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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Allgemeine zweijährige Dienstzeit

Generation die mit ihr verbundnen Schäden überwunden, lind so dürfte sich
auch hier bald zeigen, daß manche Schwierigkeiten, ja scheinbare "Unmöglich¬
keiten" nur Übergangserscheinungen sind, die sich von selber heben, wenn die
ganze Wirkung der Neuerung auf alleil Gebieten eingetreten ist.

Fällt das Einjährigenwesen, so werden von der zweijährigen Dienstzeit
natürlich alle die Gesellschaftsklassen betroffen, aus denen der bisherige Ein¬
jährige hervorging. Vielleicht wäre es vor fünfzig Jahren leichter festzustellen
gewesen, welches diese Klassen sind, die den größern Teil der "jungen Leute
von Bildung" an das Heer lieferten. Der heutigen Sachlage nach haben
daran so ziemlich alle Bevölkerungsschichten teil mit Ausnahme des Bauern,
des Arbeiters und des Kleinbürgers, also des vierten Standes. Denn auch
der kleine Kaufmann und der Subalternbeamte streben mit allen Kräften -- und
oft über ihre Kräfte hinaus -- darnach, ihren Söhnen das Vorrecht des ein¬
jährigen Dienstes zu sichern.

Nun läßt sich die Gesamtzahl aller Einjährigen in zwei Abteilungen zer¬
legen, erstens in solche, die Reserveoffiziere werden, zweitens in solche, die es
nicht werden, wobei wir die auf halbem Wege stehen gebliebner Unteroffiziere
der Reserve schon deshalb unberücksichtigt lassen können, weil zu ihrem Ersatz
auch die bessern Zweijährigen dienen.

Nun ist aber für die erste Abteilung, für die die Einrichtung, wie sie jetzt
ist, die meiste Daseinsberechtigung hat, von einem einjährigen Dienst mit der
Waffe gar keine Rede, sondern der zukünftige Reserveoffizier dient anßer
"seinem Jahr" noch mindestens zweimal zwei Monate als Unteroffizier und
Feldwebel, ferner mindestens dreimal zwei Monate als Offizier, im ganzen
also mindestens zweiundzwanzig Monate, und das ist eine Dienstzeit, die beim
Militär noch immer für ungenügend gilt und im Laufe der Jahre eher m-
ais abnehmen dürfte. Rechnet man freiwillige und Landwehrübungen hinzu,
so dürfte der Reserve- oder Landwehrvffizier durchschnittlich mehr als zwei
Jahre bei der Fahne stehen, sodaß sich also für diese Abteilung die zu be¬
antwortende Frage dahin verschieben würde: Ist vom bürgerlichen und mili¬
tärischen Standpunkte aus die Verteilung einer Dienstzeit von zwei Jahren auf
einen längern Zeitraum praktischer als ihr Zusammenfassen in zwei aufeinander¬
folgende Jahre?

Vom bürgerlichen Standpunkte ans würde es bei Beantwortung dieser
Frage darauf ankommen, festzustellen, aus welchen Klassen der Gesellschaft sich
der Reserveoffizier vorzugsweise ergänzt. Uns ist eine Statistik hierüber nicht
bekannt; wir müssen uns an allgemeine Daten eigner und fremder, mit Vor¬
sicht gesammelter Erfahrungen halten, die nur einen bedingten Wert beanspruchen
können. Vielleicht giebt aber gerade die Unsicherheit dieser Daten die Ver¬
anlassung dazu, durch die Bezirkskommaudos eine unanfechtbare Statistik in
dieser Beziehung aufstellen und dabei die Frage beantworten zu lassen, welche


Allgemeine zweijährige Dienstzeit

Generation die mit ihr verbundnen Schäden überwunden, lind so dürfte sich
auch hier bald zeigen, daß manche Schwierigkeiten, ja scheinbare „Unmöglich¬
keiten" nur Übergangserscheinungen sind, die sich von selber heben, wenn die
ganze Wirkung der Neuerung auf alleil Gebieten eingetreten ist.

Fällt das Einjährigenwesen, so werden von der zweijährigen Dienstzeit
natürlich alle die Gesellschaftsklassen betroffen, aus denen der bisherige Ein¬
jährige hervorging. Vielleicht wäre es vor fünfzig Jahren leichter festzustellen
gewesen, welches diese Klassen sind, die den größern Teil der „jungen Leute
von Bildung" an das Heer lieferten. Der heutigen Sachlage nach haben
daran so ziemlich alle Bevölkerungsschichten teil mit Ausnahme des Bauern,
des Arbeiters und des Kleinbürgers, also des vierten Standes. Denn auch
der kleine Kaufmann und der Subalternbeamte streben mit allen Kräften — und
oft über ihre Kräfte hinaus — darnach, ihren Söhnen das Vorrecht des ein¬
jährigen Dienstes zu sichern.

Nun läßt sich die Gesamtzahl aller Einjährigen in zwei Abteilungen zer¬
legen, erstens in solche, die Reserveoffiziere werden, zweitens in solche, die es
nicht werden, wobei wir die auf halbem Wege stehen gebliebner Unteroffiziere
der Reserve schon deshalb unberücksichtigt lassen können, weil zu ihrem Ersatz
auch die bessern Zweijährigen dienen.

