige" Dienstzeit zusammensetzt. Wir unterlassen es aber, auf weitere
Einzelheiten einzugehen, und verhehlen uns nicht, daß einer ganzen Reihe von
Fragen, für die sich bei der neuen Einrichtung überraschend glückliche und
leichte Lösungen ergeben, auch andre gegenüberstehen, die weit größere Schwierig¬
keiten bieten. Wir haben uns auch mit guter Absicht auf die Infanterie be¬
schränkt, indem wir von dem Gesichtspunkte ausgingen, daß sie die zahlreichste
Hauptwaffe darstellt und much die jetzt für sie geltenden Bestimmungen nur
mit gewissen Änderungen auf andre Waffen Anwendung finden. So würde
voraussichtlich mit dem Falle" des El"jührige"wehe"s die Erlangung des Re-
serveosfizierpatents bei der Kavallerie an eine dreijährige Dienstzeit zu knüpfe"


Dienstzeit weit nachhaltiger einwirken wird, als die bisherige einjährige mit
ihren achtwöchigen Übungen. Man wird deshalb den um fertigen Reserve¬
offizier getrost eine Reihe von Jahren unbehelligt lassen dürfen; er erhält also
Zeit, sich vollständig in seinen Beruf einzuarbeiten. Ist sein Ehrgeiz wach,
seine militärische Tüchtigkeit anhaltend, seine Zivilstellung entsprechend, und
verlangen es militärische Umstände, wie die Einführung eines neuen Gewehrs,
eiuer veränderten Exerzier- oder Felddienstordnung, die Beförderung zum
Hauptmann und ähnliches, so wird mit einer kürzern Übung der gewünschte
Zweck erreicht werden, wenn man nicht beispielsweise eine Beförderung
überhaupt von der freiwilligen Ableistung einer längern Übung abhängig
machen will.

Sollte auf diese Weise uicht auch vom militärische» Standpnktc ans ein
großer Vorteil erreicht werden gegen die bisherige Einrichtung? Bedenken wir
mir, um wie viel einheitlicher sich die gesamte Ausbildung der Truppe ge¬
stalten würde! Bedenken wir ferner, um wie viel sich die Thätigkeit der Be¬
zirkskommandeure einschränken und vereinfachen ließe, wie sehr viel richtiger
das Urteil des Regimentskommandeurs auch über die „Reserveoffiziere" seines
Regiments sich gestalten müßte! Dabei würde die peinliche Lage, in der sich
so mancher brave Kompagniechef alljährlich befindet, einen einjährigen, im
übrigen tüchtigen Soldaten aus „gesellschaftlichen" Gründen zur Beförderung
nicht vorschlagen zu können, mindestens sehr gemildert werden, und da auch
die zukünftige Schulbildung nach andern Gesichtspunkten geordnet und beurteilt
werden würde, wäre die Freiheit der Offizierswahl ganz in die Hände des
Regimentskommandeurs und der Bernfsvffiziere gelegt, wodurch alle der bis¬
herigen Einrichtung anhaftenden großen Mängel und Ungleichheiten wegfielen.
Der Soldat aber, der nicht Offizier werden will oder es nach der Ansicht
der Vorgesetzten nicht werden kann, genügt eben seiner Pflicht als einfacher
Soldat oder Unteroffizier für zwei Jahre, und kein ungeschmückter Halskragen
wird mit den Einjährigenschnüren in Widerspruch trete».

Führt mau diese allgemeinen Gedanken weiter ans, so wird man sich
leicht ein Bild davon machen können, wie sich die Kompagme der allgemeinen
zweijährige» Dienstzeit zusammensetzt. Wir unterlassen es aber, auf weitere
Einzelheiten einzugehen, und verhehlen uns nicht, daß einer ganzen Reihe von
Fragen, für die sich bei der neuen Einrichtung überraschend glückliche und
leichte Lösungen ergeben, auch andre gegenüberstehen, die weit größere Schwierig¬
keiten bieten. Wir haben uns auch mit guter Absicht auf die Infanterie be¬
schränkt, indem wir von dem Gesichtspunkte ausgingen, daß sie die zahlreichste
Hauptwaffe darstellt und much die jetzt für sie geltenden Bestimmungen nur
mit gewissen Änderungen auf andre Waffen Anwendung finden. So würde
voraussichtlich mit dem Falle» des El»jührige»wehe»s die Erlangung des Re-
serveosfizierpatents bei der Kavallerie an eine dreijährige Dienstzeit zu knüpfe»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/223>, abgerufen am 27.07.2024.