Nun ist aber für die erste Abteilung, für die die Einrichtung, wie sie jetzt
ist, die meiste Daseinsberechtigung hat, von einem einjährigen Dienst mit der
Waffe gar keine Rede, sondern der zukünftige Reserveoffizier dient anßer
„seinem Jahr" noch mindestens zweimal zwei Monate als Unteroffizier und
Feldwebel, ferner mindestens dreimal zwei Monate als Offizier, im ganzen
also mindestens zweiundzwanzig Monate, und das ist eine Dienstzeit, die beim
Militär noch immer für ungenügend gilt und im Laufe der Jahre eher m-
ais abnehmen dürfte. Rechnet man freiwillige und Landwehrübungen hinzu,
so dürfte der Reserve- oder Landwehrvffizier durchschnittlich mehr als zwei
Jahre bei der Fahne stehen, sodaß sich also für diese Abteilung die zu be¬
antwortende Frage dahin verschieben würde: Ist vom bürgerlichen und mili¬
tärischen Standpunkte aus die Verteilung einer Dienstzeit von zwei Jahren auf
einen längern Zeitraum praktischer als ihr Zusammenfassen in zwei aufeinander¬
folgende Jahre?

Vom bürgerlichen Standpunkte ans würde es bei Beantwortung dieser
Frage darauf ankommen, festzustellen, aus welchen Klassen der Gesellschaft sich
der Reserveoffizier vorzugsweise ergänzt. Uns ist eine Statistik hierüber nicht
bekannt; wir müssen uns an allgemeine Daten eigner und fremder, mit Vor¬
sicht gesammelter Erfahrungen halten, die nur einen bedingten Wert beanspruchen
können. Vielleicht giebt aber gerade die Unsicherheit dieser Daten die Ver¬
anlassung dazu, durch die Bezirkskommaudos eine unanfechtbare Statistik in
dieser Beziehung aufstellen und dabei die Frage beantworten zu lassen, welche


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[0216] Allgemeine zweijährige Dienstzeit Generation die mit ihr verbundnen Schäden überwunden, lind so dürfte sich auch hier bald zeigen, daß manche Schwierigkeiten, ja scheinbare „Unmöglich¬ keiten" nur Übergangserscheinungen sind, die sich von selber heben, wenn die ganze Wirkung der Neuerung auf alleil Gebieten eingetreten ist. Fällt das Einjährigenwesen, so werden von der zweijährigen Dienstzeit natürlich alle die Gesellschaftsklassen betroffen, aus denen der bisherige Ein¬ jährige hervorging. Vielleicht wäre es vor fünfzig Jahren leichter festzustellen gewesen, welches diese Klassen sind, die den größern Teil der „jungen Leute von Bildung" an das Heer lieferten. Der heutigen Sachlage nach haben daran so ziemlich alle Bevölkerungsschichten teil mit Ausnahme des Bauern, des Arbeiters und des Kleinbürgers, also des vierten Standes. Denn auch der kleine Kaufmann und der Subalternbeamte streben mit allen Kräften — und oft über ihre Kräfte hinaus — darnach, ihren Söhnen das Vorrecht des ein¬ jährigen Dienstes zu sichern. Nun läßt sich die Gesamtzahl aller Einjährigen in zwei Abteilungen zer¬ legen, erstens in solche, die Reserveoffiziere werden, zweitens in solche, die es nicht werden, wobei wir die auf halbem Wege stehen gebliebner Unteroffiziere der Reserve schon deshalb unberücksichtigt lassen können, weil zu ihrem Ersatz auch die bessern Zweijährigen dienen. Nun ist aber für die erste Abteilung, für die die Einrichtung, wie sie jetzt ist, die meiste Daseinsberechtigung hat, von einem einjährigen Dienst mit der Waffe gar keine Rede, sondern der zukünftige Reserveoffizier dient anßer „seinem Jahr" noch mindestens zweimal zwei Monate als Unteroffizier und Feldwebel, ferner mindestens dreimal zwei Monate als Offizier, im ganzen also mindestens zweiundzwanzig Monate, und das ist eine Dienstzeit, die beim Militär noch immer für ungenügend gilt und im Laufe der Jahre eher m- ais abnehmen dürfte. Rechnet man freiwillige und Landwehrübungen hinzu, so dürfte der Reserve- oder Landwehrvffizier durchschnittlich mehr als zwei Jahre bei der Fahne stehen, sodaß sich also für diese Abteilung die zu be¬ antwortende Frage dahin verschieben würde: Ist vom bürgerlichen und mili¬ tärischen Standpunkte aus die Verteilung einer Dienstzeit von zwei Jahren auf einen längern Zeitraum praktischer als ihr Zusammenfassen in zwei aufeinander¬ folgende Jahre? Vom bürgerlichen Standpunkte ans würde es bei Beantwortung dieser Frage darauf ankommen, festzustellen, aus welchen Klassen der Gesellschaft sich der Reserveoffizier vorzugsweise ergänzt. Uns ist eine Statistik hierüber nicht bekannt; wir müssen uns an allgemeine Daten eigner und fremder, mit Vor¬ sicht gesammelter Erfahrungen halten, die nur einen bedingten Wert beanspruchen können. Vielleicht giebt aber gerade die Unsicherheit dieser Daten die Ver¬ anlassung dazu, durch die Bezirkskommaudos eine unanfechtbare Statistik in dieser Beziehung aufstellen und dabei die Frage beantworten zu lassen, welche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/216>, abgerufen am 23.06.2024.